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KINDER/375: Neues Verfahren zur Früherkennung leichter Entwicklungsauffälligkeiten im Säuglingsalter (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 25.08.2011

Geben die spontanen Bewegungsmuster junger Säuglinge Hinweise auf die spätere geistige Entwicklung?

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg prüfen Verfahren zur Früherkennung leichter Entwicklungsauffälligkeiten im Säuglingsalter / Dietmar Hopp Stiftung unterstützt Studie mit 200.000 Euro


Kann man leichte Entwicklungsauffälligkeiten bereits im ersten Lebensjahr zuverlässig diagnostizieren? Dieser Frage gehen Wissenschaftler des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg nach. Ziel einer aktuellen Studie ist es, zwei experimentell bewährte Ansätze zu verknüpfen, auf ihre Aussagekraft hin zu prüfen und in der Frühdiagnostik leichter Entwicklungsprobleme zu etablieren. Die Dietmar Hopp Stiftung unterstützt das Projekt mit 200.000 Euro.

Jedes zehnte Kind in Deutschland kommt als Frühchen zur Welt und trägt damit ein höheres Risiko für Entwicklungsprobleme als reif geborene Kinder. Gemeint sind damit leichte bis schwere Beeinträchtigungen der Bewegung oder geistigen Entwicklung. Während schwere Störungen inzwischen zuverlässig im Laufe des ersten Lebensjahres diagnostiziert werden können, gibt es bisher keine etablierte Methode zur Früherkennung der leichten Auffälligkeiten. "Eine frühe Diagnose ist allerdings wichtig, um betroffene Kinder, die z. B. an einer Aufmerksamkeitsstörung leiden, von Anfang an optimal fördern zu können", erklärt Professor Joachim Pietz, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) und der Klinik für Neuropädiatrie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin.

Computergestützte Erfassung spontaner Bewegungen und Blickbewegungen bei Säuglingen

Hier setzt die Forschung der Heidelberger Arbeitsgruppe an: Sie baut auf verschiedenen experimentellen Methoden auf, die am SPZ bereits seit mehreren Jahren erprobt werden. Ein Ansatz ist die Analyse der spontanen Bewegungen bei Säuglingen im korrigierten Alter von drei Monaten. Das "korrigierte Alter" bezeichnet bei einem Frühgeborenen die Zeit, die seit dem errechneten Geburtstermin vergangen ist. Tatsächlich ist das Kind einige Wochen älter. So lässt sich die Gehirnentwicklung von zu früh und reif geborenen Kindern vergleichen.

Die spontanen Bewegungen bei Säuglingen (Spontanmotorik) variieren in ihrer Reihenfolge, Geschwindigkeit, Richtung und Ausprägung abhängig von Gehirnreifung und Ausmaß einer Gehirnschädigung. Durch die genaue Analyse dieser Bewegungen können Bewegungsstörungen (z.B. Infantile Zerebralparese) zuverlässig diagnostiziert werden, was mit anderen Untersuchungsmethoden in diesem Alter nicht möglich ist. In einem von der Dietmar Hopp Stiftung unterstützten Projekt gelang es dem Team um Professor Pietz, diese Bewegungen mit Hilfe von Bewegungssensoren, die an Armen und Beinen der Kinder befestigt werden, computergestützt zu registrieren und objektiv - unabhängig von der Erfahrung des Betrachters - zu bewerten.

Die zweite Methode ist die sogenannte Blickzeitanalyse: Den Kindern im korrigierten Alter von sieben Monaten werden kleine Spielzeuge sowie Symbole auf einem Bildschirm gezeigt. Dabei erfassen die Wissenschaftler über computergestützte Videoanalysen, wie lange das Kind schaut, ob die Blickzeit bei Wiederholungen ab- und bei neuen Reizen wieder zunimmt. Bleibt z.B. die Betrachtungszeit bei Wiederholungen gleich, kann dies auf Aufmerksamkeitsprobleme hinweisen.

In frühem Alter sind motorische und geistige Entwicklung eng verknüpft

"Wir gehen davon aus, dass in diesem frühen Alter die motorische und die geistige Entwicklung noch eng miteinander verknüpft sind", erklärt Dr. Gitta Reuner, Diplom-Psychologin am SPZ. "Daher wollen wir in diesem Projekt prüfen, ob die Analyse der Motorik und der Blickzeit Hinweise auf leichte Störungen der kognitiven Entwicklung bei Säuglingen geben kann. Außerdem untersuchen wir, wie frühe Auffälligkeiten in den motorischen Mustern mit der späteren geistigen Entwicklung zusammenhängen."

Die Studie ist auf zwei Jahre ausgelegt. In dieser Zeit werden 200 Kinder, bei denen bereits eine Blickzeitanalyse durchgeführt wurde, nachuntersucht. So wollen die Wissenschaftler klären, wie aussagekräftig die Ergebnisse für die spätere Entwicklung der Kinder sind. In einem weiteren Studienzweig analysiert das Team zunächst die Spontanmotorik und später die Blickzeit ehemaliger Frühchen und vergleicht diese Ergebnisse mit dem Abschneiden der Kinder in einem Entwicklungstest. Bislang wurden 80 Säuglinge in die Studie eingeschlossen.


Kontakt:

Dr. Dipl.-Psych. Gitta Reuner & Dr. med. Keun-Sun Kim
Klinik für Neuropädiatrie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg
E-Mail: gitta.reuner@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Dipl.-Psych. Joachim Pietz
Klinik für Neuropädiatrie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg
E-Mail: joachim.pietz@med.uni-heidelberg.de


Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image149520
Sensoren messen spontane Bewegungsmuster bei einem Säugling.


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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution665


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung 122 / 2011
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 25.08.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2011