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MELDUNG/576: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 20.07.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Erforschung der Zellmembran - Zwischenprodukt mit wichtiger Funktion
→  Neue Nierenerkrankung entdeckt
→  Marie-Curie-Netzwerk: Knochen und Immunsystem im Dialog
→  Mikrobiom-Analyse validiert



Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 19.07.2012

Zwischenprodukt mit wichtiger Funktion

Forscher der Universität Cambridge (Großbritannien) und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nachgewiesen, dass das Membranlipid PI4P bei der Regulation der Innenseite der Zellmembran eine deutlich größere Rolle spielt als bislang angenommen. Die Ergebnisse haben die Forscher jetzt im Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht.

Die Hülle aller Zellen des Körpers, die sogenannte Zellmembran, trennt das Zellinnere von ihrer Umgebung. Sie kontrolliert den Austausch von Substanzen über Signalwege und damit die Zusammensetzung im Zellinneren. Diese Signalwege werden beispielsweise benutzt, um die Kontraktionskraft des Herzmuskels oder die Freisetzung von Insulin zu steuern.

In der Zellmembran finden sich negativ geladene Komponenten, wie Phosphatidylinositol-4,5-Bisphosphat [PI(4,5)P2], das eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung extrazellulärer Signale in die Zelle spielt. Bei der Herstellung von PI(4,5)P2 entsteht auch PI4P - ein Membranlipid, dem bislang nur der Status eines Zwischenproduktes eingeräumt wurde.

Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Robin Irvine von der University of Cambridge (Großbritannien) konnte in Experimenten erstmals einen klaren Unterschied in der Funktion dieser beiden Substanzen nachweisen: Es ließen sich Bindungspartner finden, die vorwiegend mit einem der beiden Membranlipide reagieren. Zudem zeigte sich, dass die Herstellung von PI(4,5)P2 weniger von PI4P abhängt als bisher angenommen. Zugleich ergaben sich Hinweise darauf, dass das PI4P die Funktion des PI(4,5)P2 zumindest teilweise übernehmen kann.

Zu den von Dr. Gerald Hammond durchgeführten Experimenten konnte der Erlanger Forscher Dr. Michael Fischer einen wichtigen Puzzlestein beisteuern: Einige Ionenkanäle in der Zellmembran, die unter anderem der Übertragung von Schmerz- und Temperaturreizen dienen, benötigen PI(4,5)P2 und PI4P für ihre ordnungsgemäße Funktion. Überraschend ist, dass die Membranlipide hierbei unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. "Insgesamt erscheinen beide Substanzen in ihrer Regulationsfunktion deutlich unabhängiger als bisher angenommen", erklärt Michael Fischer.

Eine selektive Beeinflussung dieser Substanzen und die Entwicklung entsprechender Medikamente sind nach gegenwärtigen Erkenntnissen prinzipiell möglich. Da jedoch sehr viele Körperfunktionen von PI(4,5)P2 und PI4P gesteuert werden, sind weitere Forschungsprojekte nötig, um in Zukunft praktische Einsatzmöglichkeiten zu finden. Die Ergebnisse wurden im international renommierten Wissenschaftsmagazin Science (DOI: 10.1126/science.1222483) veröffentlicht.

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit 33.500 Studierenden, 630 Professuren und rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Und sie ist, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise beim aktuellen Forschungsranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 8 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster "Engineering of Advanced Materials" (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule "School of Advanced Optical Technologies" (SAOT) werden an der FAU derzeit 31 koordinierte Programme von der DFG gefördert.

Die Friedrich-Alexander-Universität
bietet insgesamt 160 Studiengänge an, darunter sieben Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 30 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in 62 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution18

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Heiner Stix, 19.07.2012

Raute

Universitätsklinikum Freiburg - 19.07.2012

Neue Nierenerkrankung entdeckt

Freiburger Nephrologen an der Identifizierung des verursachenden Gendefekts beteiligt

Das Team von Prof. Dr. Tobias Huber, Geschäftsführender Oberarzt der Nephrologischen Abteilung am Universitätsklinikum Freiburg, hat gemeinsam mit dem Nephropathologen Dr. Thorsten Wiech und dessen Mitarbeitern vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine neue Nierenerkrankung identifiziert. Die Freiburger Wissenschaftler gehören zur Gruppe um Prof. Dr. Friedhelm Hildebrandt, einem ehemaligen Freiburger Kinderarzt, der seit einigen Jahren an der University Michigan (Ann Arbor/USA) tätig ist. Die Ergebnisse wurden in der letzten Ausgabe des renommierten Journals "Nature Genetics" veröffentlicht.

Prof. Huber und seinem Team fiel auf, dass ein Patient in Freiburg, der an einer schweren Nierenfunktionsstörung litt, besonders große Zellkerne in einer Nierenprobe aufwies. Patienten mit ähnlichen Veränderungen wurden von der amerikanischen Arbeitsgruppe gesammelt. Die genetische Analyse führte schließlich zu dem verursachenden Gendefekt, einer Mutation im FAN1-Gen. Mit der genetischen Charakterisierung besteht die Hoffnung, für diese und ähnliche Erkrankungen neue Therapien zu entwickeln.

FAN1 mutations cause karyomegalic interstitial nephritis, linking chronic kidney failure to defective DNA damage repair.
Nature Genetics (2012)
doi:10.1038/ng.2347

Kontakt:
Prof. Dr. Tobias Huber
Geschäftsführender Oberarzt der Abteilung für Nephrologie
E-Mail: tobias.huber@uniklinik-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.2347.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1401

Quelle: Universitätsklinikum Freiburg, Doreen Winkler, 19.07.2012

Raute

Universitätsklinikum Jena - 19.07.2012

Marie-Curie-Netzwerk - Knochen und Immunsystem im Dialog

Im jetzt gestarteten europaweiten Marie-Curie-Netzwerk "Osteoimmune" werden 14 Nachwuchswissenschaftler das Zusammenspiel von Knochen und Immunsystem untersuchen. Neben ihren Forschungsprojekten auf dem relativ jungen Gebiet der Osteoimmunologie, in denen sie Krankheitsmechanismen z. B. der rheumatoiden Arthritis oder von Morbus Bechterew aufklären wollen, steht die interdisziplinäre Ausbildung im Vordergrund. Das am Universitätsklinikum Jena koordinierte Projekt vereint acht universitäre Institute und Kliniken sowie drei Biotechnologie-Firmen aus sieben europäischen Ländern und wird vier Jahre lang von der EU mit insgesamt 3,2 Millionen Euro unterstützt.

Auf etwa ein Prozent wird der Anteil an der Weltbevölkerung geschätzt, der an rheumatoider Arthritis, kurz Rheuma, leidet. Ursache dieser äußerst schmerzhaften, chronisch und in Schüben verlaufenden Gelenkentzündung, die Knorpel und Knochensubstanz schädigt, ist eine Autoimmunreaktion. Die aktuell verfügbaren Therapien können den Krankheitsverlauf mildern. Sie erfordern allerdings lebenslange Anwendung, haben teilweise erhebliche Nebenwirkungen, sind teuer und eine Heilung ist noch nicht möglich. "Das Zusammenspiel von Immunsystem mit Knochen und Knorpelzellen gehorcht aber nicht einer einspurigen Befehlskette, sondern ist ein Dialog", so Prof. Thomas Kamradt. Als Beispiel nennt der Direktor des Instituts für Immunologie am Jenaer Uniklinikum das Knochenmark, in dem die weißen Blutkörperchen gebildet werden und wohin sich die Immun-Gedächtniszellen nach einem Entzündungsschub zurückziehen.

Dieser Dialog zwischen Immunsystem und Knochen ist der Forschungsgegenstand eines europaweiten Doktorandennetzwerkes, das der Jenaer Immunologe koordiniert. Das von der europäischen Kommission mit 3,2 Millionen Euro unterstützte Marie-Curie-Netzwerk "Osteoimmune" vereint Wissenschaftler und Ärzte von acht universitären Instituten und Kliniken sowie drei Biotechnologie-Firmen aus sieben Ländern. An diesen führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Osteoimmunologie werden in den kommenden vier Jahren insgesamt 14 Nachwuchswissenschafter ausgebildet.

Ziel sind neue therapeutische Angriffspunkte

Im Herbst und Anfang des nächsten Jahres werden zwei Doktoranden ihre Arbeit in Jena beginnen. Sie werden untersuchen, welche Rolle Bindegewebszellen im Gelenk bei der Entstehung und beim Abklingen der Arthritis spielen und ob sich diese Spieler im Krankheitsgeschehen beeinflussen lassen. "Bei Mäusen können wir den Verlauf der Arthritis entscheidend beeinflussen, in dem wir schon vor der Erkrankung die Lymphozyten vermindern, die die Immunreaktion regulieren", beschreibt Thomas Kamradt ein früheres Ergebnis. "Die Bindegewebszellen der Gelenkhaut unterscheiden sich stark, je nachdem, ob die Entzündung akut, abklingend oder chronisch verläuft. Wir haben erste Anhaltspunkte dafür, dass sie ihrerseits die Zellen des Immunsystems beeinflussen. Dies könnte ganz neue therapeutische Möglichkeiten eröffnen."

Diese Unterschiede wollen die Wissenschaftler auf der molekularen Ebene kartieren und die Gene oder regulatorischen Elemente identifizieren, deren veränderte Aktivität die Unterschiede verursacht. "Die bisher verfügbaren Therapien sind praktisch ausschließlich auf die Beeinflussung der Entzündungszellen gerichtet. Unser Ziel sind neue therapeutische Angriffspunkte zur Beeinflussung der Bindegewebszellen", so Kamradt. Die Forschungsprojekte der anderen Partner untersuchen zum Beispiel die genetische Regulation des Knochenabbaus, Signalprozesse von Entzündung und Knochenabbau bei Arthritis und die Modulation des Knochenumbaus bei Morbus Bechterew.

Nachwuchsforscher für die Osteoimmunologie

Ein wichtiger Aspekt des Netzwerkes ist die interdisziplinäre Ausbildung. Deswegen wird jeder Doktorand mehrfach zu Gast in Partnerlaboren sein, sowohl bei den akademischen als auch den Industriepartnern. Neben der Einbindung in Graduiertenprogramme an den Heimatuniversitäten organisiert das Netzwerk drei Frühlingsschulen, in denen fachliche Aspekte und Arbeitstechniken, aber auch administrative Fertigkeiten vermittelt werden. "In unserem Netzwerk werden wir die Nachwuchsforscher begeistern und sie befähigen, das junge Gebiet der Osteoimmunologie voranzubringen", so Professor Kamradt.

Kontakt:

Prof. Dr. Thomas Kamradt
Institut für Immunologie
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: immunologie[at]mti.uni-jena.de

Katharina Glasser
Koordination "OSTEOIMMUNE"
E-Mail: Katharina Glasser[at]mti.uni-jena.de

Die 11 Partner-Institutionen im OSTEOIMMUNE Programm:

  • Institut für Immunologie, Universitätsklinikum Jena, Deutschland
  • Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), Deutschland
  • Medizinische Klinik 3, Universitätsklinikum Erlangen, Deutschland
  • Karolinska Institut, Stockholm, Schweden
  • Universität Zürich, Schweiz
  • Universität Glasgow, Großbritanien
  • Biomedical Sciences Research Center Alexander Fleming, Vari, Griechenland
  • Radboud University Nijmegen, Niederlande
  • Draconispharma S.L., Barcelona, Spanien
  • Novimmune SA, Geneva, Schweiz
  • MD Biosciences, Glasgow, Großbritanien

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1461

Quelle: Universitätsklinikum Jena, Dr. Uta von der Gönna, 19.07.2012

Raute

Helmholtz Zentrum München, Pressemitteilung - 19.07.2012

Mikrobiom-Analyse validiert

Neuherberg, 19.06.2012. Pyrosequenzierung mikrobieller Genfragmente (das sog. "Pyrotag-Sequencing"*) ist eine Methode mit großem Reiz für die Wissenschaft: Mit ihrer Hilfe lässt sich die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften detailliert analysieren. Forscher des Helmholtz Zentrums München haben jetzt nachgewiesen: Die Pyrotag-Sequenzierung* liefert reproduzierbare und semi-quantitative Ergebnisse. Das berichten die Wissenschaftler im renommierten Fachjournal PLoS ONE. Damit kann die Technik nun wesentlich belastbarer zur Bestimmung von mikrobiellen Besiedlungsmustern in Umwelt- und Humanproben eingesetzt werden.

Jede mikrobielle Lebensgemeinschaft hat einen eigenen DNA-Fingerabdruck - man muss ihn nur messbar und vergleichbar machen. Dr. Tillmann Lüders und Dr. Giovanni Pilloni vom Institut für Grundwasserökologie haben die noch junge Hochdurchsatz-Technologie Pyrotag-Sequenzierung* nun gemeinsam mit Kollegen aus dem eigenen Institut und der Abteilung für Umweltgenomik des Helmholtz Zentrums München validiert. Die Methode wird zwar weltweit in der Mikrobiom-Forschung eingesetzt, ist aber bisher nicht systematisch auf ihre Leistungsfähigkeit hin überprüft worden.

Mit der Pyrotag-Sequenzierung können viele Proben gleichzeitig und sehr detailliert auf Diversität und Zusammensetzung mikrobieller Lebensgemeinschaften untersucht werden. Das funktioniert zuverlässig, zeigen die Forscher anhand bakterieller 16S rRNA Gene* aus Grundwasserproben. "Unsere Ergebnisse zeigen eine erstaunliche Reproduzierbarkeit und bestimmen die Häufigkeit verschiedener Mikrobenarten überaus zuverlässig," so Lüders. Die Wissenschaftler werden die Methode künftig vielfältig zum Einsatz bringen, unter anderem in Kooperation mit den anderen Instituten im neu gegründeten Department for Environmental Sciences des Helmholtz Zentrums München.

Original-Publikation:
Pilloni G. et al.
Testing the limits of 454 pyrotag sequencing: reproducibility, quantitative assessment and comparison to T-RFLP fingerprinting of aquifer microbes.
PLoS ONE 7(7): e40467.
doi:10.1371/journal.pone.0040467

Link zur Fachpublikation
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0040467

Das Helmholtz Zentrum München
verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 31.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de

Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ingolstädter Landstr. 1
85764 Neuherberg
www.helmholtz-muenchen.de

Hintergrund:

* Pyrotag-Sequenzierung: Die Methode gehört zum "Next Generation Sequencing". Dabei ist es möglich, große Mengen unterschiedlicher DNA-Fragmente gleichzeitig über Biolumineszenz zu sequenzieren.

* 16S rRNA: Die ribosomalen Nukleinsäuren sind ein Teil der bakteriellen Ribosomen, die aus Geninformationen die passenden Proteine zusammenbauen. Sie werden sequenziert, um Bakterienarten eindeutig zu identifizieren und voneinander zu unterscheiden.

Quelle: Helmholtz Zentrum München, Pressemitteilung - 19.07.2012

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2012