Stiftung Kindergesundheit - 20.09.2023
Sorge ums Klima, Sexualität, Selbständigkeit -
Kindergesundheitsbericht 2023: Jugendliche haben besondere Bedürfnisse
Berlin, 18.09.2023 - In ihrem zweiten Kindergesundheitsbericht stellt die Stiftung Kindergesundheit dem körperlichen und seelischen Gesundheitszustand der rund 8 Millionen Jugendlichen in Deutschland ein durchwachsenes Zeugnis aus. Die Überlastung von Gesundheits-, Schul- und Jugendhilfesystemen erschwere die Prävention seelischer und körperlicher Störungen. Auch das Thema Klimaangst gewinne an Bedeutung. Großes Potential sieht der Bericht darin, Jugendliche aktiv an der Gestaltung ihrer Gesundheit zu beteiligen.
"Im Jugendalter werden entscheidende Grundlagen für eine gute Gesundheit im späteren Leben gelegt. Dieser Lebensabschnitt ist von massiven psychischen und physischen Veränderungen geprägt. Damit einher gehen spezifische Chancen und Risiken", erklärt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt sowie Vorstand der Stiftung Kindergesundheit. "Dennoch wird der Adoleszenz und den besonderen gesundheitlichen Herausforderungen dieser Lebensphase vergleichsweise wenig medizinisch-fachliche und politische Aufmerksamkeit entgegengebracht. Hier setzt unser Bericht an."
Der Report umfasst eine breite Palette an Themen der seelischen und körperlichen Gesundheit Jugendlicher und führt die wichtigsten Daten aus Studien der letzten Jahre zusammen. Renommierte Forscher*innen geben einen vertieften Einblick in ihr Fachgebiet. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse für die notwendige gesundheitspolitische Diskussion nutzbar zu machen. Darüber hinaus liefern die Autor*innen konkrete Maßnahmenvorschlägen und Lösungsansätze.
Einer der Schwerpunkte ist die mentale Gesundheit junger Menschen. Im Bericht zusammengefasste, aktuelle Studien belegen eine starke Belastung Jugendlicher durch die allgegenwärtige Krisenlage. Auch bei Ernährung, Bewegung, Impfen und Gesundheitskompetenz identifizieren die Wissenschaftler*innen Verbesserungspotential und fordern zum Handeln auf. "Jugendliche haben ein Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung. Alle Akteure der Gesellschaft sind gefordert, die Entwicklungschancen junger Menschen bestmöglich zu fördern. Der Kindergesundheitsbericht 2023 liefert Ideen, wie dies besser gelingen kann", so Prof. Koletzko.
Unterstützer und Mitherausgeber des Kindergesundheitsberichts 2023 sind gemeinsam mit der Stiftung Kindergesundheit die DFL Stiftung, die Stiftung "Die Gesundarbeiter - Zukunftsverantwortung Gesundheit", die Krankenkasse vivida bkk, und die Unternehmen MSD Sharp & Dohme GmbH und Novartis Pharma GmbH.
Mentale Gesundheit:
Die Adoleszenz stellt eine besonders anfällige Phase für psychische
Störungen dar. Typische Risiken bei Jugendlichen sind depressive,
Ess-, Angst- und Zwangsstörungen sowie psychotische Krankheiten oder
Suchterkrankungen. Die psychische Belastung bei Jugendlichen hat
insbesondere während der Covid-Pandemie zugenommen. So ist ein
allgemeiner Anstieg von emotionalen Störungen und Suizidversuchen zu
verzeichnen. Oft sind es Mädchen, die von schweren Symptomen betroffen
sind.
Klimaangst:
Klimaangst ist keine psychische Störung, sondern zumeist eine
angemessene Reaktion auf die konkrete Bedrohung durch die Klimakrise.
Besonders Jugendliche leiden unter Klimaangst, da sie langfristig
stärker von den Klimafolgen betroffen sein werden. Bei Einzelnen kann
sie auch zu Krankheitserscheinungen führen. Mit Zuspitzung der
Klimakrise ist zu erwarten, dass auch die Furcht vor dem Klimawandel
und seinen Folgen bei jungen Menschen zunimmt.
Sucht:
Suchtstörungen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmendes
Problem, das gravierende Auswirkungen auf ihre körperliche und
psychische Gesundheit sowie auf ihre soziale Entwicklung haben können.
Der Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Alkohol und Drogen sowie
die übermäßige Nutzung digitaler Medien sind Faktoren, die zu
verschiedenen Suchtstörungen führen können.
Geschlechtsdysphorie:
Die Zahl geschlechts-nonkonformer Jugendlicher (trans*, genderqueer,
genderfluid, nicht-binär, agender) in der klinischen Versorgung nimmt
zu. Diese jungen Menschen berichten häufig von koinzidenten
psychischen Erkrankungen, psychosozialen Schwierigkeiten und
diskriminierenden Erfahrungen im Gesundheitswesen.
Sexualität:
Das Thema Sexualität beeinflusst die physische und psychosoziale
Entwicklung von Jugendlichen in hohem Maße. Erste sexuelle Kontakte
erleben sie heute später als frühere Generationen. Jugendliche
verfügen insgesamt über ein profundes Wissen zum Thema Verhütung. Die
Zahlen der Teenagerschwangerschaften sind rückläufig. Das Wissen über
sexuell übertragbare Infektionen ist jedoch oft lückenhaft.
Impfungen:
Viele Jugendliche haben mindestens eine Auffrischimpfung gegen
Tetanus, Diphtherie und Keuchhustenerhalten. Die aktuellen Impfquoten
bei Jugendlichen zeigen aber die Notwendigkeit, die Impfquoten bei der
HPV-Impfung zu steigern. Nur so können die von der WHO und EU
gesteckte Ziele erreicht werden, d.h. die Elimination von
Gebärmutterhalskrebs durch eine vollständige HPV-Impfserie bei mehr
als 90 Prozent der 15-jährigen Mädchen sowie durch die deutliche
Erhöhung der Impfungen bei den gleichaltrigen Jungen bis 2030.
Bewegung:
Ein großer Teil der Jugendlichen bewegt sich entsprechend den
WHO-Zielen deutlich zu wenig. Es hat sich eine "neue Jugend"
etabliert, deren On-Demand-Bedürfnisse die alltägliche Bewegung ebenso
wie die bewegten Freizeitangebote mindern. Zwar gibt es im Verein, im
Stadtbild und in kommerzieller Hand eine Vielzahl an Sport- und
Bewegungsangebote und -anreize, aber es besteht eine große
Ungleichheit bei der Nutzung. Für die frühe Jugendphase gibt es gerade
dort zu wenig Bewegungsmöglichkeiten, wo das Interesse für den
Leistungsvergleich fehlt.
Ernährung:
Viele Jugendliche ernähren sich ungesund und verzehren zu wenig Obst,
Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukte. Gleichzeitig konsumieren sie zu
viel Fleisch, Fast Food, Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke. Der
Konsum von Energydrinks nimmt ebenfalls zu, insbesondere bei älteren
Jugendlichen.
Beteiligung:
Es besteht ein dringender Bedarf nach mehr Beteiligungsrechten von
Jugendlichen im Gesundheitswesen, um ihre Rechte auf Gesundheit und
Selbstbestimmung zu schützen. Jugendliche wünschen sich mehr Einfluss
auf ihre eigene Gesundheitsfürsorge. Um sicherzustellen, dass die
Wünsche und Bedürfnisse Jugendlicher im Bereich der
Gesundheitsversorgung angemessen berücksichtigt werden, müssen junge
Menschen gehört, respektiert, umfassend informiert und in
Entscheidungsprozesse einbezogen werden.
Sozioökonomische Disparität:
Der sozioökonomische Status (SES) beeinflusst die Gesundheit von
Jugendlichen zwar weniger deutlich als bei jüngeren Kindern oder
Erwachsenen, aber soziale Benachteiligung prägt das Verhalten und
damit auch das gesundheitliche Risikoverhalten im Jugendalter.
Jugendliche mit niedrigem SES ernähren sich schlechter, zeigen eine
geringere Lebenszufriedenheit und konsumieren häufiger Tabak und
Alkohol. Sie berichten über starken psychischen Stress und verfügen
über schwächer ausgeprägte Bewältigungsstrategien als Jugendliche mit
höherem familiärem SES.
Gesundheitskompetenz:
Schüler*innen in Deutschland weisen eine deutlich schlechtere
Gesundheitskompetenz auf als der europäische Durchschnitt. Fast ein
Viertel der Jugendlichen verfügt über zu wenig Wissen im Bereich
Gesundheit. Besonders Schulen sind ein wichtiges Setting zur
nachhaltigen und effektiven Stärkung der Gesundheitskompetenz. Nötig
ist eine länderübergreifende, abgestimmte Strategie zur
Gesundheitsförderung in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen.
Der Bericht enthält zu jedem Themenkomplex Handlungsempfehlungen
und ist unter
https://www.kindergesundheit.de/kindergesundheitsbericht verfügbar.
Die Autor*innen:
Lara Barbaric, Reihana Barekzai, Prof. Tim Bindel, Priv.-Doz. Dr.
Katharina Buhren, Dr. Franziska Feldl, Jana Findorff , Aliya Haid,
Karin Klinert, Prof. Berthold Koletzko, Konstanze Löffler, Dr.
Dietrich Munz, Dr. Silvia Müther, Prof. Orkan Okan, Anna Philippi,
Prof. Ulrike Ravens-Sieberer, Dr. Franziska Reis, Dirk Rennert, Dr.
Matthias Richter, Prof. Matthias Richter, Prof. Georg Romer, Dr.
Angela Rölver, Theresa Schierl, Prof. Sabina Schutter, Alicia Steffel,
Magdalena Tanner, Prof. Heidrun Thaiss, Prof. Rainer Thomasius
DFL Stiftung
Als Stiftung aus dem Profifußball engagiert sich die DFL Stiftung
gemeinsam mit starken Partnern und Clubs der Bundesliga und 2.
Bundesliga für das gesunde und aktive Aufwachsen von Kindern und
Jugendlichen sowie die aktive Teilhabe junger Menschen in Deutschland
an einer vielfältigen und solidarischen Gesellschaft. Zudem fördert
sie Talente aus über 50 olympischen und paralympischen Sportarten
sowie dem Gehörlosen-Sport in ihrer sportlichen und persönlichen
Entwicklung. Mit ihrer Expertise, ihrem Netzwerk und der Strahlkraft
des Profifußballs hat die DFL Stiftung sich das Ziel gesetzt, dass
alle jungen Menschen in Deutschland die Chance haben, ihre Potenziale
zu entfalten.
Die Gesundarbeiter - Zukunftsverantwortung Gesundheit
Die Stiftung "Die Gesundarbeiter - Zukunftsverantwortung Gesundheit"
wurde 2012 gegründet und hat ihren Sitz in Villingen-Schwenningen.
Stiftungszweck sind gemeinnützige Aktivitäten im Bereich der
Prävention und Gesundheitsförderung. Da ein nachhaltig gesunder
Lebensstil bereits in jungen Jahren geprägt wird, stehen Projekte für
Kinder und Jugendliche - zum Beispiel in Kitas und an Schulen - im
Mittelpunkt der Stiftungsarbeit. Außerdem dient die Stiftung "Die
Gesundarbeiter" als Impulsgeber für Initiativen weiterer Akteure im
Gesundheitswesen. Stiftungsvorstand ist Siegfried Gänsler, der auch
Vorstand der vivida bkk ist.
vivida bkk
Die vivida bkk ist eine bundesweit geöffnete gesetzliche Krankenkasse
mit rund 350.000 Kundinnen und Kunden. Mehr als 850 Beschäftigte
arbeiten an 16 Standorten; Vorstand ist Siegfried Gänsler. Mit ihrer
190-jährigen Unternehmensgeschichte ist die vivida bkk erfahrener
Gesundheitspartner in allen Lebensphasen. Die Betriebskrankenkasse
legt Wert auf eine nachhaltige Gesundheitsversorgung und stellt dabei
die Gesundheitsförderung in den Mittelpunkt. Die eigene Stiftung "Die
Gesundarbeiter - Zukunftsverantwortung Gesundheit" unterstützt deshalb
Präventionsprojekte, schwerpunktmäßig für Kinder und Jugendliche.
MSD
Bei MSD, in den USA und Kanada bekannt als Merck & Co., Inc., Rahway,
NJ, USA, eint uns ein Ziel: Wir nutzen führende wissenschaftliche
Erkenntnisse, um auf der ganzen Welt Leben zu retten und mehr
Lebensqualität zu ermöglichen. Bereits seit über 130 Jahren stehen wir
durch die Entwicklung wichtiger neuer Medikamente und Impfstoffe für
Fortschritt. Unser Anspruch ist es, als forschendes
biopharmazeutisches Unternehmen global führend zu sein - und wir
entwickeln innovative Gesundheitslösungen und Wirkstoffe, die die
Prävention und Behandlung von Krankheiten bei Menschen und Tieren
weiter verbessern. Wir fördern Vielfalt und Inklusion in unseren Teams
weltweit und handeln jeden Tag verantwortungsbewusst, um allen
Menschen eine sichere, nachhaltige und gesunde Zukunft zu ermöglichen.
Für weitere Informationen besuchen Sie www.msd.de und folgen Sie uns
auf Twitter, LinkedIn und YouTube.
Novartis
Novartis denkt Medizin neu, um das Leben der Menschen zu verbessern
und zu verlängern. Unsere technologisch führende Position und neue
Zugangsmodelle erlauben es uns, hochwertige Medikamente zu entwickeln,
welche die größten Krankheitslasten der Gesellschaft lindern. In
unserem Bestreben, neue Medikamente zu finden, gehören wir regelmäßig
zu den weltweit führenden Unternehmen, die in Forschung und
Entwicklung investieren. Rund 103.000 Menschen aus mehr als 140
Ländern arbeiten gemeinsam daran, die Produkte von Novartis 800
Millionen Menschen auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. In
Deutschland beschäftigt Novartis rund 7.000 Mitarbeitende an zehn
Standorten. Weitere Informationen unter https://www.novartis.de/ und
https://www.novartis.com/ sowie in unserem virtuellen Pressezentrum
https://virtualcampus.novartis.de/.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
https://idw-online.de/de/institution1021
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Stiftung Kindergesundheit, 20.09.2023
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 22. September 2023
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