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ERNÄHRUNG/1432: Vegane und vegetarische Familienkost - Wie gesund ist das für Kinder? (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 31. Januar 2017

Vegane und vegetarische Familienkost: Wie gesund ist das für Kinder?


fzm, Stuttgart, März 2018 – Immer mehr Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder vegan. Die für sich selbst gewählte Ernährungsform wünschen sich Eltern dann häufig auch für ihre Kinder. „Gerade in Wachstums- und Entwicklungsphasen besteht jedoch die Gefahr, dass wichtige Nährstoffe nicht in ausreichender Menge aufgenommen werden“, erklären Experten aus Ernährungswissenschaft und Pädiatrie in der „DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) und warnen vor möglichen Mangelerscheinungen – insbesondere bei veganer Kost.

Die Ernährungswissenschaftlerin Professor Dr. troph. Mathilde Kersting, Leiterin des Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) der Universitätskinderklinik Bochum, sowie die Kinderärzte Privatdozent Hermann Kalhoff (Dortmund), Professor Michael Melter (Regensburg) und Professor Thomas Lücke (Bochum) plädieren für eine Mischkost, die zwar pflanzenbetont ist, jedoch in Maßen auch Fleisch enthält. Entsprechende Empfehlungen hat das FKE in Form von Ernährungsplänen formuliert, die Vorschläge für ausgewogene Mahlzeiten für Kinder und Jugendliche machen.

Wer einzelne Lebensmittel ausschließen möchte, kann die dadurch wegfallenden Nährstoffe in der Regel durch andere Lebensmittel ausgleichen. „Generell gilt jedoch: Das Risiko einer Mangelversorgung ist umso größer, je einseitiger die Ernährung und je jünger das Kind ist“, sagt Kersting. Daher müsse zwischen den verschiedenen Arten von vegetarischer oder veganer Ernährung unterschieden werden. So verzichten Lacto-Ovo-Vegetarier zwar auf Fleisch und Fisch, essen aber Eier und Milch. Lacto-Vegetarier lassen zusätzlich die Eier weg, und Veganer verzichten auf alle tierischen Produkte – auch auf Milcherzeugnisse und Honig. Bereits der Verzicht auf Fleisch, verringert die Zufuhr von gut verfügbarem Eisen und Zink und auch von Vitamin B12 deutlich. Wer Fisch meidet, dem fehlt eine wichtige Quelle für Jod, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Und bei einer veganen Ernährung ist zusätzlich die Aufnahme von Kalzium und Vitamin B2 stark reduziert, Vitamin B12 und wichtiges tierisches Eiweiß fehlen völlig.

Bei Lacto-Ovo-Vegetariern scheint das Risiko für Mangelsymptome gering zu sein, wie Studien nahelegen. Wer aber selbst unter Mischkost schon in Gefahr sei, einen Eisenmangel zu entwickeln, dem raten die Autoren von einer vegetarischen Ernährung eher ab. Das beträfe hauptsächlich Säuglinge im zweiten Lebenshalbjahr und junge Mädchen, die bereits ihre Regelblutung haben, erklären sie. Auch Schwangere hätten einen besonders hohen Eisenbedarf, der mit einer fleischlosen Ernährung womöglich nicht gedeckt werde. Als Kompromiss könne die Nahrung ersatzweise mit Vollkornprodukten angereichert werden, die ebenfalls Eisen enthalten – allerdings in einer weniger leicht verfügbaren Form. „Um die Aufnahme zu verbessern, sollten Vitamin-C-reiche Zutaten beigemengt werden“, sagt Kersting.

Kritischer bewerten die Autoren die rein vegane Ernährung. Hier sehen sie ebenso wie die European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein hohes Risiko für einen ausgeprägten Nährstoffmangel. „Besonders gravierend ist die Unterversorgung mit Vitamin B12“, warnt Kersting. Hier könne es bei Kindern und vor allem bei gestillten Säuglingen veganer Mütter zu schwerwiegenden Mangelerscheinungen wie einer Blutarmut und neurologischen Störungen kommen, die teilweise irreversibel seien. Da pflanzliche Lebensmittel kein wirksames Vitamin B12 enthalten, bietet auch die Palette der ‚veganen‘ Lebensmittel keine ausreichenden Alternativen, um den Vitamin B12-Mangel auszugleichen. Daher müssen nach Ansicht der Autoren nicht nur Säuglinge, sondern Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen sowie Schwangere und Stillende ihre vegane Kost mit Vitamin B12-Präparaten ergänzen. Auch der Bedarf an Vitamin D werde bei einer rein veganen Ernährung oft nicht gedeckt. Gerade in Wachstumsphasen, in denen Knochensubstanz aufgebaut wird, sollte auch dieses supplementiert werden.

Die Ernährungsempfehlungen des Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE) können kostenlos unter
www.klinikum-bochum.de/fke heruntergeladen werden.

M. Kersting et al.:
Vegetarische Kostformen in der Kinderernährung?
Eine Bewertung aus Pädiatrie und Ernährungswissenschaft
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2018; (4) 143; S. 1–8

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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 31. Januar 2017
Thieme Verlagsgruppe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2018

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