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GERIATRIE/262: Mit Präventivmaßnahmen die Lebensqualität von Hundertjährigen verbessern (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 19.05.2016

Mit Präventivmaßnahmen die Lebensqualität von Hundertjährigen verbessern

Auswertung der Zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie zeigt beträchtliche Anzahl an Krankheiten - Vermeidung oder Milderung ist möglich


Hundertjährige in Deutschland leiden häufig unter Schmerzen und sind vor allem durch Hör- und Seheinschränkungen sowie Mobilitätsprobleme gesundheitlich beeinträchtigt. Mit einem optimierten Krankheitsmanagement im Schmerzbereich sowie Präventivmaßnahmen etwa bei Gangsicherheit, Gleichgewichtssinn und Beweglichkeit könnte ihre Lebensqualität verbessert werden. Dieses Fazit ziehen Gerontologen der Universität Heidelberg, die die Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie unter dem Gesichtspunkt gesundheitlicher Probleme von Hochaltrigen in Deutschland ausgewertet haben. "Wir sehen ein hohes Beeinflussungspotenzial bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen, so dass diese mit geeigneten Vorbeugemaßnahmen verhindert oder zumindest gemindert werden könnten", erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Daniela Jopp. Die Ergebnisse der Auswertung wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

In Deutschland liegen nach Angaben der Heidelberger Gerontologen bisher nur begrenzt Informationen zu Gesundheitsproblemen bei Hundertjährigen vor. Um häufige Erkrankungen in dieser Altersgruppe zu identifizieren, wertete das Wissenschaftlerteam um Prof. Jopp die Daten der 2013 veröffentlichten Zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie im Hinblick auf aktuelle und chronische Krankheiten sowie Schmerzen aus. Im Rahmen der Studie waren 112 Hundertjährige und deren Angehörige aus Heidelberg und Umgebung zu ihrer Lebenssituation befragt worden.

Die Ergebnisse der Auswertung zeigen, dass sehr alte Menschen mit durchschnittlich fünf akuten oder chronischen Erkrankungen gesundheitlich stark belastet sind. Fast alle deutschen Hundertjährigen litten unter Hör- und Seheinschränkungen. Am zweithäufigsten lagen Mobilitätsprobleme vor, wobei mehr als 70 Prozent der Befragten von mindestens einem Sturz seit ihrem 95. Lebensjahr berichteten. Danach folgen Erkrankungen des Bewegungsapparats und Arthritis. Potenziell lebensgefährliche Krankheiten wie Schlaganfall oder Krebs kamen eher selten vor - eine Ausnahme bilden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, unter denen etwa zwei Drittel der Hundertjährigen leiden. Über häufige Schmerzen klagte ein Drittel der Befragten, 36 Prozent gaben eine Schmerzintensität an, die höher als "erträglich" war.

"Die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl der Hundertjährigen an Schmerzen leidet, ist besorgniserregend und verdient mehr Aufmerksamkeit", betont Daniela Jopp. Unklar ist nach ihren Worten, ob die behandelnden Ärzte nicht ausreichend über die Schmerzen informiert sind oder ob Medikamente nicht richtig wirken. Es sei wichtig, dass Ärzte in diesem Bereich gezielt nachfragten. Um die Mobilität der Hochaltrigen zu verbessern, schlagen die Wissenschaftler präventiv eine frühzeitige Stärkung der Fitness über gezielte Programme vor. "In Heidelberg haben wir im Rahmen des Senioren-Aktiv-Programms in den Seniorenzentren der Stadt die Alltagsfitness der Bewohner überprüft, unter denen auch 57 Hochaltrige im Alter von 80 bis 94 Jahren waren. Ihnen konnten wir individuell abgestimmte Bewegungsempfehlungen geben", erklärt Dr. Christoph Rott, Co-Autor der Veröffentlichung. Besonders wichtig sind nach seinen Worten Übungen zur Stärkung der Beinmuskulatur. Die Gerontologen verweisen zudem auf die vielen niederschwelligen Bewegungsangebote in der Stadt, beispielsweise das "Heidelberger Bewegungsprogramm", mit dem Ältere über die Seniorenzentren zum gemeinsamen Spazierengehen animiert werden und so ihre Gehfähigkeit verbessern können.

Mit Blick auf einen Rückgang des Seh- und Hörvermögens schlagen die Wissenschaftler vor, die technischen Hilfsmittel wie Hörgeräte und Brillen häufiger zu kontrollieren. "Auch im hohen Alter verändern sich die Fähigkeiten, und eine regelmäßige Anpassung kann helfen, den hochbetagten Menschen einen besseren Zugang zum Alltagsleben und zur Teilhabe zu ermöglichen", sagt Daniela Jopp. "Dies ist vor allem wichtig, weil diese Einschränkungen häufig gravierende Folgen für die Lebensqualität haben - beispielsweise auch Depressionen."


Originalveröffentlichung:
D. Jopp, K. Boerner, C. Rott: Gesundheit und Krankheit im Alter von 100 Jahren. Befunde der Zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie. Deutsches Ärzteblatt (25. März 2016), doi:10.3238/arztebl.2016.0203

Kontakt:

Prof. Dr. Daniela Jopp
Institut für Gerontologie
daniela.jopp@gero.uni-heidelberg.de

Kommunikation und Marketing
Pressestelle
presse@rektorat.uni-heidelberg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
www.gero.uni-heidelberg.de/forschung/hd100ii.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Marietta Fuhrmann-Koch, 19.05.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

Veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2016

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