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MELDUNG/843: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.06.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→ Kleine Unterschiede
      Neue Einblicke in die Genregulation von Krankheitsgenen
→ Vom Neuroblastom lernen, wie sich Krebstumoren behandeln lassen


Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft - 10.06.2015

Kleine Unterschiede - Neue Einblicke in die Genregulation von Krankheitsgenen

Neue Einblicke in die Genregulation von Erkrankungen haben jetzt Forscher des MDC Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem National Heart Research Institute in Singapore (NHRIS) gewonnen. Sie setzten dazu eine neue Technik ein, die es ermöglicht, die Genregulation auf der Ebene der Proteinproduktion zu verfolgen. So konnten sie mehr individuelle Genregulationen erfassen, wie mit klassischen Methoden, die nur das Anschalten und Ablesen von Genen dokumentieren (Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms8200)*.

Wird ein Gen abgelesen, wird sein in der Sprache der DNA enthaltener Bauplan für Proteine im Zellkern in RNA umgeschrieben (transkribiert). "Auf dieser Ebene erkennt man viele aber bei weitem nicht alle individuellen Unterschiede in der Genregulation", erläutert Prof. Norbert Hübner, Senior Autor der Publikation und Leiter der Forschungsgruppe Medizinische Genomforschung und Genetik von Herz-Kreislauferkrankungen im MDC. Zusammen mit Sebastian Schafer (MDC, NHRIS) und Eleonora Adami (MDC) sowie Forschern aus mehreren Forschungseinrichtungen in Berlin, den Niederlanden, England und Tschechien, untersuchten sie deshalb die Genregulation auf der nächsten Ebene, der Translation. Sie findet außerhalb des Zellkerns, im Zellplasma statt. Bei der Translation wird die RNA-Sequenz in Aminosäuresequenzen übertragen (translatiert) und in den Proteinfabriken der Zelle, den Ribosomen, zu Proteinen zusammengebaut.

Zunächst durchforsteten die Wissenschaftler das komplette Genom zweier Rattenstämme, - ein Stamm hatte Bluthochdruck, der andere nicht - und schauten sich dort speziell die Gene von Herz- und Lebergewebe an. Dann setzen sie eine neue Technik ein, die als Ribosomal-profiling bezeichnet wird, kurz Ribo-seq. Sie ermöglicht es festzustellen, welcher Anteil an RNA tatsächlich in Protein umgesetzt (translatiert) wird. Das Ergebnis: bei der Translation hatten sie fast doppelt so viel unterschiedlich angeschaltete Herz- und Lebergene erfasst, wie bei der Transkription. Anschließend verglichen sie diese Daten mit den entsprechenden Genen des Menschen in genomweiten Assoziierungsstudien. Hier zeichnet sich ab, dass offenbar viele Herz- und Lebergene des Menschen hauptsächlich während der Translation reguliert werden. Die Forscher sind davon überzeugt, dass das Erfassen individueller Unterschiede bei der Translation neue Einblicke in die Genregulation von Erkrankungen ermöglicht.

* Translational regulation shapes the molecular landscape of complex disease phenotypes
Sebastian Schafer 1,2,+; Eleonora Adami 1,+; Matthias Heinig 1,3; Katharina E. Costa Rodrigues 1, Franziska Kreuchwig 1, Jan Silhavy 4, Sebastiaan van Heesch 1, Deimante Simaite 1, Nikolaus Rajewsky 5,6; Edwin Cuppen 7, Michal Pravenec 4, Martin Vingron 3, Stuart A. Cook 2,8,9 & Norbert Hübner 1,6,10

1 Cardiovascular and Metabolic Sciences, Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC) in the Helmholtz Association, Robert-Rössle-Strasse 10, 13125 Berlin, Germany.
2 National Heart Research Institute Singapore (NHRIS), National Heart Centre Singapore, Singapore 169609, Singapore.
3 Department of Computational Molecular Biology, Max Planck Institute for Molecular Genetics, Ihnestrasse 63-73, 14195 Berlin, Germany.
4 Institute of Physiology, Academy of Sciences of the Czech Republic, Vídenska 1083, 142 20 Prague 4, Czech Republic.
5 Systems Biology of Gene Regulatory Elements, Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC) in the Helmholtz Association, Robert-Rössle-Strasse 10, 13125 Berlin, Germany.
6 DZHK (German Centre for Cardiovascular Research), Partner Site, 13347 Berlin, Germany.
7 Hubrecht Institute-KNAW & University Medical Center Utrecht, Uppsalalaan 8, 3584 CT Utrecht, The Netherlands.
8 National Heart and Lung Institute, Imperial College London, London SW3 6 NP, UK.
9 Duke-National University of Singapore, Singapore 169857, Singapore.
10 Charité Universitätsmedizin, 10117 Berlin, Germany.
+ These authors contributed equally to this work.

* Kontakt:
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, Barbara Bachtler, 10.06.2015

Raute

Berliner Institut für Gesundheitsforschung / Berlin Institute of Health - 10.06.2015

Vom Neuroblastom lernen, wie sich Krebstumoren behandeln lassen

Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung/Berlin Institute of Health (BIH) bewilligt 3,1 Millionen Euro für ein breit angelegtes Forschungsprojekt, das in den nächsten vier Jahren neue Wege zur Erkennung und Behandlung des Neuroblastoms erforschen wird. Diese vor allem bei Kindern auftretende Krebserkrankung soll als Modellsystem dienen, anhand dessen bösartige Tumoren künftig individuell besser charakterisiert und behandelt werden können. In diesem Projekt arbeiten ForscherInnen des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Klinik und Grundlagenforschung der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

Krebs ist eine komplexe und deswegen schwer heilbare Krankheit: Tumorzellen entwickeln und verbreiten sich in einem dynamischen Prozess, bei dem unter anderem individuelle Eigenschaften der Erkrankten, Umweltbedingungen, erbliche und epigenetische Faktoren sowie die zelluläre Umgebung des Tumors eine Rolle spielen. Erfolgversprechende Wege zur Krebsbehandlung könnten deswegen individuelle therapeutische Interventionen auf der Basis von Biomarkern und molekularen Signaturen sein, die beispielsweise Aussagen über die Eigenschaften des Tumors und die Mechanismen der Metastasierung erlauben. Solche Daten können heute mit Hochdurchsatzverfahren gewonnen werden - bislang wird dieses Wissen noch nicht ausreichend für systemmedizinische Ansätze genutzt und in anwendbare Therapien übersetzt (Translation). Hier setzt das jetzt vom BIH geförderte Verbundprojekt "Terminate NB: From Cancer DiagnOMICS to Precision Medicine: Model Neuroblastoma" unter Leitung von Prof. Dr. Angelika Eggert (Charité) und Prof. Dr. Matthias Selbach (MDC) an: Das Neuroblastom wird als Modellkrankheit genutzt, um ein Konzept zur Tumorcharakterisierung aufzubauen, das alle verfügbaren Daten auf molekularer Ebene integriert und mit dem sich neue Diagnostik- und Therapieansätze zur Behandlung dieses und anderer Krebsleiden entwickeln lassen.

Das Neuroblastom ist eine Krebserkrankung des Nervensystems, an der meist Kinder erkranken und die individuell sehr unterschiedlich verläuft. Während leichte Formen häufig ohne Therapie spontan ausheilen, ist die Krankheit in der schweren Form oft tödlich. Was sie für die Forschung interessant macht: Es gibt nur wenige Mutationen, die für das aggressiv bösartige Verhalten der schweren Form verantwortlich sind. Das erleichtert die Suche nach genetisch bedingten Ursachen der Krankheit. Zudem existieren für das Neuroblastom seit langem standardisierte Protokolle in der Diagnose und Therapie, so dass die ForscherInnen für ihre Untersuchungen auf umfangreiche und gut dokumentierte Patientenproben zurückgreifen können. Diese Proben werden im Projekt genutzt, um die zentralen Signalnetzwerke zu identifizieren und zu verstehen, welche für die typischen Eigenschaften der hochaggressiven Neuroblastom-Tumorzellen verantwortlich sind. Die geförderten ForscherInnen wollen die auftretenden Mutationen analysieren und ein besseres Verständnis für das unterschiedliche Verhalten der Tumorzellen entwickeln.

"Wir haben jetzt die Möglichkeit, mit den besten wissenschaftlichen und technologischen Verfahren neue Meilensteine in der Krebsforschung zu erreichen. Das Neuroblastom ist eine perfekte Modellkrankheit, um die molekularen Mechanismen zu analysieren, mit innovativen systemmedizinischen Ansätzen zu verstehen und daraus abgeleitete klinische Anwendungen auch auf andere Krebsarten zu übertragen", sagt Projektleiterin Angelika Eggert. Sie ist Direktorin der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité, Matthias Selbach ist Leiter der Forschungsgruppe "Proteome Dynamics" des MDC. Er hat dort Technologien aufgebaut, mit denen Proteine in Tumorzellen systematisch charakterisiert werden können. "Zusammen mit den anderen Technologieplattformen am BIH sowie mit der Bioinformatik können wir jetzt erstmals einen Überblick über die relevanten Prozesse auf allen Ebenen bekommen", sagt Matthias Selbach. Projektlaufzeit ist von August 2015 bis Juli 2019, geforscht wird in insgesamt acht interdisziplinär arbeitenden Teilprojekten mit 27 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von MDC und Charité.

Kollaborative Verbundprojekte (Collaborative Research Grants) am BIH Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung fördert gemeinschaftliche, interdisziplinäre Vorhaben von Charité- und MDC-Grundlagenforscherinnen und -forschern sowie Klinikerinnen und Klinikern. Ausschlaggebend für die Förderung ist ein systemmedizinischer Ansatz mit klarer translationaler Perspektive. Die Collaborative Research Grants sind eines der zwei entwickelten Instrumente zur Forschungsförderung. Mit ihnen werden größere, langfristig angelegte Verbundvorhaben mit bis zu acht Teilprojekten gefördert. Die Anträge wurden durch ein externes Gutachtergremium begutachtet. Collaborative Research Grants werden für einen Zeitraum von vier Jahren gefördert. Weitere Informationen zu den Verbundprojekten finden Sie im Internet (www.bihealth.org/de/forschung/forschungsprojekte).

* Über das Berliner Institut für Gesundheitsforschung/Berlin Institute of Health (BIH)
Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung/Berlin Institute of Health (BIH) wurde 2013 gegründet. Es ist ein Zusammenschluss der Charité - Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) mit dem Ziel, translationale Medizin basierend auf einem systemmedizinischen Ansatz und durch die beschleunigte Übertragung von Forschungserkenntnissen in die Klinik sowie die Rückkoppelung klinischer Befunde in die Grundlagenforschung voranzubringen. Seit April 2015 ist das BIH selbstständige Körperschaft des öffentlichen Rechts, Charité und MDC sind darin eigenständige Gliedkörperschaften. Das Institut wird mit neuen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen in der Biomedizin neue diagnostische, therapeutische und präventive Ansätze in der Medizin und damit für die Gesundheit der Menschen schaffen.

* Kontakt:
Alexandra Hensel
Leiterin Kommunikation/Presse
Berliner Institut für Gesundheitsforschung/
Berlin Institute of Health (BIH)
Kapelle-Ufer 2 | 10117 Berlin | Germany
hensel@bihealth.de

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.bihealth.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1860

Quelle: Berliner Institut für Gesundheitsforschung / Berlin Institute of Health, Alexandra Hensel, 10.06.2015

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2015

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