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MELDUNG/966: Förderung für eine bessere Versorgung und Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 23.02.2017

Strukturierte Behandlungswege, bessere Versorgung: 13,4 Mio. Euro Förderung für seltene Erkrankungen


Zentrum für Seltene Erkrankungen am Universitätsklinikum Heidelberg beteiligt sich an nationalem Verbundprojekt und erhält 2,3 Millionen Euro Förderung / Bewährte Konzepte und erfolgreiche Pilotprojekte sollen in kommenden drei Jahren in Regelversorgung überführt werden / Am 28. Februar 2017 ist internationaler "Tag der seltenen Erkrankungen"


"Wir haben inzwischen klare Vorstellungen davon, wie eine effektive Versorgung und Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen aussehen sollte. Jetzt müssen wir dieses Wissen deutschlandweit umsetzen, um die gegebenen Defizite zu beheben", sagt Professor Dr. Georg F. Hoffmann, Sprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen (ZSE) am Universitätsklinikum Heidelberg und Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin. Um diese Umsetzung geht es bei dem nationalen Verbundprojekt "TRANSLATE NAMSE", das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in den kommenden drei Jahren mit 13,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfond fördert. Das Heidelberger ZSE ist mit acht weiteren universitären Zentren für das umfassende Projekt ausgewählt worden und erhält eine Förderung von 2,3 Millionen Euro. Ziel von TRANSLATE NAMSE ist es, die Diagnostik durch standardisierte Abläufe zu beschleunigen, Behandlungspfade auszuarbeiten und in die Regelversorgung zu überführen sowie die einzelnen Zentren noch stärker als bisher zu vernetzen. Patienten sollen so schneller und zielgerichtet der für sie passenden Therapie zugeführt werden. Ein Schwerpunkt der Heidelberger Projektgruppe ist dabei der möglichst reibungslose Wechsel junger Patienten von der intensiven Betreuung durch Kinderärzte in die durch mehr Eigenverantwortung geprägte Versorgung durch den Erwachsenenmediziner.

Weitere geförderte Zentren sind die Universitätskliniken Berlin, Bonn, Dresden, Essen, Hamburg, Lübeck, München und Tübingen. Jedes dieser Zentren nimmt dabei auf den von ihm vertretenen Krankheitsgebieten führende klinische und organisatorische Aufgaben wahr. Partner des Projektes sind die Patientenorganisation ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen), die AOK Nordost und die Barmer GEK. Der Verbund von ZSE's will die von 2008 bis 2013 im Rahmen des "Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen" (NAMSE) unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit erarbeiteten Versorgungsstrukturen in die Praxis "übersetzen" (TRANSLATE NAMSE).

Zeit bis zum Start der passenden Therapie verkürzen, Versorgungslücken schließen

"Derzeit dauert es im Durchschnitt 15 bis 20 Jahre bis Betroffene mit einer seltenen Erkrankung, die nicht im Rahmen des Neugeborenen-Screenings entdeckt wurde, die richtige Diagnose erhalten. Für die Patienten bedeutet das ein langer Weg von Arzt zu Arzt, eine Aneinanderreihung unpassender Therapien sowie eine große psychische Belastung für die gesamte Familie. Dabei verstreicht wertvolle Zeit bis zur richtigen Behandlung, in der wie z.B. bei angeborenen Stoffwechselstörungen die Hirnentwicklung des betroffenen Kindes stark in Mitleidenschaft gezogen werden kann.", betont Professor Hoffmann. "Diesen Leidensweg gilt es bestmöglich zu verkürzen und Langzeitschäden zu vermeiden." Doch auch, wenn die Diagnose steht, ist nicht immer und überall eine kontinuierliche Versorgung durch Experten gesichert, da diese häufig nur an einzelnen universitären Zentren gegeben ist. Daher sind überregionale, interdisziplinäre und sektorenübergreifende Netzwerke unverzichtbar.

Was bedeutet das konkret? Die beteiligten Zentren ergänzen sich in ihrer Expertise und verweisen Patienten bei Bedarf an die jeweils passende Einrichtung, z.B. Patienten mit einer Stoffwechselerkrankung für die exakte Diagnose, Einleitung der Therapie und umfassende Beratung nach Heidelberg. Die Heidelberger Stoffwechselexperten tauschen sich mit den externen Kollegen aus, die weitere Therapie erfolgt heimatnah. Eine gemeinsam geführte elektronische Patientenakte hält alle beteiligten Ärzte auf dem Laufenden, Probleme werden in zentrenübergreifenden Fallkonferenzen diskutiert, die betreuenden niedergelassenen Ärzte eingebunden. "Damit eine nahtlose Versorgung auf allen Ebenen gelingt, müssen für jede Erkrankungsgruppe die diagnostischen und therapeutischen Abläufe festgelegt werden. So ist zu jedem Zeitpunkt der Behandlung und jedem Arzt, der die Unterlagen des Patienten erhält, klar, welcher Schritt als nächstes ansteht - Versorgungslücken oder Informationsverlust bei einem Arzt- oder Krankenhauswechsel wird so vorgebeugt", sagt Hoffmann.

Wechsel in die Erwachsenenmedizin muss besser begleitet werden

Beim Übergang junger, chronisch kranker Patienten in die Erwachsenenmedizin kommt es häufig zu Therapieabbrüchen. Das macht sich vor allem bei nierentransplantierten Patienten bemerkbar: Bei einem zu frühen oder zu abrupten Wechsel in die Erwachsenenmedizin steigt die Zahl der Organabstoßungen sprunghaft an. In Heidelberg schenkt man dieser sogenannten Transition daher schon seit Jahren große Beachtung. Transitionsbeauftragte, also speziell geschulte Sozialarbeiter, Krankenschwestern oder -pfleger, begleiten diesen Prozess, sind Ansprechpartner bei Problemen und fragen nach, wenn Arzttermine versäumt werden. Ein psychosoziales Team unterstützt z.B. bei Problemen in der Schule oder Berufsausbildung. In der Heidelberger Hochschulambulanz können die jungen Erwachsenen bis zum Alter von 23 Jahren betreut werden. Sie wechseln dann, wenn in ihr Leben nach Abitur, Berufsausbildung oder Berufsstart wieder etwas Ruhe einkehrt - schrittweise. Nach diesem Konzept werden am Universitätsklinikum Heidelberg seit einigen Jahren junge Patienten mit Mukoviszidose erfolgreich in die Erwachsenenmedizin überführt. Nun soll dieses bewährte Konzept im Rahmen von TRANSLATE NAMSE bundesweit Eingang in die klinische Routine finden.

In Deutschland sind ca. vier bis fünf Millionen Menschen von einer der über 8.000 heute bekannten seltenen Erkrankungen betroffen. Die überwiegende Anzahl davon wird bereits im frühen Kindesalter symptomatisch und mehr als achtzig Prozent aller seltenen Erkrankungen haben eine genetische Ursache. Viele Betroffene versterben auch heute noch in den ersten Lebensjahren, da die Medizin weder die Krankheitsmechanismen versteht noch wirksame Therapien zur Verfügung stehen.


Weitere Informationen:

http://www.seltene-erkrankungen-heidelberg.de
Pressemeldung vom 26.2.2016:
Leben mit seltener Nierenerkrankung - nach drei Organtransplantationen blickt der 19-jährige Daniel optimistisch in die Zukunft

https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Pressemitteilungen.136514.0.html?&no_cache=1&tx_ifabprins_pressmanagement%5Bid%5D=5323&tx_ifabprins_pressmanagement%5Baction%5D=show&tx_ifabprins_pressmanagement%5Bcontroller%5D=PressManagement&cHash=7f5d227bf4b27e161509d36ed66aae22
Tag der Seltenen Erkrankungen 2017

http://www.achse-online.de/de/was_tut_ACHSE/tag_der_seltenen/Tag_der_Seltenen_Erkrankungen_2017.php

http://www.rarediseaseday.org/country/de/germany

Kontakt:
Dr. Pamela Okun
Zentrum für Seltene Erkrankungen
Im Neuenheimer Feld 130.3
69120 Heidelberg;
seltene.erkrankungen@med.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution665

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird, 23.02.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2017

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