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ARBEITSMEDIZIN/451: Psychotherapeutenverfahren bei traumatischen Ereignissen am Arbeitsplatz (DGAUM)


Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. - 24. Januar 2018

Psychotherapeutenverfahren bei traumatischen Ereignissen am Arbeitsplatz


München, 24. Januar 2018 - Arbeits- und Wegeunfälle können für Betroffene ein traumatisches Ereignis darstellen und Folgen für die Psyche haben. Wichtig ist dann vor allem die schnelle Betreuung nach dem Unfall. Betriebs- und Werksärzte sind dabei wichtige Ansprechpartner für die Betroffenen. Berufsgenossenschaften und Unfallkassen stellen auch bei psychischen Folgen von Arbeits- und Wegeunfällen eine geeignete Behandlung und Rehabilitation sicher. Grundlage ist das Psychotherapeutenverfahren der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Psychische Folgen durch Unfall oder Gewalt am Arbeitsplatz

Psychische Störungen infolge von Arbeits- und Wegeunfälle werden auf sehr unterschiedliche Weise ausgelöst. Beispielsweise gibt es bei Verkehrs- oder Maschinenunfällen mit gravierenden körperlichen Verletzungen immer auch eine Extrembelastung, aus der sich Folgen für die Psyche ergeben können. Dies gilt auch für Beschäftigte, die selber nur mittelbar betroffen sind, wie Ersthelfer oder Zeugen eines schweren Unfalls. In einigen Berufen und Branchen kommen Gewalt und Aggression am Arbeitsplatz häufiger vor. Vor allem wenn sich Bedrohungen und Gewaltereignisse wiederholen, nimmt auch das Risiko für psychische Störungen zu. Besonders gefährdet sind Zugbegleiter, Verkaufspersonal, Krankenschwestern und Pfleger, Taxifahrer, Rettungskräfte sowie Beschäftigte mit intensivem Kontakt zu Kunden, Patienten oder betreuten Personen.

Frühzeitige Meldung wichtig - auch bei Bagatellunfällen

Nach einem Extremereignis am Arbeitsplatz ist für eine psychotherapeutische Frühintervention eine sofortige Betreuung des Betroffenen und Meldung an den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (UV-Träger) sehr wichtig. Diese wird in der Praxis aber oft nicht oder erst verspätet umgesetzt, weil offensichtliche Verletzungen fehlen oder indirekt beteiligte Mitarbeiter nicht bedacht werden, wie z.B. bei Zeugen eines tödlich verletzten Kollegen. Auch vermeintliche Bagatellunfälle, wie etwa Bedrohungen, Beleidigungen oder Anspucken durch Kunden oder Patienten, sollten vom Unternehmen dokumentiert werden, da viele Betroffene erst später Symptome entwickeln können. Die UV-Träger empfehlen den Unternehmen daher möglichst alle Betroffenen zu erfassen und vorsorglich zu melden, um den psychotherapeutischen Bedarf identifizieren zu können.

Das DGUV-Psychotherapeutenverfahren

Das 2012 eingeführte Psychotherapeutenverfahren soll die frühzeitige psychologisch-therapeutische Hilfe für Versicherte nach Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten sicherstellen und eine Chronifizierung psychischer Konflikte und Störungen verhindern. Am Verfahren können nur Therapeuten beteiligt werden, die über spezielle fachliche Befähigungen verfügen und zur Übernahme bestimmter Pflichten bereit sind. Im Behandlungsfall wird der Psychotherapeut direkt vom UV-Träger oder Durchgangsarzt eingeschaltet - ganz unabhängig vom Antrag des Versicherten selbst. Der Betroffene erhält unbürokratisch innerhalb einer Woche den ersten Behandlungstermin und danach bis zu fünf probatorische Sitzungen, ohne dass eine Genehmigung des UV-Trägers benötigt wird. Weitere Sitzungen müssen dann vom Therapeuten beim UV-Träger beantragt und dort zügig entschieden werden.

Wichtige Rolle der Betriebs- und Werksärzte

Bei der Betreuung von Betroffenen unmittelbar nach dem traumatischen Ereignis sind die betrieblichen Akteure gefragt: Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragte sowie die Mitarbeitervertretungen. Betriebs- und Werksärzte spielen dabei eine wichtige Rolle und beraten bei der Prävention und Rehabilitation, z.B. bei der Gefährdungsbeurteilung sowie Planung und Umsetzung von Präventions- und Notfallkonzepten. Sie unterstützen bei der Erstbetreuung, koordinieren die Meldewege und können potenzielle sekundär Betroffene identifizieren. Darüber hinaus sind sie wesentliche Ansprechpartner bei der Wiedereingliederung in das Berufsleben und leisten Hilfestellung bei der stufenweise Wiedereingliederung und dem Reha-Management der UV-Träger. Damit bilden hier Betriebs- und Werkärzte eine ideale Nahtstelle im Netzwerk zwischen Unternehmen, Psychotherapeuten und UV-Träger.


Mehr zum Thema "Psychotherapeutenverfahren" erfahren Sie im Beitrag von Claudia Drechsel-Schlund, Utz Ullmann und Jörg Angenendt in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin" (ASU) unter
www.asu-arbeitsmedizin.com


Über ASU - Zeitschrift für medizinische Prävention:

Die Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin" ist das Leitmedium der deutschsprachigen Arbeitsmedizin. Das Publikationsorgan der Fachinstitutionen DGAUM, ÖGA, SGARM, VDBW, Vereinigung Deutscher Staatlicher Gewerbeärzte e.V. sowie der arbeitsmedizinischen Akademien und richtet sich an Betriebsärzte, Arbeitsmediziner und Akteure in wichtigen Schnittstellenbereichen zur Arbeitsmedizin. Die Zeitschrift ist peer reviewed. 1965 gegründet, erscheint ASU monatlich und erreicht nahezu alle arbeits- und präventionsmedizinisch orientierten Akteure im deutschsprachigen Raum. Weitere Informationen unter www.asu-arbeitsmedizin.com.

Über DGAUM:

Die DGAUM wurde 1962 gegründet und ist eine gemeinnützige, wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft der Arbeitsmedizin und der klinisch orientierten Umweltmedizin. Ihr gehören heute über 1000 Mitglieder an, die auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin und Umweltmedizin arbeiten, vor allem Ärztinnen und Ärzte, aber auch Angehörige anderer Berufsgruppen wie etwa Natur- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Die Mitglieder der Fachgesellschaft engagieren sich nicht nur in Wissenschaft und Forschung, um so bereits bestehende Konzepte für die Prävention, die Diagnostik und Therapie kontinuierlich zu verbessern, sondern sie übernehmen die ärztliche und medizinische Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern an der Schnittstelle von Individuum und Unternehmen. Darüber hinaus beraten die Mitglieder der DGAUM alle Akteure, die ihren Beitrag zu der medizinischen Versorgung leisten und auf Fachwissen aus der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention, der arbeits- und umweltbezogenen Diagnostik und Therapie, der Beschäftigungsfähigkeit fördernden Rehabilitation sowie aus dem versicherungsmedizinischen Kontext angewiesen sind.

Weitere Informationen unter
www.dgaum.de

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
Pressemitteilung vom 24. Januar 2018
Schwanthaler Straße 73 b, 80336 München
Telefon: 089/330 396-0, Fax: 089/330 396-13
E-Mail: gs@dgaum.de
Internet: www.dgaum.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2018

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