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MELDUNG/248: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 02.12.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Forschungsprojekt CARDIO-PREVENT
      Aktuelle Forschung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen
→  Menschliche Zellen statt Tierexperimente
→  Enzymen bei der Arbeit zusehen mit NMR-Spektroskopie

Raute

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 30.11.2010

CARDIO-PREVENT - Greifswalder Spitzenforschung zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Mit dem Forschungsprojekt CARDIO-PREVENT werden die Universität und das Universitätsklinikum Greifswald ihre Kompetenz in das zukünftigen Deutsche Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) einbringen. Greifswald wurde in einem Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) von einer internationalen Expertenjury als einer von sieben Partnerstandorten ausgewählt.

In der Endausbaustufe wird das gesamte DZHK mit über 40 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Das Zentrum für Herz-Kreislaufforschung soll die leistungsfähigsten deutschen Einrichtungen für langfristige naturwissenschaftliche und klinische Forschung zusammenführen, um Ergebnisse der Grundlagenforschung rasch in die Prävention, Diagnose und Therapie zu überführen.

Das Greifswalder Projekt CARDIO-PREVENT (Cardiovascular Event Prevention Research Centre Greifswald) zielt auf die Verhinderung von Herz-Kreislauferkrankungen. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes soll untersucht werden, wie sich Änderungen der Lebensgewohnheiten, wie zum Beispiel Ernährung und körperliche Aktivität, in der Normalbevölkerung und bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit und Herzmuskelschwäche auswirken. Dabei kann auf die langjährige Expertise in der Community Medicine, in der SHIP-Studie und im Gani_Med-Projekt zurückgegriffen werden.

"Aus Untersuchungen wie der SHIP-Studie wissen wir, dass es in Bevölkerung Vorpommerns ein hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen gibt. Solche Risikofaktoren sind unter anderem Bluthochdruck und Übergewicht. Es ist belegt, dass die Region bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zum Beispiel bei Herzinfarkt eine Spitzenposition einnimmt. Vorpommern eignet sich daher besonders für Präventionsstudien. Ziel des Projektes ist es, die Krankheitshäufigkeit dieser Risikofaktoren zu senken und die Entwicklung von Herz-Kreislauferkrankungen zu verhindern", so Prof. Dr. Stephan Felix.

Durch Bevölkerungsstudien wie SHIP, GANI_MED und EARLINT wurde in Greifswald bereits eine hervorragende Basis für das Forschungsvorhaben geschaffen. Mit CARDIO-PREVENT sollen neue Methoden zur Vermeidung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickelt und überprüft werden, die die individuelle Situation des Patienten berücksichtigt. Ziel ist es, die Entwicklung von Organschäden zu verhindern, eine Rückbildung von bereits entstandenen Organschäden zu erreichen und die Zahl klinischer Ereignisse zu reduzieren.

Im Rahmen des Forschungsprojektes werden eine Bevölkerungsstudie und eine Patientenstudie durchgeführt. Die erste Studie wird bei einer Kohorte von Frauen und Männern durchgeführt, die noch nicht an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden aber Träger von Risikofaktoren sind. In die zweite Studie werden Patienten eingeschlossen, die zum Beispiel bereits einen Herzinfarkt hatten oder an einer Herzmuskelschwäche leiden.

Für CARDIO-PREVENT werden umfangreiche Daten erhoben. So werden unter anderem ein Herz-MRT und Ultraschalluntersuchungen von Herz und Gefäßen durchgeführt. Es wird eine Biobank für Proben aus Vollblut, Blutplasma, Speichel und Urin eingerichtet. Die Proben werden mit modernen molekularbiologischen Methoden umfassend charakterisiert. Zusätzlich wird ein Register für Herz-Keislauf-Erkrankungen angelegt. Im nächsten Schritt soll eine Änderung des Lebensstils erreicht werden. Im Fokus stehen Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchen und Alkoholgenuss. Die Teilnehmer der Untersuchungen sollen dabei zu einer Änderung ihrer Lebensweise motiviert und im weiteren Verlauf überwacht werden.

Die Universität Greifswald und das Universitätsklinikum Greifswald haben sich gemeinsam an einem Wettbewerb das BMBF beteiligt. In diesem Wettbewerb waren insgesamt vier Themen in der Gesundheitsforschung ausgeschrieben. Die Bundesregierung möchte die rasch zunehmenden Volkskrankheiten wirksamer bekämpfen können. Dem soll der Aufbau Deutscher Zentren der Gesundheitsforschung, in der außeruniversitäre und universitäre Forschungseinrichtungen als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten, dienen. Greifswald hat sich als Standort für das ausgeschriebene Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) beworben. Das DZHK hat zum Ziel, die kardiovaskuläre Forschung der ausgewählten Exzellenzzentren zu vernetzen.

Folgende Einrichtungen der Medizinischen Fakultät, haben beim BMBF einen Antrag für das DZHK gestellt: Die Klinik für Innere Medizin B, Kardiologie (Sprecher des Greifswalder Verbundes: Prof. Stephan. Felix), das Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin (stellvertretender Sprecher: Prof. Ulrich John), das Institut für Community Medicine (Prof. Henry Völzke [Abteilung SHIP/KEF]; Prof. Wolfgang Hoffmann [Abteilung Versorgungsepidemiologie]), das Interfakultäre Institut für Genetik und Funktionelle Genomforschung (Prof. Uwe Völker), das Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (Prof. M. Nauck).

Ansprechpartner an der Universität Greifswald
Prof. Dr. Stephan Felix
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B
Friedrich-Loeffler-Straße 23a, 17475 Greifswald
InnereB@uni-greifswald.de

Prof.Dr. Ulrich John
Leitung, Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin
Rathenaustr. 48, 17475 Greifswald
ujohn@uni-greifswald.de

Prof.Dr. Henry Völzke
Abteilung SHIP/KEF
Institut für Community Medicine
Rathenaustr. 48, 17475 Greifswald
voelzke@uni-greifswald.de

Prof.Dr. Wolfgang Hoffmann
Institut für Community Medicine
Ellernholzstr. 1-2, 17487 Greifswald
wolfgang.hoffmann@uni-greifswald.de

Prof.Dr. Uwe Völker
Abteilung Funktionelle Genomforschung
Interfakultäres Institut für Genetik und Funktionelle Genomforschung
F.-L.-Jahn-Str. 15a, 17489 Greifswald
voelker@uni-greifswald.de

Prof.Dr. Matthias Nauck
Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin
Sauerbruchstr., 17475 Greifswald
matthias.nauck@uni-greifswald.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.medizin.uni-greifswald.de/inn_b/
(Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B)
http://www.medizin.uni-greifswald.de/epidem/forschung/intervention/earlint.html
(EARLINT)
http://www.medizin.uni-greifswald.de/cm/fv/ship.html
(SHIP)
http:///www.medizin.uni-greifswald.de/forschung/gani_med/projekt.html
(GANI_MED)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution65

Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Jan Meßerschmidt, 30.11.2010

Raute

Universität Konstanz - 01.12.2010

Menschliche Zellen statt Tierexperimente

Forschungspreis für Konstanzer Biologen

Prof. Dr. Marcel Leist wurde der Forschungspreis "Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch" 2010 zugesprochen. Der Inhaber der Professur für In-vitro-Toxikologie und Biomedizin und Direktor des Zentrums für Alternativmethoden zum Tierversuchersatz in Europa (CAAT-EU) an der Universität Konstanz erhielt die Auszeichnung für ein auf menschlichen Zellen beruhendes Modell, das Tierversuche und Organentnahmen in der biomedizinischen Forschung reduzieren, ergänzen und ersetzen kann. Den mit 25.000 Euro dotierten Forschungspreis, der in Stuttgart von Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch verliehen wurde, teilt er sich mit Dr. Elisabeth Schültke vom Universitätsklinikum Freiburg.

Mehr als 50 Prozent aller Tierversuche werden in der biomedizinischen Forschung durchgeführt, und da wiederum nehmen die neurodegenerativen Krankheiten großen Raum ein. Die Arbeit von Marcel Leist überträgt ein sehr häufig im Tierversuch verwendetes Modell der Parkinsonschen Krankheit, also solch einer neurodegenerativen Krankheit, auf menschliche Nervenzellen und demonstriert deren breite Einsetzbarkeit. Leist konnte zeigen, dass mit seiner Methode nicht nur die selben Ergebnisse wie im Tiermodell erhalten wurden, sondern auch Untersuchungen zu Degenerationsmechanismen der Parkinsonschen Krankheit durchgeführt werden konnten, die im Tier nicht möglich sind. Das Ziel seiner diesbezüglichen Forschung ist die Einführung eines In-vitro-Systems der Neurodegeneration, also die direkte Untersuchung von Krankheits- und Vergiftungsmechanismen im Reagenzglas, unter Benutzung menschlicher Zellen an Stelle von Ratten.
Die nun ausgezeichnete Methode wurde in viele Labors verbreitet und ersetzt bereits in der Industrie Tierversuche.

Marcel Leist wurde an der Universität Konstanz promoviert und habilitierte sich auch dort. Schwerpunkt seiner Forschung ist die Entwicklung menschlicher zellulärer Testsysteme zur Vermeidung von Tierversuchen. Bevor er im Jahr 2006 den Ruf an die Universität Konstanz annahm, war Leist leitender Mitarbeiter einer dänischen Pharmafirma. Dort koordinierte er Forschungsprojekte im Bereich Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose.

Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
E-Mail: kum@uni-konstanz.de

Prof. Dr. Marcel Leist
Universität Konstanz
Fachbereich Biologie
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
E-Mail: marcel.leist@uni-konstanz.de

http://www.uni-konstanz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1282

Quelle: Universität Konstanz, Julia Wandt, 01.12.2010

Raute

Forschungsverbund Berlin e.V. - 01.12.2010

Enzymen bei der Arbeit zusehen mit NMR-Spektroskopie

Proteine sind in unserem Körper fortwährenden Veränderungen unterworfen. Diese Modifikationen sind sehr komplex und steuern viele Vorgänge im Organismus. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben jetzt eine Methode entwickelt, mit der sie erstmals chemisch unterschiedliche Proteinmodifikationen verfolgen können, ohne dabei das Protein zerstören zu müssen. Sie verwenden dafür die hochauflösende NMR-Spektroskopie.

Hat ein Protein das Licht der Zelle erblickt, wird es im Laufe seiner Existenz noch in vielfältiger Weise verändert. Solche Veränderungen nennen Wissenschaftler posttranslational, also der Synthese nachfolgend. Die Zelle besitzt dazu eine breite Palette an "Enzymwerkzeugen". Sie kann damit chemische Modifizierungen an Aminosäuren der Proteine vornehmen und diese auch wieder rückgängig machen. Daraus ergibt sich ein dynamisches Muster an chemischen Variationen, die unterschiedliche Prozesse in der Zelle steuern. Solche Modifikationen spielen beispielsweise eine Rolle in zahlreichen Krankheitsgeschehen, etwa bei der Krebsentstehung.

Insbesondere jene Proteine, die das "Verpackungsmaterial" der genetischen Information DNA bilden, unterliegen einer Reihe von unterschiedlichen posttranslationalen Modifikationen. Diese haben für das An- und Ausschalten von Genen eine wesentliche Bedeutung. Dieser Wissenschaftszweig wird als Epigentik bezeichnet - eine Art der Regulierung der Genexpression, die der genetischen Information übergeordnet ist.

Die Forscher Philipp Selenko und Dirk Schwarzer vom Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) haben jetzt eine Methode entwickelt, mit der sie bestimmten Enzymen praktisch bei der Arbeit zusehen können. Sie verwenden dafür die hochauflösende NMR-Spektroskopie. Als Studienobjekt wählten sie einen der Grundbausteine der DNA-Verpackung, das Histonprotein H3. Histone sind Proteine, welche die primäre strukturelle Einheit des Nucleosomes bilden. Um tausende solcher Nucleosome wickelt sich die DNA, damit sie in den Zellkern passt. Histone besitzen relativ lange, unstrukturierte Proteinbereiche an ihren Enden, die sogenannten "Histone tails". Die Veränderungen an den Histone tails steuern ähnlich einem Code die Expression unterschiedlicher Gene. Das Anknüpfen von Phosphat- und Acetylgruppen (Phosphorylierung und Acetylierung) spielt dabei eine besondere Rolle: So werden Gene besonders aktiv abgelesen, die sich in acetylierten Histonbereichen befinden, während nicht acetylierte Bereiche meist geringe Ableseraten vorweisen. Enzyme, die den Acetylierungsstatus von Histonproteinen beeinflussen, sind also entscheidend für die Regulierung der Genaktivität.

Bislang konnten Wissenschaftler Acetylierungsmuster und andere posttranslationale Modifikationen nur mittels aufwändiger Analyseverfahren bestimmen. Sie beinhalteten meist mehrere Schritte und gingen mit der der Zerstörung der Probe einher. Insbesondere Einblicke in den zeitlichen Ablauf, mit welchem unterschiedliche Modifizierungsmuster schrittweise etabliert werden, waren nur mit mehreren Probenansätzen möglich.

Durch die NMR Spektroskopie hingegen werden Proteine, selbst während sie modifiziert werden, nicht gestört. Die biochemischen Reaktionen lassen sich direkt im NMR-Messröhrchen durchführen, während der eigentlichen NMR Messungen. Die Forscher können auf diese Weise genau definierte enzymatische Reaktionen in vitro untersuchen, aber auch zelluläre Modifikationsreaktionen studieren, welche in Lysaten (aufgeschlossenen Zellen) oder intakten Zellen ablaufen. "Wir konnten dies bereits früher für Phosphorylierungsreaktionen tun", so Selenko, "in unserer neuen Arbeit schauen wir nun zellulären Phosphorylierungs- und Acetylierungsreaktionen gleichzeitig zu."

Ziel von Selenko und seinen Kollegen ist es, sämtliche posttranslationale Modifizierungen mittels NMR verfolgen zu können. Die Forscher sind dabei zuversichtlich, dass ihre Methode als Standard in die Labors der Lebenswissenschaftler Einzug halten wird.

Kontakt:
Dr. Philipp Selenko
Leibniz-Institut für Molekuare Pharmakologie
selenko@fmp-berlin.de

Originalarbeit:
J. Am. Chem. Soc., 2010, 132 (42), pp 14704-14705

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image130536
Histonproteine (hellgrau, dunkelgrau, rot) mit drum herum gewickelter DNA (gelb). Wenn die Enden des Histonproteins H3 (rot) acetyliert sind, weist die DNA eine geringere Ableserate auf.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution245

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V., Christine Vollgraf, 01.12.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2010