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ETHIK/902: Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie plädiert für ein Verbot der PID (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 96 - 4. Quartal 2010
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

»Gesetzgeber muss PID verbieten«


Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) hat die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aufgefordert, sich für ein klares Verbot der PID auszusprechen. »LebensForum« dokumentiert an dieser Stelle die »Wittenberger Erklärung - Für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik«, die der Caritas-Fachverband Ende November 2010 verabschiedet hat.


Die Mitglieder des Bundesverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) setzen sich für das Lebensrecht ungeborenen Lebens ein. Sie sprechen sich auf der Grundlage eines christlichen Menschenbildes und in Berufung auf elementare Grund- und Menschenrechte für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) aus.

Laut dem Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 6. Juli 2010 (5 StR 386/09) ist das Vorhaben einer PID mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar. In der Bundesrepublik ist damit eine rechtliche Situation eingetreten, in der die PID für beinahe alle Indikationen erlaubt ist.

Die PID stellt die Frage nach der Bedeutung eines Menschenlebens und der Zumutbarkeit von Kindern mit Behinderung. Die Beantwortung dieser grundsätzlichen Fragen bedarf einer breiten öffentlichen Debatte und einer demokratisch legitimierten Gesetzgebung.

Der CBP spricht sich aus folgenden Gründen für ein gesetzliches Verbot der PID aus.


LEBENSRECHT VON ANFANG AN

Es gibt Paare mit unerfülltem Kinderwunsch, die sich ihren verständlichen Wunsch nach einem eigenen Kind mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation (IVF) erfüllen wollen. Die PID dient dann dazu, Embryonen mit unerwünschten genetischen Anlagen zu erkennen und auszusortieren. In manchen Ländern wird sie routinemäßig bei der IVF angewendet, um die Erfolgsrate der IVF zu steigern. Aus Sicht des CBP bedürfen in vitro gezeugte menschliche Embryonen aufgrund der erweiterten Zugriffsmöglichkeiten eines besonderen und uneingeschränkten Schutzes. Im Rahmen der PID werden menschliche Embryonen gezielt unter der Bedingung gezeugt, sie bei auffälligem positivem Befund nicht in den Uterus zu transferieren. Dies führt letztlich zur Selektion von Embryonen. Zur Wahrung des Rechts auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes muss aber der Gesetzgeber die PID verbieten. Immer wieder wird von Befürwortern der PID reklamiert, dass durch die PID das Risiko einer Spätabtreibung minimiert werden kann, die der Gesetzgeber bei der Aussicht auf schwere Schädigungen und Behinderungen des werdenden Lebens erlaubt. Aus Sicht des CBP sind allerdings die ethischen und rechtlichen Fragen der Spätabtreibung durch eine Zulassung der PID nicht lösbar, da sie neue schwerwiegende ethische Probleme aufwirft.


PRÄIMPLANTATIONSDIAGNOSTIK IM KONTEXT DES § 218A STGB

Zu Recht weist das Urteil des Bundesgerichtshofes eine »Schwangerschaft auf Probe« zurück. Das Argument, die PID verlege den Zeitpunkt der Selektion eines behinderten Embryos lediglich nach vorne, kann aus Sicht des CBP vom deutschen Rechtsverständnis nicht nachvollzogen werden. Denn es stellt Behinderungsfaktoren oder - risiken als hinreichenden Rechtfertigungsgrund für die Verwerfung von Embryonen bzw. den Schwangerschaftsabbruch dar. Die Ausnahme von der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs in § 218a StGB hat nicht die Behinderung des Kindes zum Gegenstand. Vielmehr betrifft sie einen Konflikt, in dem zwischen der Schutzwürdigkeit des Embryos und dem Recht der Schwangeren auf Leben und ihrer körperlichen oder seelischen Unversehrtheit entschieden werden muss.

Nur wenn die Gefahr für die Schwangere nicht auf eine andere Weise abgewendet werden kann, ist der Schwangerschaftsabbruch straffrei. Im Unterschied zu einer vorliegenden Schwangerschaft wird durch die PID ein Konfliktpotential gezielt herbeigeführt, statt dasselbe zu vermeiden. Der Gesetzgeber kann den einkalkulierten Konflikt bei der PID bereits dadurch vermeiden, indem er die künstliche Zeugung menschlicher Embryonen zum Zwecke der Selektion verbietet.


DISKRIMINIERUNG VON MENSCHEN MIT BEHINDERUNG

Eine PID vorzunehmen, um menschliche Embryonen mit auffälligem Befund nicht zu transferieren, impliziert stets ein Urteil über lebenswertes und nicht lebenswertes Leben. Es liegt nahe, dass ein Verfahren zur Aussonderung genetisch geschädigter Embryonen diskriminierende Haltungen gegenüber Menschen mit Behinderung innerhalb der Gesellschaft verstärkt. Eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung ist aufgrund der Gleichheit aller Menschen und ihrer individuellen Rechte nicht zulässig. Sie ist gemäß Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verboten. Im UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), das in Deutschland am 26. März 2009 in Kraft getreten ist, wird vom Gesetzgeber gefordert, die institutionellen Rahmenbedingungen so zu regeln, dass Menschen mit Behinderung nicht länger als defizitär angesehen werden, Diskriminierung unterbunden und eine volle selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht wird. Diesem würde eine Zulassung der PID widersprechen. Immer wieder sehen sich Frauen und Paare im Falle der Geburt eines Kindes mit Behinderung mit latenten bis offenen Schuldzuweisungen konfrontiert. Die Geburt eines Kindes mit Behinderung wird teilweise als vermeintlich vermeidbares Risiko angesehen. Es ist zu befürchten, dass durch die Zulassung der PID der gesellschaftliche Druck nach einer unrealistischen Perfektionserwartung auf das werdende Leben noch mehr zunimmt.

Insbesondere Frauen fühlen sich mit ihrer Verantwortung für ihr behindertes Kind von ihrem sozialen Umfeld und der Gesellschaft im Stich gelassen. Das Leben mit Kindern mit Behinderung ist für alle Beteiligte eine große Herausforderung. Die enorme Unterstützungs- und Anpassungsleistung der betroffenen Eltern wird durch das soziale Umfeld zu wenig wertgeschätzt. Dieser Mangel an Respekt zeigt sich mitunter darin, dass die Entscheidung für ein behindertes Kind für viele betroffene Paare ein Armutsrisiko und eine berufliche Benachteiligung bedeutet. Die Zulassung der PID ist das falsche Signal für die Situation betroffener Familien und die erforderlichen gesellschaftlichen Inklusionsbemühungen.

Durch eine Stärkung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen und einer umfassenden Inklusion in allen gesellschaftlichen Bereichen können die Selbstbestimmung und Entfaltungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderung verbessert werden.


FORDERUNG

Auf dem Hintergrund der genannten Gründe fordert die Mitgliederversammlung des CBB den Bundestag auf, sich zeitnah für ein klares Verbot der Präimplantationsdiagnostik auszusprechen und nachhaltige Regelungen für eine verbesserte selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu verabschieden.


INFO

CBP e.V.
Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP) ist ein anerkannter Fachverband im Deutschen Caritasverband. Fast 1.000 Mitgliedseinrichtungen und Dienste begleiten und betreuen mit ca. 41.500 Mitarbeitenden rund 150.000 Menschen mit Behinderung oder mit psychischer Erkrankung.

Wittenberg, den 26.11.2010


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Das wäre einmal eine Aktion: Lichterketten gegen die zunehmende Behindertenkälte in Deutschland.


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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 96, 4. Quartal 2010, S. 10 - 11
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2011