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VORSORGE/611: Darmkrebsvorsorge - Ein Rückblick auf 10 Jahre Screening-Programm (BNG)


Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschland e.V.

Darmkrebsvorsorge: Wir müssen dranbleiben

Ein Rückblick auf 10 Jahre Screening-Programm



(Ulm, 01.03.2013) Dr. Dietrich Hüppe, der Vorsitzende, des Berufsverbandes der niedergelassenen Gastroenterologen (bng), hat sich als Spezialist für Magen-Darm-Erkrankungen an der Darmkrebsvorsorge und -früherkennung von Anfang an beteiligt. Im Gespräch mit dem Medizinjournalisten Dr. Holger Böhm berichtet er über die Entwicklung des Screening-Programms in den vergangenen zehn Jahren.


Böhm: Wie kam es dazu, dass die Darmspiegelung als geeignetes Mittel für die Darmkrebsvorsorge in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden ist?

Hüppe: Die Einführung der Vorsorge-Koloskopie als Vertragsarztleistung kam für uns niedergelassene Gastroenterologen überraschend. Sie ist dem Engagement der Deutschen Krebsgesellschaft und innerhalb der Gastroenterologie namentlich den Professoren Jürgen F. Riemann und Wolff Schmiegel zu verdanken, die ihren Einfluss auf die Krankenkassen und auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung geltend machen konnten, um diese Leistung zu implementieren. Das Engagement von Frau Dr. Maar und der "Felix-Burda-Stiftung" haben entscheidend dazu beigetragen, dass das Programm von der Bevölkerung angenommen worden ist.

Böhm: Was war das Erfolgsgeheimnis?

Hüppe: Es gab einen entscheidenden Fortschritt, der mit dem Programm verbunden war: Zum ersten Mal wurden qualitätssichernde Maßnahmen und die Dokumentation der Befunde für die Vorsorge-Koloskopie bundesweit eingeführt. Das Zentralinstitut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (ZI) wurde beauftragt, alle Daten systematisch zu sammeln und zu evaluieren. Nach Anlaufschwierigkeiten hat sich dies als ein sehr professionelles Projekt dargestellt. Wir verfügen heute über eine wirklich große und gute Datenbank, mit der die Qualität der endoskopierenden Ärzte und die Ergebnisse des Programms belegt werden können. Das ist ein international viel beachtetes Projekt, mit dem wir Deutschen wirklich einzigartig dastehen.

Böhm: Wird das Screening dazu führen, dass der Darmkrebs verschwindet?

Hüppe: Ich glaube nicht, dass der Darmkrebs verschwindet. Das ist ein falscher Gedankengang. Wir eliminieren mit der Koloskopie nicht den Krebs, sondern wir reduzieren die Krebshäufigkeit durch frühzeitige Entfernung von Darmkrebsvorstufen (Adenome). Gleichzeitig erkennen wir den Darmkrebs - wenn er sich schon manifestiert hat - früher und erhöhen damit die definitive Heilungsrate dieses Tumors. Wir verfolgen somit zwei Strategien: Vorsorge und Früherkennung. Für die meisten Menschen haben wir die positive Botschaft: Du bist gesund. Bei einigen Menschen stellen wir ein erhöhtes Risiko fest, weil wir Polypen finden, die Vorstufen von Darmkrebs enthalten können. Im Zuge der Darmspiegelung werden diese Polypen entfernt und das Risiko für einen Tumor wird sehr deutlich gesenkt. In seltenen Fällen entdecken wir eine Frühform von Darmkrebs. Wenn diese rechtzeitig erkannt wird, können wir den Menschen sagen, dir kann gut geholfen werden.

Böhm: Nach anfänglichem Boom scheint das Programm etwas an Schwung verloren zu haben?

Hüppe: Zu Beginn war die Nachfrage sehr hoch. Die Patienten fragten nach, insbesondere die, die immer schon so etwas wollten. Nach einer Zeit nahm die Nachfrage dann natürlich ab, weil die große Menge der von sich aus Motivierten zurückging. Die Maßnahme wurde ja jahrgangsabhängig ab 55 Jahren eingeführt. Bei unauffälligem Befund steht die nächste Untersuchung erst wieder nach zehn Jahren an. Das ist der eigentliche Grund, warum es zu einem Rückgang gekommen ist.

Böhm: Ohne Motivation läuft es nicht?

Hüppe: Man muss das Interesse an der Vorsorge immer wieder neu wecken. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung kennt das Vorsorgeprogramm, wie wir aus einer Allensbach-Umfrage wissen. Dank der Bewerbung durch die Krankenkassen und Unterstützer wie die "Felix-Burda-Stiftung" und die "Stiftung Lebensblicke" hat der Gedanke deutschlandweit eine bemerkenswerte Durchdringung erreicht. Keine freiwillige Vorsorgemaßnahme ist jemals in so kurzer Zeit derart in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegangen. Aber vom Kennen bis zur Inanspruchnahme ist es natürlich ein weiter Schritt.

Böhm: Die soll demnächst durch ein Einladungsverfahren verbessert werden?

Hüppe: Im Unterschied zum Brustkrebs, bei dem die Frauen von Gesetz wegen angeschrieben werden, gab es beim Darmkrebs bisher kein Einladungsverfahren. Hausärzte oder Urologen geben lediglich das Angebot, zum Gastroenterologen zu gehen, weiter. Der anspruchsberechtigte Versicherte muss dies aber dann auf eigene Initiative hin tun. Das wird sich in absehbarer Zeit verbessern, wenn die Einladungsverfahren für Gebärmutterhalskrebs und für Darmkrebs, die ja politisch beschlossen worden sind, kommen.

Böhm: Wird es weiterhin politische Unterstützung für den Kampf gegen den Darmkrebs geben?

Hüppe: Ja, und die wird auch gebraucht, weil jede Kampagne, jede Einladungsaktion, jeder Hinweis, dass man zur Vorsorge gehen soll, die Menschen motiviert, daran teilzunehmen, und die Inanspruchnahme erhöht.


Weitere Informationen auf der Kampagnenseite des bng
www.ich-geh-da-hin.de und unter www.bng-gastro.de

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Quelle:
Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschland e.V.
Presseangebot zum Darmkrebsmonat März 2013
Holdergärten 13, 89081 Ulm
Telefon: 0700 / 26 42 64 26, Fax: 0731 / 70 54 711
E-Mail: kontakt@bng-gastro.de
Internet: www.bng-gastro.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2013