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ERNÄHRUNG/1024: Wertvolle Fette für Mütter und Babys (idw)


Stiftung Kindergesundheit - 15.01.2010

Wertvolle Fette für Mütter und Babys


Mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega-3- und -6-Fettsäuren) sind unentbehrlich für die Entwicklung von Gehirn, Nervensystem, Sinnesorganen und Intelligenz. Die im Öl von fetten Seefischen enthaltenen langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren wirken in allen Lebensperioden gesundheitsfördernd. Die Stiftung Kindergesundheit informiert über die gesundheitliche Bedeutung von fetten Seefischen in der Ernährung.

Zur Definition: Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden nach ihrer englischen Bezeichnung ("long-chain polyunsaturated fatty acids") als LC-PUFA oder LCP abgekürzt. LC-PUFA, insbesondere Arachidonsäure (kurz AA, Omega-6-Fettsäure) und Docosahexaensäure (kurz DHA, Omega-3-Fettsäure) haben einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung von Gehirn, Zentralnervensystem und der Netzhaut des Auges, können aber vom Organismus nicht ausreichend selbst gebildet werden.


"Feineinstellung" des Nervensystems

Während des letzten Schwangerschaftsdrittels und der ersten Monate nach der Geburt werden die besonders wichtigen langkettigen Fettsäuren DHA und AA im Gehirn des Kindes eingelagert, wenn sich dort die Neuronen und Gliazellen zu vermehren beginnen. So beeinflussen die LC-PUFAs die Aktivität vieler, funktionell wichtiger Enzyme in den biologischen Membranen des Nervensystems und im Neurotransmitter-Stoffwechsel. Sie sind gewissermaßen für die Feineinstellung des Gehirns und des Nervensystems zuständig.

Die Vorstufen der wichtigen Fettsäuren DHA und AA sind essentiell, d. h. unentbehrlich für den Menschen. Sie müssen über die Nahrung aufgenommen werden, um dann im Körper zu DHA und AA umgewandelt zu werden. Die Vorstufen der Fettsäuren kommen vor: in grünen Blattgemüsen, pflanzlichen Ölen (Leinöl, Sojaöl, Rapsöl, Sonnenblumenkernöl, Maiskeimöl,) Eigelb und magerem Fleisch.


Stillende Frauen brauchen fette Fische

Je besser die DHA-Versorgung der Mutter, desto höhere DHA-Gehalte finden sich im Gehirn gestillter Babys. Säuglinge, die mit konventioneller Babynahrung gefüttert wurden, die nicht mit LC-PUFA angereichert war, weisen niedrigere DHA-Gehalte im Gehirn auf. Dieser Unterschied kann weitreichende Auswirkungen haben, wie die Ergebnisse großer Studien zeigen:

In Großbritannien untersuchte man bei etwa 8.000 Kindern bis zum Alter von acht Jahren die Entwicklung der verbalen Intelligenz, der feinmotorischen Fähigkeiten und des sozialen Verhaltens. Die Ergebnisse fielen signifikant besser aus, wenn die Mutter in der Schwangerschaft mehr fettreichen Seefisch verzehrt und damit eine höhere DHA-Aufnahme hatte.
Eine randomisierte Studie in Norwegen fand bei vierjährigen Kindern, deren Mütter in Schwangerschaft und Stillzeit ein DHA-reiches Öl zu sich nahmen, im Vergleich zur Kontrollgruppe einen im Mittel um vier Punkte höheren Intelligenzquotienten.
Bei 200 stillenden Frauen in Texas führte die randomisierte Gabe von DHA im Vergleich zu einem Kontrollöl bei den Kindern dieser Frauen im Alter von zweieinhalb Jahren zu einer um etwa zehn Prozentpunkte verbesserten psychomotorischen Entwicklung und im Alter von fünf Jahren zu einer signifikant verbesserten Aufmerksamkeit.


Fischöl für die Feinmotorik

Auch Kinder jenseits des Säuglingsalters profitieren von den
langkettigen Omega-3-Fettsäuren, wie DHA.

Nachgewiesen hat dies Professor Berthold Koletzko mit seinem Stoffwechsel-Team am Dr. von Haunersches Kinderspital München bei einer Gruppe von 36 Kindern, die an der angeborenen Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie (PKU) leiden. Da der Organismus dieser Kinder den Eiweißbaustein Phenylalanin nicht abbauen kann, müssen die von PKU Betroffenen eine streng eiweißarme Ernährung einhalten. Da sie weder Fleisch, Fisch, Eier noch Milch zu sich nehmen dürfen, enthält ihre vegane Ernährung keine nennenswerte Mengen der langkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).

Für die Studie (Übersicht publiziert im J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 2009 Mar;48 Suppl 1:S2-7) nahmen die an PKU erkrankten Kinder zwischen einem und elf Jahren für die Dauer von drei Monaten Fischöl in Form von Kapseln ein. Nach dreimonatiger Einnahme von Fischölkapseln zeigte sich eine signifikante Beschleunigung der gemessenen Informationsverarbeitung. Die Fischölgabe führte auch zu einer deutlichen Besserung der kindlichen Feinmotorik und Koordination. Mit Unterstützung der Europäischen Kommission wird derzeit eine multizentrische Studie durchgeführt, um den quantitativen Bedarf an DHA im Kindesalter zu ermitteln.


Fette Fische - Futter fürs Gehirn

Positiv wirkt sich der Verzehr von fetten Fischen ebenso bei Heranwachsenden und Erwachsenen aus. Eine Forschergruppe der Universität Göteborg erfragte die Nahrungsgewohnheiten bei 10.837 Teenagern, darunter 4.792 Jungen im Alter von 15 Jahren. 83 Prozent der jungen Männer wurden drei Jahre später zum Militär eingezogen und absolvierten dabei einen umfangreichen Intelligenztest.

Die ermittelten Werte wurden mit dem Fischkonsum der Rekruten in Beziehung gesetzt.

Das Ergebnis: Junge Männer, die einmal pro Woche Fisch aßen (57,8 Prozent), erreichten um 7 Prozent höhere Werte bei ihren verbalen und anderen intellektuellen Fähigkeiten. 20,4 Prozent der Rekruten, die im Alter von 15 Jahren zweimal oder noch häufiger Fisch gegessen hatten, erreichten sogar um 12 Prozent bessere Werte. Auch hinsichtlich ihrer Ausdrucksfähigkeit und dem räumlichen Vorstellungsvermögen schnitten die "Fischliebhaber" besser ab. Diese Ergebnisse waren unabhängig vom Bildungsgrad der Eltern!

Weitere Beobachtungen zeigen: Im höheren Lebensalter können Omega-3-Fettsäuren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einer Makuladegeneration (Erkrankungen des Auges) und mentalen Funktionsverlusten vorbeugen. Die regelmäßige Einnahme von Fischöl senkt auch die Häufigkeit von Schlaganfällen und Krebserkrankungen. Menschen, bei denen jeden Tag Fisch auf den Tisch kommt, haben außerdem das niedrigste Risiko, an einer Demenz zu erkranken.

Eine internationale Kommission von Experten aus elf Ländern hat vor kurzem unter der Federführung von Professor Koletzko den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand über LC-PUFA gesichtet und daraus eindeutige Richtlinien für die Ernährung von Müttern und Babys entwickelt:

Ungeborene und Babys benötigen ausreichende Mengen von LC-PUFA für die Entwicklung von Nervensystem und Sehvermögen. Der Konsum von LC-PUFA während der Schwangerschaft durch die werdende Mutter wirkt Frühgeburten entgegen und verringert das Risiko von untergewichtigen Babys.
Schwangere und stillende Frauen sollten im Durchschnitt mindestens 200 mg DHA pro Tag zu sich nehmen. Das lässt sich mit dem Verzehr von ein bis zwei Portionen fettem Seefisch (z. B. Hering, Makrele und Lachs) pro Woche erreichen.
Gesunde Babys sollten nach Möglichkeit Muttermilch erhalten. Wenn nicht gestillt wird, sollten mit LC-PUFA angereicherte Flaschennahrungen verwendet werden, deren Anteil an DHA zwischen 0,2 und 0,5 Prozent des Gesamtfettgehalts beträgt.
Mütter, die keinen Fisch mögen, können ihren Bedarf aus angereicherten Nahrungsmitteln oder mit Nahrungsergänzungspräparaten decken.


Ernährungsempfehlung

Professor Koletzko: "Mit der üblichen Ernährung wird eine hohe Zufuhr an Omega-6-Fettsäuren, sowohl in Form der Omega-6-Vorläuferfettsäure Linolsäure aus pflanzlichen Fetten als auch in Form der Omega-6-LC-PUFA aus Fleischwaren und Eiern erreicht. Dagegen liegt in Mitteleuropa die mittlere Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren deutlich unter den empfohlenen Mengen. Eine reichliche Zufuhr von Omega-3-Vorläuferfettsäuren wird durch regelmäßigen Verzehr von Rapsöl erreicht, die Omega-3-LC-PUFA nehmen wir vor allem mit Seefisch und Meeresfrüchten zu uns".

Um auf die von den Experten empfohlene Menge von täglich mehr als 0,2 Gramm Omega-3-Fettsäuren zu kommen, sollten fette Fischsorten verzehrt werden. Der Fisch sollte durch Dünsten, Grillen oder Backen in der Alufolie schonend zubereitet sein. Gerichte wie Fischstäbchen oder die aus England stammenden, frittierten "Fish and Chips" sind dagegen unvorteilhaft: Sie stammen meist aus fettarmen Fischsorten, können dafür aber ungesunde so genannte "Trans-Fettsäuren" enthalten, die beim starken oder wiederholten Erhitzen von Fetten (z.B. beim Frittieren) entstehen.

Nach Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts Berlin essen 16 Prozent der Deutschen keinen Fisch. Für sie werden zunehmend auch mit DHA angereicherte Lebensmittel sowie Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Fischölkapseln, die als Arzneimittel in der Apotheke erhältlich sind, bieten die Möglichkeit, die tägliche Dosierung genau zu kontrollieren.


Vorbeugen ist besser als heilen.

Deshalb setzt sich die Stiftung Kindergesundheit, unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Koletzko, Dr. von Haunersches Kinderspital München, für eine verbesserte Gesundheitsvorbeugung ein, fördert die hierzu notwendige Forschung und die Verbreitung wissenschaftlich gesicherter Informationen für Ärzte und Familien mit Kindern. Unser Engagement gilt nicht nur Kindern mit besonderen gesundheitlichen Problemen. Die gewonnenen Erkenntnisse kommen allen Kindern und ihren Familien zugute.


Weiter Informationen unter:
www.kindergesundheit.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1021


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Stiftung Kindergesundheit
Dipl. oec. troph. Hildegard Debertin, 15.01.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2010