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GESUNDHEIT/1007: Alter und Gedächtnis - Der Kick fürs Köpfchen (welt der frau)


welt der frau 11/2011 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Der Kick fürs Köpfchen

Von Susanna Sklenar


Alter und gutes Gedächtnis sind kein Widerspruch. Auch das Vergessen hier und da hat einen tieferen Sinn. Dennoch lassen geistige Fähigkeiten im Laufe des Lebens nach. Damit das Ausmaß die Lebensqualität nicht beeinträchtigt, sind aktives Gehirntraining im Alltag und spezielle Ernährung notwendig.


Morgens auf der Straße, auf dem Weg zur Arbeit: Die Dame vis-à-vis grüßt sehr freundlich und signalisiert eine gewisse Vertrautheit. Sie lächeln zurück - und wissen partout nicht mehr, woher Sie sie kennen. Ein andermal stehen Sie ratlos im Supermarkt: Wo ist bloß der Einkaufszettel? Oder Sie wollen Ihr Kind von der Schule abholen und können ausgerechnet den Autoschlüssel nicht finden. Verlegt? Verloren? So ein Mist ... Das Gehirn, das sonst so selbstverständlich funktioniert, ruft sich mit einem kleinen "Ausfall" ins Bewusstsein. Und signalisiert: "Dass ich immer reibungslos funktioniere, ist ganz und gar nicht selbstverständlich." Alltägliche Situationen wie diese sind nicht weiter beunruhigend. Das Gehirn kann sich schon mal "ausklinken", schließlich vollbringt es im Laufe unseres Lebens ohnedies respektable Höchstleistungen. Wir lernen Rechnen und Schreiben, Fremdsprachen und Umgangsformen, eignen uns Fachwissen an, lösen Sudokus und Lebenskrisen, entwickeln neue Strategien zur Bewältigung des Alltags und innovative Technologien. Unser Geist ist allgegenwärtig, und das meist 14 bis 18 Stunden am Tag. Kein Wunder also und auch kein Grund zur Besorgnis, wenn die Erinnerung ab und zu mal aussetzt oder die Gedächtnisleistung mit der Zeit leicht nachlässt.


Tückische Erinnerung

Grundsätzlich ist Vergessen etwas ganz Normales. Und hat auch einen tieferen Sinn. Unser Gehirn wird tagtäglich mit einem Mega-Input an Daten überhäuft - Datenstau und Reizüberflutung drohen. Da aber nicht alles wichtig ist, was wir dazulernen, speichert das Gehirn nur die essenziellen Fakten ab. So gibt es mehrere Ursachen, warum wir vergessen:

- Verfallen. Was im Kurzzeit- oder mittelfristigen Gedächtnis abgelegt ist, wird mit der Zeit wieder verworfen ("Verfallsdatum"). Der Zweck ist, unsere zerebrale "Festplatte" von allen "Spams" zu reinigen. Was wir aber im Langzeitgedächtnis gespeichert haben, bleibt bestehen. Problematisch ist manchmal nur, ob und wie gut wir es wieder abrufen können.

- Verdrängt. Eine weitere Facette des Vergessens ist das Verdrängen. Es tritt auf, wenn traumatische Erlebnisse in den Hintergrund rücken oder vergessen werden sollen.

- Gelöscht. Wenn altes Wissen durch neues überlagert wird, spricht man von einer gegenseitigen Auslöschung oder Interferenz. Wenn man etwa eine Liste mit italienischen Vokabeln und danach eine mit spanischen auswendig lernt, kann es sein, dass aufgrund der Ähnlichkeit der Inhalte die Erinnerungsfähigkeit abnimmt. Und: Je sinnärmer die Informationen sind, desto schwieriger sind sie zu erlernen.


Komplexes Meisterwerk

Auf alle Fälle ist unser Gehirn ein Meisterwerk. Es wiegt nur knappe eineinhalb Kilogramm und beträgt damit bloß zwei Prozent des Körpergewichts, benötigt aber 15 Prozent der Blutmenge des Herzminutenvolumens, also der Förderleistung des Herzens pro Minute. Außerdem verbraucht es 25 Prozent des Sauerstoffs und 70 Prozent der durch Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate.

- Hardware. Die "Hardware" besteht aus einer harten Schädelkapsel, in der in einem weichen Wasserkissen (Liquor, Nervenwasser) das Gehirn "schwimmt". Durch eine Blut-Hirn-Schranke ist es vom übrigen Körper abgeschottet. Darüber hinaus verfügt unsere "Festplatte" über ein Kühlsystem, einen Gefäßkomplex, der hinter der Nase sitzt. Und über die Fähigkeit, das nötige Blut in just jene Regionen zu schaffen, in denen sie gerade am dringendsten gebraucht werden (Autoregulation).

- Software. Die "Software" ist für den Informationsfluss verantwortlich: Dieser hat allein in der Großhirnrinde, dem Neocortex, rund 28 Millionen kleine graue Zellen, also Nervenzellen oder Neurone, zur Verfügung. Diese halten Verbindungen mit anderen Neuronen, sodass junge Menschen mehr als 2,8 Billionen Schaltstellen in ihrem Kopf aufweisen. Ab der Lebensmitte fällt die Zahl der Neuronen ab. Dieser schleichende, altersbedingte Nervenzellenschwund kann letztlich in die Demenz führen - bei manchen schon mit 60, bei anderen erst mit 100 Jahren.


Lange Lernfähigkeit

Die gute Nachricht: Unsere Gedächtnis- und Lernfähigkeit kann bis ins hohe Alter erhalten werden - vorausgesetzt, das Gehirn bleibt "in Bewegung" und wird entsprechend trainiert. Dafür gibt es viele Möglichkeiten - von sogenanntem "Brainfood" bis zum gezielten Gehirntraining. Der Innsbrucker Immunologe und Altersforscher Prof. Dr. Georg Wick geht davon aus, dass nur 30 Prozent des Alterungsprozesses genetisch vorgegeben sind. Rund 70 Prozent können wir selbst beeinflussen - etwa durch eine gesunde Lebensweise, ausreichende Bewegung und eine ausgewogene Ernährung. Der persönliche Lifestyle hat dabei den größten Anteil (37%) im Vergleich zu den Umweltfaktoren (23%) und einer guten medizinischen Versorgung(10%).


Anzeichen von Krankheit

Manchmal kann Vergessen jedoch eine Begleiterscheinung von schweren Krankheiten sein - Alzheimer oder Parkinson. Der Hintergrund: Durch die gute medizinische Versorgung erreichen viele Menschen heute ein hohes Alter. Leider entwickelt sich Alzheimer (60 bis 80 Prozent der Demenzfälle) im selben Ausmaß zu einer weitverbreiteten Krankheit des 21. Jahrhunderts. Laut Österreichischem Demenzbericht gibt es hierzulande bereits rund 100.000 Demenzkranke, zwei Drittel davon sind Frauen. Für 2050 wird ein Anstieg auf 270.000 prognostiziert. Prof. Dr. Peter Dal-Bianco, Leiter der Spezialambulanz für Gedächtnisstörungen an der Universitätsklinik für Neurologie im AKH Wien: "Die Alzheimerkrankheit befällt jene Teile des Gehirns, die für das Kurzzeitgedächtnis, die Denkfähigkeit, die Sprache und andere kognitive Fähigkeiten verantwortlich sind. Es entstehen sogenannte Plaques. Die Erkrankung kann jeden Menschen treffen, ungeachtet des Geschlechts, der ethnischen oder gesellschaftlichen Herkunft. Der stärkste Risikofaktor ist das Alter, etwa zehn Prozent gehen auf familiäre genetische Disposition zurück. Der klinische Krankheitsverlauf dauert 10 bis 20 Jahre."


Ganzheitlich vorbeugen

Worin sich alle ExpertInnen einig sind: Im Sinne der Vorsorge ist es wichtig, geistige Fitness von Anfang an, also schon in jungen Jahren, zu trainieren. Die Devise und beste Prophylaxe lautet: "Laufen, Lernen, Lachen, Lieben." Und es empfiehlt sich, sogenanntes Brainfood so oft wie möglich auf den Speiseplan zu setzen - also Nahrungsmittel, deren Inhaltsstoffe die Gehirnleistung fördern.

- Ernährung. B-Vitamine, Cholin, Phosphor, Zink, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (insbesondere Omega-3-Fettsäuren) sowie Glutamin (Aminosäure) sind natürliche Leistungsförderer. Reich an diesen Substanzen sind Fisch, Eier und Vollkornprodukte.

Auch Nüsse gelten als optimale Gehirnnahrung. Koffein und Alkohol hingegen entziehen dem Körper Vitamin B und Zink. Vor allem Rauchen behindert die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nährstoffen.

- Ginkgo. Der Ginkgobaum besitzt eine außergewöhnliche Immunität gegenüber Schädlingen, Umweltverschmutzung, Bakterien und Viren.

Ginkgo-Extrakte sollen gut gegen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen wirken: Sie verbessern die Durchblutung des Gehirns und erhöhen den Spiegel gewisser am Gedächtnisprozess beteiligter Neurotransmitter.

- Rosenwurz. Die Extrakte der Gebirgspflanze sollen den Stoffwechsel im Gehirn stimulieren und so das Zusammenspiel der wichtigen Botenstoffe optimieren.

- Knoblauch. Seine Inhaltsstoffe verbessern die Elastizität der Blutgefäße sowie die Fließeigenschaften des Blutes und eignen sich deshalb zur Prävention von Arteriosklerose, die das Gedächtnis und die Konzentration beeinträchtigt.


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
November 2011, Seite 50-52
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2011