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ONKOLOGIE/2098: Brustkrebs - Geschäftsführer des Holsteinischen Brustzentrums Prof. Oliver Behrens im Gespräch (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 10, Oktober 2023

"Weitere Verkürzung würde schaden"

Uwe Groenewold sprach mit dem Geschäftsführer des Holsteinischen Brustzentrums Prof. Oliver Behrens


Das Holsteinische Brustzentrum - ein Zusammenschluss der vier Frauenkliniken der Krankenhäuser in Rendsburg, Heide, Itzehoe und Neumünster - wurde 2003 gegründet. Im Interview mit Uwe Groenewold verweist Geschäftsführer Prof. Oliver Behrens, Chefarzt der Frauenklinik in Rendsburg, auf die erfolgreiche Zusammenarbeit in einem Zentrum und warnt vor zu viel Ambulantisierung in der Onkologie.


Was waren die Beweggründe zum Zusammenschluss im Holsteinischen Brustzentrum?

Prof. Oliver Behrens: Anfang der 2000er-Jahre kam die Idee auf, Brustkrebs bevorzugt in Zentren mit hohen Fallzahlen zu behandeln, um die Qualität zu verbessern. Auf Basis der kommunalen Krankenhäuser Schleswig-Holstein und einer Freundschaft haben sich die vier Frauenkliniken im Mai 2003 offiziell zusammengeschlossen, um die Behandlungsabläufe abzugleichen und in einer gemeinsamen interdisziplinären Tumorkonferenz festzulegen. Um Qualität auch offen nachweisen zu können, haben wir dann sehr schnell beschlossen, uns auf den aufwendigen Weg der Zertifizierung zum Brustzentrum nach Deutscher Krebsgesellschaft zu machen. 2005 waren wir das erste DKG-zertifizierte Krebszentrum in Schleswig-Holstein, behandeln seitdem über 500 Patientinnen und Patienten jährlich mit neu aufgetretenem Brustkrebs und sind damit das größte dezentrale Brustzentrum in Deutschland.


Bewährt sich die Zusammenarbeit auch noch nach 20 Jahren?

Behrens: Die Zusammenarbeit und aller Aufwand haben sich sehr bewährt: die gemeinsame Tumorkonferenz optimiert in Anwesenheit der vielen Experten aus vier Häusern manche Therapieempfehlung, die sonst in einem einzelnen Haus getroffen worden wäre. Weitere wichtige Vorteile sind das gemeinsame Abstimmen beim Einführen neuer Medikamente, neuer Leitlinien und neuer Methoden. Zudem unterstützen wir uns auch gegenseitig bei personellen Ausfällen mit zertifizierten Operateuren. Die beim Audit prüfenden Experten bestätigen jedes Mal diese signifikanten Vorteile. Auch nach 20 Jahren sind wir glücklich über unsere damalige Entscheidung!


Wie sieht der klinikübergreifende Austausch konkret aus?

Behrens: In der Regel verbleibt jede Patientin in der Betreuung einer Frauenklinik. Anders kann es zum Beispiel bei der Strahlentherapie oder bei ergänzenden diagnostischen Maßnahmen aussehen, wo wir uns gegenseitig helfen können. Konkret geht es bei der Zusammenarbeit um die interdisziplinäre Tumorkonferenz, die gemeinsame Einführung von neuen Behandlungsmethoden und Medikamenten. Es gibt außerdem einen regelmäßigen Wissensaustausch auf Ebene der Ärzte, der Pflege, der Study Nurses, der Sozialdienste und im Qualitätsmanagement. Zudem werden gemeinsame wissenschaftliche Symposien und Patienteninformationsveranstaltungen durchgeführt.


Welche Rolle spielen zertifizierte Brustzentren bei der Entwicklung und Umsetzung von Fortschritten in der Versorgungsqualität?

Behrens: Inzwischen ist es wissenschaftlich nachgewiesen, dass zertifizierte Brustzentren bessere Behandlungsergebnisse erbringen! Rund drei Viertel aller Brustkrebspatientinnen in Deutschland werden heute in solchen Zentren versorgt. Das jährliche intensive Audit von externen Experten garantiert, dass die Behandlung optimal und gemäß den aktuellen Leitlinien erfolgt, dass alle notwendigen Behandlungsschritte vom Zentrumsteam koordiniert werden und die soziale und psychologische Seite der Erkrankung auch im Fokus ist.


Wenn Sie an die anstehende Krankenhausreform mit dem Wunsch zur Ambulantisierung denken: Welche Folgen könnte dies für die Arbeit in den Brustzentren und für die Versorgung der Patientinnen haben?

Behrens: Das ambulante Setting ist aus meiner Sicht heute nicht in der Lage, die Komplexität der Brustkrebserkrankung auch nur annähernd ausreichend zu behandeln. Brustzentren gehen den Weg der Zertifizierung, obwohl die von den Krankenkassen angekündigten Vergütungen nicht gewährt werden. Wir tun dies aber mit voller Überzeugung für unsere Patientinnen und Patienten. Dabei sind die stationären Zeiten schon so kurz, dass vertrauensbildende Kontaktaufnahmen deutlich eingeschränkt sind. Eine weitere Verkürzung oder gar Ambulantisierung würde unseren Patienten sicher schaden!


Zurück zum Holsteinischen Brustzentrum: Verstehen sich die Beschäftigten der vier Einrichtungen als ein Team oder ist dies zu hochgegriffen?

Behrens: Wir sind bei verschiedenen Trägern angestellt und haben unsere "eigenen" Patientinnen und Patienten. Dennoch: Die jahrelange freundschaftliche Zusammenarbeit hat die Schwellen sehr niedrig gemacht. Und beim Audit merkt man, dass alle stolz auf ein sehr erfolgreiches "Team Holsteinisches Brustzentrum" sind!

Vielen Dank für das Gespräch.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 10, Oktober 2023
76. Jahrgang, Seite 11
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 20. Oktober 2023

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