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GESUNDHEIT/922: Freizeitlärm aus dem Kopfhörer - Wer laut hören will, könnte es später fühlen (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 15.03.2011

Wer laut hören will, könnte es später fühlen


Freizeitlärm aus dem Kopfhörer: Wer den Lautstärkeregler von mp3-Player oder Smartphone aufdreht, um Hintergrundgeräusche zu übertönen, riskiert Hörschäden. Forscher der Universität Münster haben in einer Studie nun Anzeichen dafür gefunden, dass durch die lauten Geräusche Nervenzellen geschädigt werden - im normalen Hörtest zeigt sich das zwar nicht, Messungen der magnetischen Gehirnaktivität deuten aber darauf hin.

Ein Team um Dr. Hidehiko Okamoto und Dr. Henning Teismann untersuchte am Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Medizinischen Fakultät zwei Gruppen junger Erwachsener im Alter von rund 24 Jahren. Die Hälfte der 26 Studienteilnehmer hörte in der Freizeit regelmäßig mit Kopfhörern Musik, die andere Hälfte nicht. In klassischen klinischen Untersuchungen, Hör- und Sprachtests, schnitten die Gruppen gleich und normal ab. Unterschiede zeigten sich erst unter der Haube, genauer: im Magnetoenzephalographen (MEG).
"Mit dem MEG kann die Aktivität der Hirnrinde gemessen werden", erläutert Teismann. "Man kann sich das Gerät wie eine überdimensionale Trockenhaube vorstellen. Aktive Nervenzellen senden schwache magnetische Signale aus, die mit dem MEG gemessen werden." Den Teilnehmern wurden unter der Haube Töne vorgespielt. Zunächst schauten die Probanden dabei entspannt einen Stummfilm-Clip, dann wurden sie im zweiten Teil des Experiments aufgefordert, sich auf die Töne zu konzentrieren. Unterschiede in der Nerven-Aktivität zwischen den Probanden-Gruppen zeigten sich nur, während die Versuchsteilnehmer durch das Video abgelenkt waren. "Wir haben es mit subtilen Effekten zu tun", kommentiert Teismann: "Offenbar leidet das Vermögen des Gehirns, akustische Signale aus Hintergrundrauschen heraus zu filtern. Wir vermuten, dass dieses Defizit mittel- bis langfristig nicht mehr durch verstärkte Aufmerksamkeit kompensiert werden kann - das könnte dann zur Entstehung von Hörbeeinträchtigungen, Geräuschüberempfindlichkeit und Tinnitus beitragen." Langfristige Erfahrungen fehlen allerdings noch, doch in den letzten Jahren haben sich mp3-Spieler und Handys mit Kopfhörerbuchse stark verbreitet - Freizeitlärm im Hosentaschenformat liefern etwa Smartphones gleich mit. Das verführt zu einem Dauerkonsum, der für das Gehör gefährlich werden könnte. Die Quittung folgt nicht unbedingt auf dem Fuße, aber das Gehör vergisst nie.
Wenn es im Hintergrund laut ist, etwa in Bus und Bahn, drehen viele Menschen die Lautstärke hoch. Dadurch sind Musik und Sprache aus den Kopfhörern zwar besser zu hören, die Geräusch-Belastung steigt aber massiv. "Wir möchten für die Gefahren sensibilisieren", sagt Teismann. Doch Verzicht sei nicht unbedingt nötig, um sich vor Schäden zu schützen: "Das Wichtigste ist, das man die Lautstärke nicht zu sehr aufdreht. Darüber hinaus sind heute moderne Kopf- und Ohrhörer mit Antischall-Technologie auf dem Markt. Störende Hintergrund-Geräusche werden durch gegenpolige Frequenzen, die dem Audio-Signal automatisch beigemischt werden, ausgelöscht." Der Nutzer kann die Musik nun bei niedrigerer Lautstärke genießen, da Störgeräusche nicht übertönt werden müssen. Wer sich für klassische Kopfhörer entscheidet, die auf den Ohrmuscheln aufliegen oder sie vollständig umschließen, sollte zu geschlossenen Bauformen greifen. Störgeräusche werden dann mechanisch wirksam passiv gedämpft - und auch für die Mitmenschen sinkt die Geräuschbelastung. Okamato forschte bis zum vergangenen Juli mehr als vier Jahre lang am münsterschen Institut und wechselte anschließend ans Nationale Institut für Physiologie im japanischen Okazaki. Die Studie ist Anfang März im wissenschaftlichen Online-Fachmagazin PLoS One erschienen.


Literaturangabe:
Okamoto H, Teismann H, Kakigi R, Pantev C (2011)
Broadened Population-Level Frequency Tuning in Human Auditory Cortex of Portable Music Player Users.
PLoS ONE 6(3): e17022.
doi:10.1371/journal.pone.0017022

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster, Thomas Bauer, 15.03.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2011