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MELDUNG/659: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 25.02.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Neue Einsichten in das Signalnetzwerk des lebenswichtigen Proteins mTOR
→  Magdeburger Immunologen lüften ein lange gehütetes Geheimnis der Immunzellaktivierung



Universität Basel - 22.02.2013

Neue Einsichten in das Signalnetzwerk des lebenswichtigen Proteins mTOR

Zahlreiche Erkrankungen sind auf Fehlfunktionen des Signalnetzwerks des Proteins mTOR zurückzuführen. Genaue Kenntnisse über die einzelnen Akteure dieses Netzwerks könnten daher neue therapeutische Ansatzpunkte liefern. Die Forschungsgruppe von Prof. Michael N. Hall vom Biozentrum der Universität Basel hat nun eine Vielzahl neuer von mTOR regulierter Proteine identifiziert, darunter ein Enzym, das für die Herstellung der Bausteine der Erbsubstanz essenziell ist. Die Ergebnisse sind kürzlich im US-Wissenschaftsmagazin "Science" erschienen.

Das Protein "mammalian Target of Rapamycin" (mTOR) kontrolliert grundlegende Prozesse wie Zellwachstum und Stoffwechsel. Als Hauptbestandteil zweier Komplexe, mTORC1 und mTORC2, stimuliert es die Produktion von Proteinen und Fetten und stellt eine adäquate Energieversorgung der Zelle sicher. Fehlregulationen des fein abgestimmten mTOR-Signalnetzwerks sind an der Entstehung schwerwiegender Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beteiligt. So könnte die Suche nach bislang unbekannten mTOR-Proteinen neue Ansatzpunkte zur Behandlung dieser Krankheiten aufzeigen.

Neue mTOR-Zielproteine identifiziert

Wegen der zentralen Stellung von mTOR in der Zelle vermuten Wissenschaftler, dass noch viele Proteine und Prozesse, die durch mTOR 0kontrolliert werden, unentdeckt sind. Mittels einer sehr leistungsfähigen Technologie, der sogenannten quantitativen Phosphoproteomik, konnten die Forschenden um Hall nun mehr als 300 neue mTOR-Zielproteine identifizieren, die ein breites Spektrum von Aufgaben erfüllen.

So zeigten genauere Untersuchungen, dass mTORC1 unter anderem die Neubildung von Nukleotiden anregt und damit das Wachstum und die Vermehrung von Zellen steuert. Nukleotide sind die Bausteine der Erbsubstanz und werden in mehreren Schritten aus einfachen Molekülen hergestellt. Die ersten Schritte der Biosynthese von Nukleotiden führt das Enzym CAD aus. mTORC1 verbessert die Zusammenlagerung mehrerer CAD-Enzyme zu Oligomeren und stimuliert so die Aktivität von CAD und damit die Herstellung von Nukleotiden.

Noch viele Details unbekannt

Obwohl man heute bereits recht gut versteht, wie mTOR agiert, zeigen die aktuellen Resultate, dass dabei noch immer viele Details unbekannt sind. Eine umfassende Aufklärung der von mTOR gesteuerten Signalwege sowie die Auswirkungen von Fehlregulationen sind für das Verständnis von Krankheitsprozessen und für die Entwicklung neuer Therapieansätze enorm wichtig. Mit ihrer Studie konnten Hall und sein Team dem mTOR-Netzwerk ein weiteres wichtiges Puzzleteil hinzufügen.

Originalbeitrag
Aaron M. Robitaille, Stefan Christen, Mitsugu Shimobayashi, Marion Cornu, Luca L. Fava, Suzette Moes, Cristina Prescianotto-Baschong, Uwe Sauer, Paul Jenoe, and Michael N. Hall (2013)
Quantitative Phosphoproteomics Reveal mTORC1 Activates de Novo Pyrimidine Synthesis
Science 1228771
Published online 21 February 2013
doi: 10.1126/science.1228771

Weitere Informationen finden Sie unter
http://dx.doi.org/10.1126/science.1228771
Abstract

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image195283
Der regulatorische Proteinkomplex mTORC1 verbessert den Zusammenschluss von CAD-Proteinen (grün: CAD-Oligomere, blau: DNA).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution74

Quelle: Universität Basel, Katrin Bühler, PhD, 22.02.2013

Raute

Universitätsklinikum Magdeburg - 22.02.2013

Magdeburger Immunologen lüften ein lange gehütetes Geheimnis der Immunzellaktivierung

Das Immunsystem spielt eine essentielle Rolle bei der Abwehr von Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze, Viren und Protozoen. Um seine Aufgaben zu erfüllen, ist das Immunsystem mit speziellen Abwehrzellen ausgerüstet, unter denen die so genannten T-Zellen eine zentrale Rolle spielen. Ohne T-Lymphozyten ist der Mensch Angriffen durch Mikroben, insbesondere durch Viren und Pilze, schutzlos ausgeliefert.

Die T-Lymphozyten tragen auf ihrer Oberfläche eine Erkennungsstruktur, den so genannten T-Zellrezeptor, der die T-Zellen dazu in die Lage versetzt, eindringende Krankheitserreger, bzw. deren Bruchstücke, zu erkennen und dann eine zielgerichtete Abwehrreaktion einzuleiten. Nach Erkennung von krankmachenden Agenzien durch den T-Zellrezeptor werden die T-Zellen aktiviert und beginnen dann, ihre Aufgaben im Immunsystem zu erfüllen.

Es ist seit langem bekannt, dass unmittelbar nach der Erkennung von Krankheitserregern durch den T-Zellrezeptor im Inneren der T-Zelle Signalkaskaden angeschaltet werden, die die Aktivierungsprozesse steuern. Beim Anschalten dieser Signalkaskaden spielen Phosphorylierungsreaktionen eine wichtige Rolle. So kommt es unmittelbar nach Erkennung von fremden Substanzen durch den T-Zellrezeptor zu einer Phosphorylierung eines zentralen Schalters innerhalb der T-Zelle, der so genannten zeta-Kette. Diese Phosphorylierung ist die "Initialzündung", die alle nachgeschalteten Signalwege in den T-Zellen steuert. Der Verlust der initialen Phosphorylierung der zeta-Kette führt dazu, dass T-Zellen nicht aktiviert werden können, was sich in einem Ausfall der T-Zell vermittelten Immunantwort widerspiegelt.

Seit mehr als 20 Jahren versuchen Immunologen weltweit herauszufinden, wie die initiale Phosphorylierungsreaktion der zeta-Kette im Inneren der T-Zelle gesteuert wird. Es ist seit langem bekannt, dass hierfür die Tyrosinkinase Lck verantwortlich ist. Trotz intensivster Forschung ist es jedoch bis heute nicht gelungen, zu klären, wie Lck den ersten Schritt der Signalverarbeitung reguliert. Einige Autoren gehen davon aus, dass die Lck-Moleküle immer gleich aktiv sind und in der Zelle einfach hin und hergeschoben werden, und so den Zugang zu der zeta-Kette erhalten. Eine alternative Hypothese besagt, dass Lck nach Erkennung von Krankheitserregern einer Veränderung seiner Struktur unterworfen wird, die in der Folge dazu führt, dass das Molekül aktiviert wird (um dann die Phosphorylierungsreaktion der zeta-Kette einzuleiten).

Mittels einer neuen mikroskopischen Technik ist es Magdeburger Immunologen in Zusammenarbeit mit Physikern und Biologen des Leibniz-Institutes für Neurobiologie nun gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die verschiedenen strukturellen Zustände von Lck in lebenden Zellen detektiert und so nicht-aktive Lck-Moleküle (geschlossene Form) von aktiven Lck-Molekülen (offene Form) "online" mittels besonderer mikroskopischer Verfahren unterschieden werden können.

Um die verschiedenen Zustände von Lck in T-Zellen zu detektieren, benutzen die Wissenschaftler einen so genannten Lck-Biosensor, der wie folgt funktioniert: Mittels gentechnischer Methoden wurden zwei Fluoreszenzfarbstoffe in das Lck-Molekül eingebaut. Die Farbstoffe wurden so platziert, dass sie sehr nahe zueinander lokalisieren, wenn Lck in der inaktiven, also geschlossenen, Form vorliegt. Dies führt dann dazu, dass zwischen den beiden Farbstoffen Licht- bzw. Energieimpulse ausgetauscht werden, ein Prozess der als FRET (Fluorescence Resonance Energy Transfer) bezeichnet wird. Mittels hochauflösender und sehr sensitiver Mikroskope sowie geeigneter mathematischer Methoden lässt sich das FRET-Signal nicht nur eindeutig nachweisen, sondern es kann in der Zelle lokalisiert werden und seine Größe/Stärke exakt bestimmt werden. Wird Lck aktiviert, so klappt das Molekül auf, was zur Folge hat, dass die beiden Fluoreszenzfarbstoffe weit voneinander entfernt sind, so dass kein Austausch von Energie möglich ist. Dies führt zu einem Verlust des FRET Signals.

Die Magdeburger Immunologen haben nun den Biosensor in T-Zellen eingebracht und dann untersucht, ob sich die Struktur von Lck nach T-Zellaktivierung verändert. In der renommierten Fachzeitschrift Science Signaling zeigen die Autoren, dass etwa 20 Prozent der zellulären Lck-Moleküle nach Erkennung von Krankheitserregern durch den T-Zellrezeptor "aufklappen". Weiterhin konnten die Autoren zeigen, dass das "Aufklappen" von Lck tatsächlich mit einer Erhöhung der enzymatischen Aktivität des Enzyms einhergeht und mit der Phosphorylierung der zeta-Kette in der T-Zelle korreliert. Somit konnte durch den Zugang erstmals gezeigt werden, dass Lck im Rahmen der T-Zellaktivierung de novo aktiviert wird.

Mit ihrer Arbeit haben die Immunologen maßgebliche Erkenntnisse in Bezug auf die ersten Schritte der T-Zellaktivierung geliefert. Diese Erkenntnisse sind insofern von Bedeutung, als Pharmafirmen seit vielen Jahren versuchen, Inhibitoren gegen das Lck-Molekül herzustellen, die im klinischen Alltag, z.B. bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder auch malignen Erkrankungen eingesetzt werden könnten.

"Wir sind sehr stolz, dass es uns gelungen ist, mittels einer hochsensitiven mikroskopischen Technik, die nur an wenigen Laboratorien weltweit zur Verfügung steht, erstmals zu demonstrieren, dass Lck im Rahmen der T-Zellaktivierung einer deutlichen de novo Aktivierung unterworfen wird", so der verantwortliche Autor der Veröffentlichung, Prof. Dr. Burkhart Schraven, Direktor des Instituts für Molekulare und klinische Immunologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) und Leiter der Abteilung Immunkontrolle am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. "Mit unserer Arbeit haben wir einen wichtigen Beitrag zu dem seit vielen Jahren währenden wissenschaftlichen Disput um das Lck-Molekül und dessen Biologie geleistet und denken, dass wir eine zentrale Frage der T-Zellimmunologie klären konnten". Weiter: "Das Besondere an unserer Technik besteht darin, dass mittels ähnlicher Biosensoren nicht nur das Immunsystem untersucht werden kann bzw. Aktivierungsprozesse im Immunsystem, sondern dass es generell möglich ist, die Aktivität ähnlich aufgebauter Moleküle im gesamten Körper zum Beispiel auch im Zentralnervensystem, in der Niere, in der Lunge oder in anderen Organen im Detail zu untersuchen. Wir sind gespannt auf die Resonanz die unser Artikel hervorruft".

Originalveröffentlichung:
T Cell Activation Results in Conformational Changes in the Src Family Kinase Lck to Induce Its Activation
[DOI: 10.1126/scisignal.2003607]
http://stke.sciencemag.org/cgi/content/abstract/6/263/ra13

Kontakt:
Professor Dr. med. Burkhart Schraven
Institut für Molekulare und Klinische Immunologie
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Email: burkhart.schraven@med.ovgu.de
WEB: http://www.med.uni-magdeburg.de/fme/institute/iim/

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image195369
Zeit- und ortsaufgelöste Visualisierung der Konformationsänderung des Biosensors in lebenden T-Zellen, nachdem der T-Zellrezeptor eine krankmachende Substanz (hier: Protein-A von Staphylococcus aureus) erkannt hat (Größenbalken: 10 Mikrometer)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution117

Quelle: Universitätsklinikum Magdeburg, Kornelia Suske, 22.02.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013