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MELDUNG/037: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.01.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Winzige Moleküle steuern Lernen und Erinnern
→  Erblicher Risikofaktor für Parkinson identifiziert
→  Schlüsselmechanismus zur Vermehrung von Epstein-Barr-Viren gefunden

Raute

Universitätsklinikum Heidelberg - 11.01.2010

Winzige Moleküle steuern Lernen und Erinnern

Der Heidelberger Neuro-Wissenschaftler Dr. Gerhard Schratt erhielt für seine bahnbrechenden Arbeiten den Forschungspreis der Siebeneicher-Stiftung

Für seine grundlegenden Arbeiten zu den molekularen Mechanismen von Lernen und Gedächtnis ist am 7. Januar 2010 Dr. Gerhard Schratt, Wissenschaftler am Institut für Anatomie der Universität Heidelberg, mit dem Siebeneicher-Forschungspreis ausgezeichnet worden, der mit 50.000 Euro dotiert ist. Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Therapieansätze bei Hirnerkrankungen wie Autismus und Demenzerkrankungen beitragen.

Die Joachim Siebeneicher Stiftung, Hirschhorn, wurde 1974 von Dr. Joachim Siebeneicher und seiner Ehefrau Charlotte gegründet. Die Stiftung fördert unter anderem Projekte in der biomedizinischen Forschung, im öffentlichen Gesundheitswesen sowie in der Jugend- und Altenhilfe und vergibt den Forschungspreis alle zwei Jahre an exzellente Nachwuchs-Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Die Stiftung werde auch künftig ihr Engagement in Heidelberg, insbesondere im Bereich der Stammzellforschung fortsetzen, sagte der Vorsitzende Norbert Mahlke bei der Feierstunde im Rahmen der Preisverleihung in der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg.

Wissenschaftliche Ausbildung in Tübingen und an der Harvard Medical School

Dr. Gerhard Schratt leitet seit 2006 eine Juniorgruppe am Sonderforschungsbereich "Molekulare und zelluläre Grundlagen neuraler Entwicklungsprozesse" innerhalb des Interdisziplinären Zentrums für Neurowissenschaften (IZN). Sein Biochemiestudium und seine Promotion hat er mit Auszeichnung in Tübingen absolviert, bevor in das renommierte neurobiologische Labor von Professor Michael E. Greenberg an der Harvard Medical School wechselte - eine Schmiede für Nobelpreisträger, wie Professor Dr. Joachim Kirsch, Direktor des Anatomischen Instituts der Universität Heidelberg, in seiner Laudatio anmerkte.

Das wichtigste Forschungsgebiet von Dr. Schratt sind winzige Moleküle, sogenannte Mikro-RNAs, die die Lern- und Gedächtnisprozesse im Gehirn beeinflussen: Sie steuern das Wachstum der Dornfortsätze, mit denen die Nervenzellen miteinander in Kontakt treten - und bestimmen so, wie intensiv die Nervenzellen untereinander "verschaltet" werden. mikroRNAs sind aber auch in anderen Zellen aktiv, und Störungen ihrer Funktion sind vermutlich die Ursache zahlreicher Krankheiten, von neurologischen Erkrankungen bis zu Krebs.

Mehr als hundert Milliarden Nervenzellen sind im Gehirn eines Erwachsenen auf engstem Raum zusammengedrängt. Die korrekte Verschaltung dieser Nervenzellen ist maßgebend für kognitive Leistungen wie Lernen und Gedächtnis. Defekte in ihrer Verschaltung können zu einer Reihe neurologischer Krankheitsbilder führen, darunter Autismus, Epilepsie und Demenzerkrankungen.

"Unsere Forschung beschäftigt sich mit den molekularen Mechanismen, die für die Veränderung von Nervenkontaktstellen, der so genannten synaptischen Plastizität, verantwortlich sind und damit Lern- und Gedächtnisvorgänge beeinflussen", erklärt Gerhard Schratt. Seine Arbeiten haben bereits einen wichtigen Beitrag geleistet, um diese grundlegenden Vorgänge zu verstehen.

Weitere Informationen
über das Institut für Anatomie der Universität Heidelberg:
www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/
Institut-fuer-Anatomie-und-Zellbiologie.102626.0.html
(Link bitte im Browser zusammenfügen)

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit 1.600 Betten werden jährlich rund 500.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.100 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. (Stand 12/2008)
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
www.klinikum.uni-heidelberg.de/presse

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 11.01.2010

Raute

Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 11.01.2010

Erblicher Risikofaktor für Parkinson identifiziert

Genvariante wirkt sich auf Vitamin B6-Stoffwechsel aus

(München, 11. Januar 2010) Ein internationales Team von Ärzten und Humangenetikern hat einen neuen genetischen Risikofaktor für Morbus Parkinson identifiziert. Beteiligt waren das Institut für Humangenetik des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München, die Neurologische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und die Mitochondrial Research Group der University of Newcastle upon Tyne, England.

"Unsere Studie zeigt das Zusammenspiel von erblichen Faktoren und Umwelteinflüssen wie etwa Nahrungsgewohnheiten bei der Entstehung des Morbus Parkinson," erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Matthias Elstner von der Neurologischen Klinik der LMU und dem Helmholtz Zentrum. Die genomweite Expressions- und Assoziationsstudie bestätigt zudem, dass Vitamin B6-Status und -Stoffwechsel einen weitreichenden Einfluss sowohl auf das Krankheitsrisiko wie auch die Therapie der Erkrankung haben. (Annals of Neurology, Dezember 2009)

Wissenschaftler der beiden Münchner Universitäten und des Helmholtz Zentrums München haben Nervenzellen im Gehirn daraufhin untersucht, welche Gene sich bei einer Parkinson-Erkrankung in ihrer Aktivität verändern. Die Gruppe fand unter anderem eine erhöhte Aktivität des Pyridoxalkinase-Gens. Anschließend verglichen die Forscher in einer internationalen Kooperation dieses Gen bei über 1.200 Parkinson-Patienten mit der Erbinformation von mehr als 2.800 gesunden Probanden. So konnte eine genetische Variante entdeckt werden, die das Risiko erhöht, an Parkinson zu erkranken. Möglicherweise führt sie zu einer veränderten Menge oder Aktivität des Enzyms Pyridoxalkinase (PDXK) im Gehirn. Dabei ist die verwendete Methode der Expressionsanalyse aus Einzelneuronen richtungweisend und eröffnet in Kombination mit der genetischen Assoziationsanalyse neue Möglichkeiten zur Analyse genetischer Risikofaktoren.

PDXK wandelt Vitamin B6 aus der Nahrung in die im Körper aktive Form um, welche die Voraussetzung zur Produktion des Signalstoffs Dopamin ist. Für die Erkrankung wird das beschleunigte Altern und Absterben von Nervenzellen verantwortlich gemacht, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Die verminderte Synthese des Botenstoffs erklärt die meisten Symptome des Morbus Parkinson: Die langsam fortschreitende neurologische Erkrankung geht mit Muskelstarre (Rigor), Muskelzittern (Tremor) und einer Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinese) einher. Neben den Einschränkungen des täglichen Lebens durch diese Symptome kann eine verminderte Stabilität beim Aufrechthalten des Körpers (posturale Instabilität) zu gefährlichen Stürzen führen. Überdies können im Verlauf der Erkrankung Missempfindungen, sogenannte vegetative Störungen (z.B. Blasenstörung) sowie Depressionen und andere psychische Veränderungen auftreten.

"Unsere Studie zeigt das Zusammenspiel von erblichen Faktoren und Umwelteinflüssen wie zum Beispiel Nahrungsgewohnheiten bei der Entstehung des Morbus Parkinson," erklärt der Erstautor der Studie, Dr. Matthias Elstner von der Neurologischen Klinik der LMU und dem Helmholtz Zentrum. "Obwohl diese Variante nur einen kleinen Beitrag zum Gesamtrisiko einer Parkinson-Erkrankung leistet, könnten unsere Ergebnisse die Entwicklung maßgeschneiderter Therapien unterstützen" berichtet Dr. Holger Prokisch, Leiter der Arbeitsgruppe für Mitochondriale Erkrankungen am Helmholtz Zentrum München (HHZM) und der TU Münnchen.

Publikation:
"Single cell expression profiling of dopaminergic neurons combined with association analysis identifies pyridoxal kinase as Parkinson's disease gene"
Elstner et.al.
Annals of Neurology, Dezember 2009
DOI: 10.1002/ana.21780

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Matthias Elstner
Neurologische Klinik der LMU und Helmholtz Zentrum München
E-Mail: melstner@med.uni-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-undmedien/pressemitteilungen/index.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution44

Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 11.01.2010

Raute

Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 12.01.2010

Schlüsselmechanismus zur Vermehrung von Epstein-Barr-Viren gefunden

Neuherberg, 12. Januar 2010. Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben einen entscheidenden Mechanismus im Vermehrungszyklus des Epstein-Barr-Virus aufgeklärt. Unter Federführung von Prof. Wolfgang Hammerschmidt gelang es, die Funktion eines Proteins zu identifizieren, das für die Vermehrung des Virus eine wesentliche Rolle spielt. Epstein-Barr-Viren können Krebs auslösen. Die in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins PNAS veröffentlichten Ergebnisse sind damit ein wesentlicher Schritt zum Verständnis des Wachstums von Tumoren.

Das Epstein-Barr-Virus (EBV), ein Vertreter der Herpes-Viren, hat zwei verschiedene Lebensphasen: Nach der Infektion einer Zelle begibt es sich zunächst in den Ruhezustand. Unter bestimmten Umständen kann das Virus aktiv werden - und löst dann das Wachstum von Tumoren aus oder vermehrt sich in der Zelle. Besonders bei immungeschwächten Patienten kann EBV seine Wirtszellen dazu bringen, sich unkontrolliert zu teilen - ein Tumor entsteht.

Die Ursachen für den Übergang des EBV aus dem Ruhe- in den Aktivzustand waren bisher ungeklärt - insbesondere, welche Faktoren verantwortlich sind und wie die molekularen Mechanismen funktionieren. Die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben nun herausgefunden, wie das Virus den Ruhezustand beendet und den Vermehrungszyklus aktiviert.

Prof. Wolfgang Hammerschmidt, Leiter der Abteilung Genvektoren am Helmholtz Zentrum München, erklärt: "Wir haben nun die entscheidende Funktion des viralen BZLF1 Proteins identifiziert: Es aktiviert die Gene des EBV, die für die Vermehrung der Viruspartikel essenziell sind." Etwa 70 verschiedene Gene sind während der Ruhephase abgeschaltet, weil bestimmte DNA-Abschnitte chemisch modifiziert sind: Einige DNA-Bausteine tragen sogenannte Methylgruppen. Sie sind für den Zellapparat eine Art Stoppsignal, so dass diese Gene nicht in Protein umgewandelt werden können.

"BZLF1 kann diese Methylierungs-Muster auf der DNA aufspüren", berichtet Markus Kalla, der Erst-Autor der Studie. Mit seiner DNA-Bindedomäne binde das Protein gerade an die methylierte DNA-Sequenz. Eine zweite Domäne von BZLF1 sorge dann dafür, dass das Gen wieder aktiviert wird. "Ein derartiger Mechanismus war bisher nicht bekannt", sagt Hammerschmidt. Bisher sind die Forscher davon ausgegangen, dass die Methylgruppen von den DNA-Bausteinen entfernt werden müssen, ehe die sogenannten Transkriptionsfaktoren an die regulatorische DNA-Sequenz binden und so das Gen aktivieren können.

Den Ergebnissen der Forscher zufolge umgeht BZLF1 offenbar diese Hürde. Demnach scheint BZLF1 zum einen notwendig zu sein, um die Latenzphase aufrecht zu erhalten, aber auch, um diese zu beenden.

Bei der Virusvermehrung werden üblicherweise innerhalb der Zelle eine große Zahl neuer Partikel gebildet. Dabei nutzen Viren große Teile des Zellapparates, insbesondere bestimmte Proteine und Faktoren. Nach der Vermehrung werden die neuen Viren freigesetzt - Forscher sprechen vom lytischen Zyklus. Der Nachteil: dabei machen die Viren das Immunsystem auf sich aufmerksam, welches dann gegen den Erreger vorgeht.

Das Epstein-Barr-Virus nutzt aber eine andere Strategie: Anstatt alle Energie auf die sofortige Vermehrung in der Zelle zu setzen, geht es nach der Infektion in den Ruhezustand über und verhindert dadurch eine Reaktion des Immunsystems. Das Virus infiziert Zellen des Immunsystems, die sogenannten B-Zellen und schleust dabei zunächst sein Erbgut in deren Kern ein. Während die meisten Viren sofort ihren lytischen Vermehrungszyklus starten und dafür den Zellaparat zur Verdopplung des Erbguts sowie zur Herstellung wichtiger Strukturproteine aus den Genen nutzen, begnügt sich EBV damit, lediglich ein paar Gene von der Zelle in Proteine verwandeln zu lassen. Diese sogenannten latenten Gene sind für die Ruhephase wichtig, sie sorgen dafür, dass das EBV-Erbgut stabil im Zellkern verbleibt, während sich die Zelle selbst vermehrt. Diese scheinbar friedliche Koexistenz endet, wenn das Virus in die Vermehrungsphase übergeht oder Tumorwachstum auslöst.

Mit den in PNAS nun publizierten Ergebnissen haben Hammerschmidt und seine Kollegen einen wichtigen Baustein gefunden, um die Rolle von EBV beim Tumorwachstum besser zu verstehen.

Originalpublikation:
Kalla, M, Schmeinck, A, Bergbauer, M, Pich, D, Hammerschmidt, W:
AP-1 homolog BZLF1 of Epstein-Barr virus has two essential functions dependent on the epigenetic state of the viral genome.
PNAS - Online Publikation (DOI 10.1073/pnas.0911948107)

Weitere Informationen finden Sie unter
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pressemitteilungen-2009/pressemitteilung-2009-detail/article/12642/9/index.html
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Quelle: Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Michael van den Heuvel, 12.01.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2010