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MELDUNG/045: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 25.01.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Bundesweit erstes Behandlungs- und Forschungszentrum für seltene Erkrankungen entsteht
→  Neuer Studiengang "Pflege dual" in München
→  Schutz vor Hepatitis C mit den richtigen Genen

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 22.01.2010

Bundesweit erstes Behandlungs- und Forschungszentrum für seltene Erkrankungen entsteht
Eva Luise Köhler spricht Grußwort

Hoffnung für Patienten mit seltenen Krankheiten

Heute findet am Universitätsklinikum Tübingen die Gründungsveranstaltung des bundesweit ersten Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE-Tübingen) statt. Die Gattin des Bundespräsidenten, Eva Luise Köhler, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller sowie der Vorstand der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen "ACHSE, Dr. Jörg Richtstein sprechen Grußworte zur Eröffnung.

Das Universitätsklinikum und die Universität Tübingen gründen das bundesweit erste Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE-Tübingen). Ziel dieses Behandlungs- und Forschungszentrums ist es, Patienten mit seltenen Erkrankungen interdisziplinär und auf hohem Niveau zu versorgen und die Erforschung dieser Erkrankungen voran zu treiben, um für mehr seltene Erkrankungen Therapieoptionen zu entwickeln. Prof. Dr. Olaf Riess, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Genetik am Universitätsklinikum Tübingen und Sprecher des neuen Zentrums: "Unsere Ziel ist es, mit dieser neuen Struktur richtungweisend für die Gründung weiterer Zentren in Deutschland zu sein."

Etwa sechs- bis achttausend seltene Erkrankungen kennt die Medizin. Häufig handelt es sich um sehr schwere Krankheiten, die eine aufwändige Behandlung und Betreuung erfordern. Sie sind für die Patienten und ihre Familien mit hohen Belastungen verbunden. Häufigste Ursache der sehr unterschiedlichen Krankheitsbilder sind Fehler im Erbgut, die damit auch an die Nachkommen weitergegeben werden können. Von selten spricht man, wenn weniger als zweitausend Personen betroffen sind. In der Summe leiden weltweit jedoch sehr viele Menschen unter diesen Krankheiten. Allein in Deutschland leben drei bis vier Millionen Patienten und haben es oftmals schwer, medizinische Hilfe zu finden. Genau hier setzt das Tübinger Zentrum an und will für eine optimale Betreuung durch interdisziplinäre Spezialistenteams sorgen. Dafür soll die Zusammenarbeit der beteiligten Tübinger Kliniken und Institute so organisiert werden, dass einer qualitativ hochwertige Diagnose und Behandlung von seltenen Erkrankungen garantiert werden kann.

Die geringe Zahl von Patienten eines spezifischen Krankheitsbildes bringt eine Reihe von Problemen mit sich. Patienten können nicht adäquat versorgt werden, wenn eine korrekte Diagnose zu spät oder gar nicht erfolgen kann. Da die Erkrankungen oft mehrere Organsysteme betreffen, müssen Ärzte und Spezialisten unterschiedlicher Fachdisziplinen eng zusammen arbeiten. In vielen Fällen gibt es noch keine wirksame Therapie, denn je seltener die Erkrankung, desto schwieriger ist die systematische Erforschung. Aus diesem Grund ist eine enge Verzahnung der verschiedenen nationalen und internationalen Arbeitsgruppen bei den seltenen Erkrankungen besonders wichtig. Tübingen macht es sich zur Aufgabe, Grundlagen- und angewandte Forschung auf diesem Gebiet noch stärker zu bündeln, um einen schnellen Wissenstransfer in die klinische Anwendung und eine unmittelbare Einbeziehung von Patienten in frühe Therapiestudien zu ermöglich. Darüber hinaus ist der Aufbau eines Registers für seltene Erkrankungen und die Etablierung einer zentralen Biomaterialbank geplant.

Auch die Öffentlichkeit und der Gesetzgeber sollen auf die Besonderheiten seltener Erkrankungen aufmerksam werden. Dazu arbeitet das ZSE-Tübingen eng mit Patienten- und Interessengruppen sowie den Fachgesellschaften zusammen. Den Defiziten in Diagnostik und Therapie setzt das Tübinger Zentrum die Förderung der Aus-, Weiter- und Fortbildung auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen bei Studierenden, Pflegepersonal und Ärzten des Universitätsklinikums Tübingen und darüber hinaus bei der Ärzteschaft der Region entgegen.

Im ZSE-Tübingen gibt es eine Reihe von Spezialzentren, die sich mit bestimmten seltenen Erkrankungen beschäftigen:

Zentrum für Seltene neurologische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen (ZSNE): Ataxien, Choreatische Bewegungsstörungen, Spastische Spinalparalysen, Leukodystrophien, Syndromale Entwicklungsstörungen
Mukoviszidose-Zentrum Tübingen-Stuttgart (Comprehensive Cystic Fibrosis Center (CCFC)): Mukoviszidose
Zentrum für Seltene Augenerkrankungen (ZSA): Erbliche Netzhauterkrankungen, Zapfendystrophien und Zapfen/Stäbchendystrophien, Usher-Syndrom, Stargardt'sche Maculadegeneration, Beidseitige Optikusatrophien, Seltene Glaukomerkrankungen
Zentrum für Seltene Hauterkrankungen (ZSH): Genetische Instabilität, Ektodermale Dysplasie, Schwere Hautfragilitäts-Syndrome, Seltene Autoimmunkrankheiten, Sklerodermie, Mastozytose, Kongenitale Melanozytäre Nävi
Zentrum für Seltene kongenitale Infektionserkrankungen (ZSKI): Kongenitale, symptomatische CMV-Erkrankung des Neugeborenen
Zentrum für Seltene genitale Fehlbildungen der Frau (ZSGF): Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom), Partielles/Komplettes Androgeninsensitivitätssyndrom (p/cAIS), Isolierte Vaginalaplasie, Genitale Doppelbildungen, Zervixhypoplasien

Diese Spezialzentren konzentrieren sich jeweils auf die Behandlung und Erforschung eines ausgewählten Feldes seltener Erkrankungen. Für die Zukunft wünschen sich die Gründer im Sinne einer optimalen Betreuung der betroffenen Patienten ein starkes Engagement der Politik und Verantwortlichen für den nachhaltigen und koordinierten Aufbau weiterer ausgewählter Zentren in Deutschland.

Fallbeispiel "Metachromatische Leukodystrophie (MLD)" des Zentrums für seltene neurologische Erkrankungen und Entwicklungsstörungen (ZSNE)

Bei einem 14-jährigen Mädchen wurde aufgrund chronischer Kopfschmerzen eine Bildgebung des Gehirns (Kernspintomographie) durchgeführt. Als Zufallsbefund ergaben sich Auffälligkeiten, die das Marklager des Großhirns betreffen und zu dem Verdacht auf eine Leukodystrophie führen. Der behandelnde Arzt reagierte rasch und initiierte eine biochemische Diagnostik, die eine sehr niedrige Enzymaktivität der Arylsulfatase A zeigte. Damit ergab sich der dringende Verdacht auf eine Metachromatische Leukodystrophie (MLD).

Diese Erkrankung kann unterschiedliche Verlaufsformen nehmen:

Im frühen Kindesalter beginnend führt sie in wenigen Jahren zu schwerster Behinderung und Tod,
im Schulkindalter beginnend führt sie zu langsamerer motorischer Verschlechterung,
im Erwachsenenalter beginnend stehen meist zuerst psychiatrische Symptome am Anfang der Erkrankung.

Therapeutisch steht bislang nur die Knochenmarkstransplantation als noch experimentelle Therapieform zur Verfügung: die Vorstellung ist, dass transplantierte Stammzellen unter anderem ins Gehirn wandern und sich dort zu Zellen differenzieren, die das fehlende Enzym produzieren. Die Therapie ist einschneidend und die Ergebnisse sind bislang sehr uneinheitlich.

Die Frage der Familie betraf
- die Absicherung der Diagnose und Prognose und
- die Beratung bezüglich Knochenmarkstransplantation (KMT).

Die Diagnose wurde durch Zusatzuntersuchungen bestätigt. Das Mädchen zeigte noch keinerlei Symptome der Erkrankung, es gab jedoch Hinweise, dass die peripheren Nerven (die bei der MLD typischerweise auch betroffen sind) schon langsamer leiten. In gemeinsamen Gesprächen der Familie mit Neuropädiatern, Erwachsenenneurologen und Kinderonkologen (die die KMT durchführen) wurde folgendes dargelegt:

Das Mädchen steht ganz am Anfang der Erkrankung, die sich über Jahre hinziehen, zum Verlust motorischer und geistiger Fähigkeiten führen und schlussendlich zum früheren Tod führen wird.
Nach Erfahrungen gemeinsamer Studien der Beratenden lässt das frühe Krankheitsstadium noch genügend Zeit für die Effekte der KMT, so dass eine Chance gesehen wird, die Erkrankung vor dem Auftreten behindernder Symptome zu stoppen.

Die Patientin wurde transplantiert, hat inzwischen einen Gymnasialabschluss, die Krankheit ist nicht ausgebrochen, die Gehirnveränderungen sind nicht fortschreitend.

Was ist die Rolle des ZSNE?

Die Erfahrung von mehreren Experten bündeln und den Patienten und ihren Familien zur Verfügung stellen; geeignete zusätzliche Experten (hier die Onkologen) einbeziehen.
Für die MLD wird gerade eine Enzymersatztherapie entwickelt, Mitglieder des ZSNE sind in diesen Prozess involviert und können Patienten zeitnah informieren.

Ansprechpartner für nähere Informationen:
Universitätsklinikum Tübingen
Zentrum für Seltene Erkrankungen (ZSE-Tübingen)
Calwerstr. 7, 72076 Tübingen
E-Mail info@zse-tuebingen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.zse-tuebingen.de/
Homepage des Zentrums für Seltene Erkrankungen

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image108045
Fallbeispiel Leukodystrophie: Veränderungen der Nervenleitungsbahnen im Gehirn zeigen sich im Kernspintomogramm als weiße Flächen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 22.01.2010

Raute

Katholische Stiftungsfachhochschule München - 21.01.2010

Menschenwürdige Pflege hat Zukunft

Festakt anlässlich der neuen Stiftungsprofessur "Gerontologische Pflege" der Josef und Luise-Kraft-Stiftung und des neuen Studiengangs "Pflege dual".

Die Katholische Stiftungsfachhochschule München (KSFH) hat am 20. Januar 2010 die neue Stiftungsprofessur "Gerontologische Pflege" und den neuen Studiengang "Pflege dual" mit mehr als 120 Gästen gefeiert. Grußworte sprachen Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer, Prälat Karl-Heinz Zerrle, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung "Katholische Bildungsstätten für Sozialberufe in Bayern" und Dr. Harald Mosler, Stiftungsvorstand der Josef und Luise Kraft-Stiftung.

Die neue Stiftungsprofessur wurde bereits zum 1. Oktober 2009 auf Initiative des Bayerischen Sozialministeriums an der KSFH ins Leben gerufen und von der Josef und Luise Kraft-Stiftung mit insgesamt 500.000 Euro und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit 50.000 Euro finanziert. Auf die Professur wurde Prof. Dr. Bernd Reuschenbach berufen.

Mit dem neuen ausbildungsintegrierenden Bacholerstudiengang "Pflege dual" haben Studentinnen und Studenten nun die Möglichkeit, ein akademisches Studium mit einer beruflichen Ausbildung in einem Pflegeberuf zu verknüpfen. Seit dem Wintersemester 2009/2010 bietet die KSFH im Bereich Sozial- und Gesundheitswesen zusammen mit Kooperationspartnern aus der Praxis den Studiengang "Pflege dual" erstmals an.

"Bei diesem Studiengang mit dem für Deutschland einzigartigen Profil 'Gerontologische Pflege' in einem ausbildungsintegrierenden Bachelorstudiengang wird besonders der alte und alternde Mensch in den Mittelpunkt gestellt", sagte Prof. Dr. Bernd Reuschenbach, der selbst eine Ausbildung zum Krankenpfleger abgeschlossen hat, auf dem Festakt. Der Studiengang "Plege dual" ermögliche eine den gestiegenen Ansprüchen angemessene Ausbildung und solle sogleich das Berufsfeld der Altenpflege attraktiver machen. "Wir wollen eine Akademisierung ans Bett", bekräftige Reuschenbach.

Laut dem Präsidenten der KSFH, Prof. Dr. Egon Endres, wird der Studiengang von den Studierenden bereits sehr gut aufgenommen. Mit 57 Plätzen seien bei weitem mehr Studienplätze vergeben worden als vorgesehen war. Die Nachfrage ist weiterhin sehr groß.

Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer sagte in Ihrem Grußwort: "Angesichts der demographischen Entwicklung und der immer komplexer werdenden Aufgaben und Anforderungen in der Pflege benötigen wir nicht nur mehr Pflegekräfte, sondern wir müssen sie auch in die Lage versetzen, diesen hoch anspruchsvollen Beruf souverän zu meistern. Wir brauchen allerdings keine abgehobenen Theoretiker am Pflegebett, sondern erfahrene Pflegeexperten, die Theorie und Praxis auf einen Nenner bringen." Im Vordergrund stehen immer der Mensch und das optimale Eingehen auf seine individuelle Situation als Pflegebedürftiger. Dass sich der Studiengang "Pflege dual" der KSFH genau daran orientiere, zeigten die Studienschwerpunkte "Gerontologische Pflege", "Palliativpflege" und die "Begleitung Sterbender". Haderthauer betonte: "Angesichts dieser Ausrichtung bin ich mir sicher, dass die Absolventinnen und Absolventen wesentlich dazu beitragen werden, eine würdevolle, wertschätzende und fachlich fundierte Pflege sicherzustellen und damit die Qualität der Pflege und vor allem auch die Attraktivität der Pflegeberufe zu verbessern."

Hintergrund:

Nach Berechnungen des statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit knapp 2 Millionen auf 3 Millionen im Jahr 2030 ansteigen. Noch werden etwa zwei Drittel der Pflegebedürftigen in der häuslichen Umgebung unter der Mithilfe von Angehörigen versorgt. Aber der Anteil an Senioren, die Kinder oder Enkel haben, wird sinken. Daher werden viele der Pflegebedürftigen zukünftig in Pflegeheimen versorgt werden. Altenpfleger und Gesundheits- und Krankenpfleger stellen schon heute die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen dar. Im Bereich der Altenpflege sind derzeit knapp 800 000 Menschen beschäftigt. Für das Jahr 2050 wird ein Mehrbedarf von knapp 500 000 Pflegefachkräften erwartet. Die Einrichtung von pflegewissenschaftlichen Studiengängen an Fachhochschulen und Universitäten trägt wesentlich dazu bei, dass die Pflege den veränderten Anforderungen besser gerecht wird und die Professionalität des Berufsfeldes weiter steigt. Zugleich verbessert sich auch das Image der Pflege. (Quelle: Prof. Dr. Bernd Reuschenbach)

Die Katholische Stiftungsfachhochschule München ist eine national und international hoch angesehene Hochschule für Sozial-, Pflege- und pädagogische Berufe in konfessioneller Trägerschaft.Sie bietet ihren etwa 1900 Studentinnen und Studenten an den beiden Standorten Benediktbeuern und München eine intensive und professionelle Betreuung. Neben den Bachelorstudiengängen Soziale Arbeit, Pflegemanagement, Pflegepädagogik, Pflege dual und Bildung & Erziehung im Kindesalter bietet die Katholische Stiftungsfachhochschule München auch Masterstudiengänge und vielfältige Fortbildungsveranstaltungen an. Ein wissenschaftliches und zugleich praxisorientiertes Studium sowie das christliche Menschenbild begründen den besonderen Auftrag der Hochschule.

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.ksfh.de/presse/pressemitteilungen/anzid/683/
  Pressemeldung und Bild zum Download
- http://www.ksfh.de
  Informationen über die Hochschule

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution294

Quelle: Katholische Stiftungsfachhochschule München, Lisa Zeidler, 21.01.2010

Raute

Wilhelm Sander-Stiftung - 22.01.2010

Schutz vor Hepatitis C mit den richtigen Genen

Weltweit sind etwa 130 Millionen Menschen mit dem Hepatitis C Virus (HCV) infiziert. Etwa 27% der Leberzirrhosen und 25% der Leberkrebse sind auf Infektionen mit diesem Virus zurückzuführen. Damit stellt die HCV-assoziierte Leberzirrhose in vielen Ländern einschließlich Deutschland die häufigste Indikation zur Lebertransplantation dar. Ein effektiver Impfstoff gegen HCV steht nicht zur Verfügung.

Bei der Erhebung exakter Daten zur Epidemiologie und dem natürlichen Verlauf der HCV-Infektion ergeben sich allerdings erhebliche Schwierigkeiten, da in der akuten Phase das klassische Bild einer Hepatitis mit Gelbsucht und deutlicher Erhöhung der Leberwerte häufig fehlt. Daher ist die Diagnose der akuten HCV-Infektion sehr selten und wird bei asymptomatischen Patienten lediglich im Rahmen von Nachbeobachtungen bei Verdacht auf Exposition zu HCV (z.B. nach Nadelstichverletzung) gestellt. Der klinische Verlauf in der akuten Phase scheint für den späteren Ausgang der HCV Infektion von großer Bedeutung zu sein. Untersuchungen zeigen, dass Patienten mit einem asymptomatischen Verlauf in der akuten HCV Infektion eher eine chronische Erkrankung entwickeln. Im Gegensatz dazu scheinen Patienten mit einem symptomatischen Verlauf eine Disposition zur spontanen Ausheilung der Infektion zu haben. Die Ursachen für den unterschiedlichen Ausgang der akuten HCV-Infektion - komplette Ausheilung oder chronische Hepatitis C - sind nicht hinreichend geklärt. Für verschiedene Komponenten der adaptiven Immunantwort konnte eine Rolle für den Ausgang der Infektion gezeigt werden. Es wird angenommen, dass die adaptive Immunantwort durch zytotoxische T-Zellen ursächlich für den Leberschaden in der akuten Infektion ist. Diese Immunantwort scheint gleichzeitig - zumindest bei einem Teil der Patienten - zu einer Ausheilung der Infektion zu führen.

In dem hier geplanten Projekt soll die Virus-Wirt-Interaktion in Patienten mit ungünstigem Verlauf der HCV-Infektion (chronische Hepatitis) und mit günstigem Verlauf (spontane Ausheilung) untersucht und verglichen werden. Die Komplexität der möglichen Interaktionen zwischen Virus und Wirt im Rahmen einer HCV-Infektion erfordert, dass weitgehend kontrollierte Bedingungen für Untersuchungen geschaffen werden. Gleichzeitig ist es notwendig, diese Untersuchungen an relativ großen Patientenkollektiven durchzuführen, um den Einfluss störender Faktoren auf das Gesamtbild zu minimieren.

Da es kein geeignetes Modell für die HCV Infektion gibt, stellen HCV-Ausbrüche mit einem identischen Virusisolat besonders wertvolle Kohorten für die Untersuchung von Virus-Wirt Interaktionen dar. In den Jahren 1978/79 wurden im Rahmen einer Anti-D-Rhesus-Prophylaxe 2867 Frauen in Ostdeutschland durch eine kontaminierte Impfcharge mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Diese Patientengruppe stellt damit ein einzigartiges Kollektiv dar. Da der Infektionszeitpunkt und die Virussequenz der Infektionsquelle bekannt sind, können der natürliche Infektionsverlauf untersucht und verglichen werden. Der natürliche Verlauf der Infektion wurde bereits nach 20 und 25 Jahren untersucht. Dabei zeigt sich, dass 50% der Frauen, denen ein mit HCV verseuchtes Immunglobulin-Präparat verabreicht wurde, eine chronische Infektion mit HCV entwickelt haben. Damit bietet diese "Anti-D Kohorte" ideale Voraussetzungen für die Untersuchung des Einflusses von Virus- und Wirtsfaktoren für den natürlichen Verlauf der Erkrankung. In dem hier geplanten Projekt soll die Virus-Wirt-Interaktion in Patienten mit ungünstigem Verlauf der HCV-Infektion (chronische Hepatitis) und mit günstigem Verlauf (spontane Ausheilung) untersucht und verglichen werden.

Bei der Untersuchung von Wirtsfaktoren, die für den natürlichen Verlauf eine Bedeutung haben können, sind Faktoren, durch die die antivirale Immunantwort beeinflusst wird, von besonderem Interesse. Dazu gehört z.B. der HLA-Genotyp, der darüber entscheidet, welche Bereiche aus dem Virusprotein an der Zelloberfläche den immunkompetenten Zellen wie z.B. T-Zellen präsentiert werden können. Neben dem HLA-Genotyp finden sich weitere wirts-genetische Faktoren, die den Verlauf der HCV-Infektion beeinflussen. Eine wichtige Rolle kommt diesbezüglich möglicherweise Polymorphismen im Zytokin/Zytokin-Rezeptor-System zu. Zytokine umfassen eine heterogene Gruppe multifunktionaler Proteine (Chemokine, Interleukine, Interferone und Mitglieder der Tumor Nekrose Faktor-Familie), die eine zentrale Bedeutung in der Initiierung und Regulation von Immunantworten besitzen. Auf der Seite des Virus ist die Proteinsequenz von entscheidender Bedeutung für die Immunantwort. HCV kann z.B. dem Immunsystem entkommen, indem Mutationen in wichtigen Zielbereichen der Immunantwort selektiert werden, die letztlich dazu führen, dass das Virus nicht mehr erkannt wird.

Ziel dieses Projekts ist es, wirts-genetische Faktoren zu identifizieren, die mit einem günstigen Verlauf der HCV-Infektion assoziiert sind und die immunologischen Grundlagen für eine erfolgreiche Abwehr der Infektion zu charakterisieren. Für die erfolgreiche Entwicklung von prophylaktischen oder therapeutischen Immunisierungen gegen HCV ist die Charakterisierung von wichtigen Zielen der Immunantwort und modulierenden Faktoren von entscheidender Bedeutung. Die Ostdeutsche Anti-D Kohorte bietet die einmalige Möglichkeit, diese Untersuchungen unter weitgehend standardisierten Bedingungen durchzuführen.

Kontakt:
Dr. Jörg Timm
Institut für Virologie, Universitätsklinik Essen

Prof. Dr. Jacob Nattermann
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Bonn
Mail: joerg.timm@uni-due.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 80.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Bernhard Knappe, 22.01.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2010