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ZAHN/162: Zahnimplantate - Meldungen vom Kongreß der Dt. Gesellschaft für Implantologie 2009 (idw)


Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich e. V. - 15.05.2009

Meldungen vom 5. Gemeinschaftskongress der deutschsprachigen Gesellschaften für Implantologie zusammen mit der International Academy for Oral and Facial Rehabilitation (IAOFR) vom 14. bis 16. Mai 2009 in Berlin


→ Zahn oder Titan?
→ Zahn-Implantate in der "ästhetischen Zone": Entscheidend ist der langfristige Erfolg
→ Zahn-Implantate: Patienten sollten sich über die Qualifikation ihres Zahnarztes informieren


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Zahn oder Titan?

(Berlin) Die Zahnerhaltung ist das oberste Gebot der Zahnärzte. "Doch in bestimmten Risikokonstellationen dürfen wir nicht zu lange zögern, bevor wir einen Zahn ziehen. So können wir zumindest den Knochen erhalten", erklärt Professor Christof Pertl aus Graz auf dem 5. Gemeinschaftskongress, den die deutschspachigen Gesellschaften für Implantologie zusammen mit der International Academy for Oral and Facial Rehabilitation (IAOFR) vom 14. bis 16. Mai 2009 in Berlin veranstalten.

Chronische Entzündungen an den Zähnen gefährden die Funktionsfähigkeit eines Zahnes vor allem dann, wenn nicht nur das Zahninnere (Zahnpulpa), sondern auch der knöcherne Zahnhalteapparat (Parodontium) betroffen ist. Bei diesen sogenannten Endo-Paro-Erkrankungen sind implantologische Therapien unter bestimmten Voraussetzungen zahnerhaltenden Maßnahmen überlegen. "Schreitet an einem einzelnen Zahn im Bereich des Zahnhalteapparates eine Entzündung trotz Behandlung fort, würde man nicht länger als zwei Jahre warten, bevor man einen Zahn zieht und den Patienten mit einem Implantat versorgt", erklärt Professor Christof Pertl, niedergelassener Zahnarzt und einer der drei Kongress-Präsidenten der Berliner Tagung. "Denn wir Zahnärzte müssen im Notfall zumindest den Knochen erhalten."

Konventionelle Wurzelbehandlungen sind sehr erfolgreich Bei den meisten Patienten schreitet eine Parodontitis nur langsam voran. 50 bis 80 Prozent der parodontal geschädigten Zähne sind nach 15 Jahren entzündungsfrei. Geht eine Parodontitis von einer Infektion des Wurzelkanalsystems aus, sind konventionelle Wurzelbehandlungen sehr erfolgreich. "Die langfristigen Erfolgsraten liegen hier zwischen 85 und 95 Prozent", berichtet der Grazer Experte. Verursachen nach einer Wurzelbehandlung in den Hohlräumen in der Wurzel zurückbleibende Keime erneut eine Entzündung, ist die Revision der Wurzelbehandlung in 65 bis 80 von hundert Fällen erfolgreich. "Die konventionellen Erfolge sind so gut, dass man ein chirurgisches Vorgehen erst als letzte Option wählen sollte", empfiehlt Pertl.

Bei der chirurgischen Wurzelspitzenresektion verschafft sich der Operateur den Zugang zum Wurzelkanalsystem von außen durch den Kieferknochen. Zwar können dank modifizierter Techniken die Erfolgsraten bei diesem Vorgehen im Einzelfall sehr gut sein, sie schwanken jedoch zwischen 50 und 92 Prozent, wenn mit einem OP-Mikroskop und retrograder Ultraschallreinigung gearbeitet wird.

Auch die Knochenerhaltung ist wichtig

Bei vier bis acht Prozent der Patienten verläuft die Parodontitis aggressiv und rapide. In diesen Fällen müssen Zähne schnell gezogen und der Patient nach einer Behandlung der Entzündung mit einem Implantat versorgt werden. Wartet der Zahnarzt zu lange ab, ist unter Umständen nicht mehr genug Knochensubstanz da, um ein Implantat zu verankern. "Im Sinne der Knochenerhaltung müssen wir Zähne so spät wie möglich, aber so früh wie nötig ziehen", so Pertl.

Die Therapieplanung bei einer Parodontitis hängt davon ab, wie schnell die Entzündung fortschreitet und welche persönlichen Risikofaktoren hinzu kommen. "Wichtig ist, die vier bis acht Prozent von Risikopatienten herauszufinden, bei denen eine Parodontitis so rapide verläuft", weiß Pertl. Bei diesen Patienten ist das Risiko für einen Implantatverlust besonders hoch. Das individuelle Risikoprofil bestimmen Angewohnheiten wie Rauchen, Mundhygiene und Stress, aber auch genetische Faktoren oder systemische Erkrankungen wie die Zuckerkrankheit oder bestimmte Immunschwächen.

"Schreitet die Parodontitis sehr schnell voran und sind die prothetischen Möglichkeiten wegen persönlicher Risikofaktoren nur sehr begrenzt, würde man nicht zwei Jahre abwarten, sondern frühzeitiger radikal vorgehen und sich für eine Extraktion mit anschließender Implantation entscheiden", so Pertl. "Sind hingegen bei einer aggressiven Form gute allgemeinprothetische Lösungen möglich, würde man die betroffene Zahnreihe als Übergangslösung mit einer konventionellen Prothetik versorgen, damit man nicht so viele Zähne auf einmal ziehen muss." Liegen bei einer guten Prognose keine persönlichen Risikofaktoren vor, ist sowohl eine konventionelle Behandlung als auch eine implantologische Lösung möglich.

Fünf Ärzte, fünf Pläne

Nicht zuletzt spielt auch der Schwerpunkt des Zahnarztes eine Rolle bei der therapeutischen Entscheidung. Ist er Implantologe, Endodont, Parodontologe, Prothetiker? Je nachdem, auf welche Fachrichtung sich ein Zahnarzt spezialisiert hat, können die therapeutischen Empfehlungen variieren. "Darum ist es so wichtig, dass sich die Spezialisten untereinander austauschen, wie auf diesem gemeinsamen Kongress in Berlin", betont Pertl.


Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.dgi-ev.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1345


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Zahn-Implantate in der "ästhetischen Zone"
Entscheidend ist der langfristige Erfolg

(Berlin) Die Zahn-Implantation in der sichtbaren "ästhetischen Zone" ist besonders heikel. Darum gilt es, vor einer Implantation zunächst alle konservativen Therapiemöglichkeiten einzusetzen, um den Zahn zu retten", erklärt Dr. Claude Andreoni, Präsident der schweizerischen Gesellschaft für Implantologie auf dem 5. Gemeinschaftskongress, den die deutschspachigen Gesellschaften für Implantologie zusammen mit der International Academy for Oral and Facial Rehabilitation (IAOFR) vom 14. bis 16. Mai 2009 in Berlin veranstalten. Eine Implantation sofort nach der Extraktion sei darüber hinaus in der ästhetischen Zone eher selten und nur bei sehr günstigen Umständen möglich.

Es klingt verführerisch: Zahn raus, Implantat rein, Krone drauf - und dann wieder fest zubeißen. Welcher Patient, bei dem ein geschädigter Zahn extrahiert werden muss, würde sich dies nicht wünschen? Doch in den meisten Fällen ist dies nicht möglich. "Vor allem in der ästhetischen Zone, also dem sichtbaren Teil des Gebisses, ist bei einer solchen Sofortimplantation und einer zu frühen Belastung der Misserfolg programmiert, und zwar nicht der kurzfristige, sondern der langfristige", warnt Dr. Claude Andreoni, Zürich, Präsident der Schweizer Gesellschaft für Implantologie und einer der drei Kongresspräsidenten der 5. Gemeinschaftstagung der deutschsprachigen implantologischen Fachgesellschaften.

Zwar gibt es Situationen, in denen auch Andreoni sich vorstellen kann, sofort nach der Extraktion auch im Frontzahnbereich zu implantieren: "Bei einem jugendlichen Patienten mit guten Knochenverhältnissen, der nach einem Sturz eine Zahnfraktur hat, muss man sich natürlich überlegen, ob man nicht den Zahn zieht und sofort implantiert", räumt Andreoni ein. Denn eine sofortige Implantation stützt die Strukturen der Weichgewebe. In diesen idealen Fällen seien die Langzeitergebnisse sehr gut - vorausgesetzt, dass Implantat wird in der Einheilphase nicht belastet. Auch wenn das Knochenangebot durch Knochenaufbau ("Augmentation") entsprechend verbessert wurde, sind die Langzeitergebnisse gut. Doch in allen anderen Fällen rät Andreoni zur Vorsicht. Denn sind die Umstände weniger günstig, ist das Misserfolgsrisiko hoch, wenn zu früh implantiert und belastet wird.

Darum setzen die Experten in der heiklen ästhetischen Zone zunächst auf eine konservative Behandlung, um den Zahn zu retten: "Der Zahn ist schließlich dafür gemacht, dass er mindestens 70 Jahre hält", sagt der SGI-Präsident, "so schlecht könne er also gar nicht sein, dass man ihn leichtfertig entfernt."

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Zahn-Implantate
Patienten sollten sich über die Qualifikation ihres Zahnarztes informieren

Die modernen Strategien in der Implantologie und ihre rasante Entwicklung erfordern gut ausgebildete Zahnärzte. Doch leider gibt es auch Wildwuchs und Marktschreier-Angebote. Darum ist es wichtig, dass sich Patienten über die Qualifikation Ihres Arztes informieren, erklären Experten auf dem 5. Gemeinschaftskongress (14. bis 16. Mai 2009) der deutschsprachigen implantologischen Fachgesellschaften zusammen mit der International Academy for Oral and Facial Rehabilitation in Berlin.

Zunächst die gute Nachricht: Das Interesse von Patientinnen und Patienten an modernem Zahnersatz, getragen von künstlichen Zahnwurzeln, steigt: In diesem Jahr werden in Deutschland mehr als eine Million Zahn-Implantate gesetzt. Wenn ein Zahnarzt nicht implantiert - das hat die Stiftung Warentest unlängst bei einer Umfrage herausgefunden - gehört dies zu den Gründen, wenn Patienten sich einen anderen Zahnarzt suchen.

Und nun die schlechte Nachricht: Wenn Zahnärzte, die bislang keine Implantate gesetzt haben, auf diesem Gebiet ohne gründliche Ausbildung aktiv werden, kann es geschehen, dass sie bei der Behandlung Risiken eingehen, die anschließend Probleme verursachen. Weder moderne Implantatsysteme noch eine hochgerüstete technische Ausstattung der Praxis können Erfahrung und Training ersetzen: Von ungeübten Händen können auch angeblich "idiotensichere" Implantat-Systeme falsch angewendet werden. Marktschreierische Angebote aus rein kommmerziellen Gründen kommen hinzu.

Darum hat die Deutsche Gesellschaft für Implantologie, mit über 6500 Mitgliedern die größte wissenschaftliche Fachgesellschaft Europas auf ihrem Gebiet, nun erstmals einem Mitglied den Austritt aus der Gesellschaft nahegelegt, um einem Ausschluss zuvor zu kommen. "Wir müssen hier deutliche Signale setzen, dass bestimmte Verhaltensweisen und falsche Versprechen nicht toleriert werden", erklärt Professor Günter Dhom, Ludwigshafen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie.

EIne fundierte Ausbildung dient dem Patientenschutz

Seit über zehn Jahren bietet die Deutsche Gesellschaft für Implantologie eine umfangreiche gestufte Ausbildung auf ihrem Fachgebiet an. Mehr als 3000 Zahnärztinnen und Zahnärzte haben das Curriculum Implantologie durchlaufen, mehrere hundert besuchen jährlich die Kurse im Continuum, in dem fortgeschrittene Techniken vermittelt werden, und fast 200 Zahnmediziner haben den DGI-Studiengang zum Master of Science in Oral Implantology aufgenommen bzw. bereits abgeschlossen. "Dadurch sorgen wir dafür, dass Zahnärzte, die implantieren wollen, eine berufsbegleitende qualifizierte Ausbildung absolvieren können", sagt Dhom.

Transparenz dient dem Patientenschutz

Doch auch bei den zahlreichen Ausbildungsangeboten gibt es deutliche qualitative Unterschiede und vor allem für Patienten keine Transparenz in der Titelflut: Nicht jede Urkunde, die in einem Wartezimmer hängt, ist ein Garant dafür, dass der Implantologe sein Metier wirklich beherrscht. So verleiht beispielsweise ein privater Anbieter den Teilnehmern eines Wochenendkurses einen "Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie".

Auf ihrem neuen Patientenportal listet die DGI darum nicht nur ihre Mitglieder auf, sondern informiert auch darüber, welche Qualifikation diese haben und welche Anforderungen dazu erfüllt sein müssen.

Kooperation dient Patientenschutz

Zum Patientenschutz gehört auch die Kooperation zwischen den (zahn)medizinischen Fachdisziplinen. Angesichts der demographischen Entwicklung werden die Behandlungsfälle komplexer. Erkrankungen des Zahnhalteapparates ("Parodontitis") sind häufig. Unter den Erwachsenen leidet etwa mehr als die Hälfte unter mittelschweren und jeder Fünfte unter schweren Formen der Parodontitis. Viele Patienten haben Erkrankungen wie Diabetes oder Osteoporose oder werden mit Medikamenten behandelt, die bei einer Implantation berücksichtigt werden müssen. "Darum ist der Austausch zwischen den verschiedenen ärztlichen Fachdisziplinen von großer Bedeutung. Nur durch Kooperation erzielen wir das beste Therapieergebnis für unsere Patienten und können ihnen die bestmögliche Behandlung anbieten" erklärt DGI-Kongresspräsident Dr. Gerhard Iglhaut aus Memmingen.

Forschung dient Patientenschutz

Auf dem Kongress präsentieren Wissenschaftler und Praktiker ihre Einsichten und neuen Erkenntnisse und leuchten die Forschungssfront aus. "Noch in den Kinderschuhen stecken die Methoden der Züchtung von Knochen- und Weichteilgewebe, um auch größere Knochen- und Weichteildefekte regenerieren zu können", erklärt Prof. Dr. Henning Schliephake, Göttingen, IAOFR-Kongresspräsident. Experimentiert werde auch mit Stammzellen. Doch steckten auch hier die Arbeiten noch in den Anfängen, "und manches, was bei der Maus gelingt, funktioniert bei Patienten nicht", so Schliephake.

Weitere Informationen finden Sie unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und
Kieferbereich e. V.
Dipl. Biol. Barbara Ritzert, 15.05.2009
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2009