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VORSORGE/809: Impfen - Ohne Schutz keine Schule ... Wird die Vernunft zur Pflicht? (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2019

Impfen
Ohne Schutz keine Schule: Wird die Vernunft zur Pflicht?

von Dirk Schnack


Ärztekammer begrüßt Vorschlag zur Impfpflicht. Auch in Schleswig-Holstein ist die Masern-Impfrate nicht hoch genug. Bundesweit steigende Erkrankungszahlen.


Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg (FDP) hat mit seinem Vorschlag zur Impfpflicht für neue Diskussionen rund um das Thema gesorgt. Garg hatte den Bund aufgefordert zu prüfen, ob vor Aufnahme in eine Kita oder Schule eine Masern-Pflichtimpfung vorgeschrieben werden kann.

Auf Bundesebene war bis Redaktionsschluss noch keine Entscheidung gefallen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, Vorschläge prüfen zu lassen. Er nannte es einen Skandal, dass immer mehr Kinder an Masern erkranken. SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach glaubt inzwischen nicht mehr, dass eine Ausrottung der Masern in Deutschland ohne Impfpflicht gelingt.

Die Ärztekammer Schleswig-Holstein begrüßte Gargs Forderung, denn die Masern-Impfrate liegt in Schleswig-Holstein mit 94 Prozent zwar im Bundesdurchschnitt, aber erst bei einer 98-prozentigen Rate geimpfter Kinder und Jugendlicher lässt sich diese Krankheit so kontrollieren, dass aus Einzelfällen im Land keine Epidemie mehr werden kann. Eine verpflichtende Impfung von Kindern und Jugendlichen schützt also nicht nur diese selbst, sondern alle nicht geimpften Personen, auch Risikogruppen. "Diese fünf Prozentpunkte sind entscheidend. Daher können wir als Ärztekammer die Forderung einer Impfpflicht gegen das Masernvirus nur begrüßen", sagte Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer.

Er verwies auch darauf, dass die Ärzteschaft in dieser Frage seit Jahrzehnten mahnt. "Seit beinahe 30 Jahren rufen wir nun schon auf, sich mit einer Masern-Impfung gegen diese hochansteckende Krankheit zu schützen. Die bundesweit wieder steigenden Fallzahlen zeigen, dass es mit einer bloßen Aufforderung nicht getan ist."


Dauerkampf mit Vorurteilen

Die meisten Menschen lassen sich impfen. Weil sich eine kleine Gruppe von Skeptikern nicht überzeugen lässt, wird die Arbeit impfender Ärzte erschwert. Information und Aufklärung über zwei Veranstaltungen im Norden.

24.4.
Fachtagung Pro Impfen... Herausforderungen im Praxis alltag: u. a. mit Vorträgen von Prof. Jörg Steinmann (Herpes Zoster und HPV), Dr. Jens Uwe Meyer (Impfen nach Plan) und Dr. Uta Kunze (Wer darf impfen?). Ort: Wissenschaftszentrum Kiel (Fraunhofer Str. 13), ab 14:00 Uhr.

23.5.
Start der zweitägigen Nationalen Impfkonferenz in Hamburg, die in diesem Jahr vom Stadtstaat und Schleswig-Holstein veranstaltet wird. Ort: Besenbinderhof 57a, ab 10.00 Uhr.


Impfungen gehören zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die der Medizin zur Verfügung stehen. Moderne Impfstoffe sind gut verträglich und unerwünschte Arzneimittelwirkungen werden nur noch in seltenen Fällen beobachtet. So leitet das Robert Koch-Institut (RKI) sein Informationsangebot über ein Thema ein, das viele Menschen schützt und noch mehr schützen könnte - wenn es nicht mit gegensätzlichen Meinungen und Vorurteilen zu kämpfen hätte. Ärzte bekommen dies häufig in ihrer Arbeit zu spüren. Sie haben zwar die Aufgabe, für einen ausreichenden Impfschutz der von ihnen betreuten Patienten zu sorgen, diese selbst erschweren den Ärzten die Arbeit aber immer wieder. Ein Beispiel, wie Ärzte darauf reagieren, ging vor wenigen Wochen durch die Medien und zeigt, wie widersprüchlich und manchmal ignorant sich Impfgegner mitunter verhalten: Die Mutter eines ungeimpften Jungen mit soeben vom Pädiater diagnostiziertem Keuchhusten war in der Hausarztpraxis von Dr. Christoph Seeber im ostfriesischen Leer erschienen. Er berichtete, dass die Mutter bei ihm nach einem Antibiotikum für sich fragte. Der Allgemeinmediziner verordnete ihr das Antibiotikum und erteilte ihr dann Praxisverbot.

Auch Ärzte in Schleswig-Holstein haben es immer wieder mit Impfgegnern in ihren Praxen zu tun, die rücksichtlos handeln. Manche Ärzte wünschen sich eine Impfpflicht, wie sie jüngst Landesgesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg erneut ins Spiel gebracht hatte, andere setzen auf Aufklärung. Einer von ihnen ist der niedergelassene Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Jörg von Forstner - ein klarer Befürworter des Impfens, der sagt: "Nachweislich hat keine medizinische Maßnahme jemals einen so großen Effekt auf die Volksgesundheit gehabt wie das Impfen." Impfgegner sind für ihn eine "kleine Gruppe Desinformierter oder Unbelehrbarer".

Aber die Durchsetzung einer Impfpflicht hält er schon aus rechtlichen Gründen für problematisch. Er verweist auch darauf, dass es aktuell gar keinen reinen Masern-Impfstoff gibt. Und er fragt sich: "Ist es ausgeschlossen, dass ein fanatischer ärztlicher Impfgegner Pflichtimpfungen dokumentiert, diese aber gar nicht durchführt?"

Das Problem liegt nach seiner Beobachtung bei erwachsenen Beschäftigten in Krankenhäusern, Kitas und Schulen. Insbesondere Erzieher rotieren nach seiner Beobachtung lange Zeit ohne Impfschutz durch die Kitas, "nicht selten auch ohne entsprechende ärztliche Impfinformation oder Betreuung." Er gibt zu bedenken, dass es auch ungeimpftes Pflegepersonal und Ärzte gibt. Für von Forstner lautet deshalb das Fazit: "Mehr Aufklären auch über die Verantwortung gegenüber Dritten und mehr Impfen ist ärztlich zu empfehlen."

Wie schwer Aufklärung aber im Zeitalter von Fake News mitunter fällt, zeigt ein Blick nach Japan. Dort hatte man schon 2013 eine Quote von 70 Prozent bei der Impfung junger Mädchen gegen Humane Papillomviren (HPV) erreicht. Diese Rate sank dramatisch nach der Veröffentlichung von Videos, in denen Mädchen behaupteten, durch die Impfung geschädigt worden zu sein. Parallel dazu griffen Medien wissenschaftlich nicht haltbare Studien auf, die vermeintliche Impfschäden thematisierten.

Der Fall aus Japan zeigt an drei Punkten, wie schwer es impfende Ärzte haben:

  • Emotionen schlagen Fakten - diese Formel ist auch in Deutschland bei Impfskeptikern erfolgreich. Unterstützt wird dies durch Medien, die Gefühle bedienen und sich nicht der aufwendigen Arbeit unterziehen, Studien zu bewerten, weil diese Art der Berichterstattung Auswirkungen auf die Einschaltquoten oder Leserzahl hätte.
  • Der Erfolg einer Impfung ist ihr größter Feind. Die HPV-Impfung in Japan hatte dazu geführt, dass die Infektionen kaum noch sichtbar waren und das Problembewusstsein sank. Diese Auswirkung lässt sich auf viele Impfungen in Deutschland übertragen: Impfungen unterbleiben, weil sie in der Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass das Erkrankungsrisiko für den Einzelnen deutlich abgenommen hat und weil vielen Menschen nicht mehr klar ist, wie gefährlich die Erkrankungen sein können, vor denen Impfungen schützen.
  • Impfgegner berichten auf einschlägigen Webseiten über vermeintliche Impfschäden und vermischen ihre Theorien mit Hinweisen auf eine interessengeleitete Pharmaindustrie und vermeintliche Gifte in den Impfstoffen.

"Man kann versuchen, mit sachlicher Argumentation dagegenzuhalten. Das ist aber oft nicht von Erfolg gekrönt, weil sich Fehlinformationen im Nachhinein auf einer sachlichen Ebene kaum bzw. gar nicht einfangen lassen", sagt dazu Dr. Anne Marcic aus dem schleswigholsteinischen Gesundheitsministerium. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Ansätze der Psychologie, wie auf solche Behauptungen reagiert werden kann. Vertieft wird das Thema Fake News über Impfen auf der sechsten Nationalen Impfkonferenz am 23. und 24. Mai in Hamburg, die in diesem Jahr vom Stadtstaat und von Schleswig-Holstein gemeinsam veranstaltet wird. Als weitere Workshop-Themen sind geplant:

  • Reisen und berufliche Mobilität
  • Import von impfpräventablen Erkrankungen verhindern - Impfen von Menschen ohne Versicherungsschutz
  • Impfschutz bei Lehrpersonal und medizinischem Personal verbessern

In der Fachwelt setzt man seit vielen Jahren auf Aufklärung und Information wie mit der Nationalen Impfkonferenz.

Eine etablierte Veranstaltung zum Thema Impfen in Schleswig-Holstein ist die jährliche Fachtagung im Rahmen der Europäischen Impfwoche, veranstaltet vom Landesgesundheitsministerium und organisiert von der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Schleswig-Holstein, in der zahlreiche Organisationen des Gesundheitswesens im Norden zusammengeschlossen sind, darunter auch die Ärztekammer. Eine Erkenntnis aus den bisherigen Veranstaltungen: Konkrete Praxistipps sind geeignet, das Fachpublikum zu erreichen. Dazu zählen aktuelle Informationen zu neuen Impfungen und Fragen der Grundimmunisierung sowie zu Nachhol- und Auffrischungsimpfungen. Neben Ärzten kommen auch deren Mitarbeiter aus den Praxen, Medizinstudierende, Auszubildende und Fachkräfte aus dem Gesundheitsbereich. Bei der diesjährigen Veranstaltung am 24. April im Kieler Wissenschaftszentrum werden sich voraussichtlich überwiegend die Menschen austauschen, die überzeugt sind vom Impfen.

Weil die Impfquoten in Deutschland nicht so hoch wie erforderlich sind, warnen Gesundheitspolitiker immer wieder vor den Folgen. Regelmäßig wird in der Öffentlichkeit über die Einführung einer Impfpflicht diskutiert, auch von ärztlichen Verbänden wird dies immer wieder ins Spiel gebracht. Thema war das jüngst auch in Hildesheim nach dem Masernausbruch an verschiedenen Schulen. Mehr als 100 Schüler wurden dort wegen fehlenden Impfschutzes vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen. Auch dort Appelle: Gesundheitsministerin Carola Reimann und Kultusminister Grant Hendrik Tonne rieten den Menschen dazu, ihren Impfstatus zu überprüfen und sich impfen zu lassen. Ob sie damit überzeugte Impfgegner erreicht haben, ist fraglich.

Marcic hat die Erfahrung gemacht, dass echte Impfgegner kaum zu überzeugen sind. Sie plädiert dafür, sich auf die sogenannten Impfskeptiker zu fokussieren. Diese können nach ihrer Erfahrung mit Argumenten erreicht werden. Das Land Schleswig-Holstein zielt auch auf diese Gruppe, wenn es im Internetangebot zum Thema Impfen auf Argumente von Impfkritikern eingeht (siehe Kästen weiter unten). Auf den Seiten wird außerdem in Zusammenhang mit der Frage "Krank durch Impfung?", die von Impfskeptikern ebenfalls gestellt wird, auf einzelne Erkrankungen eingegangen und Klarheit geschaffen. Hierzu einige Beispiele mit den Erklärungen des Landes:


SIDS/Plötzlicher Kindstod

Mehrere Studien, darunter auch eine Metaanalyse, ergaben keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Sudden Infant Death Syndrome - im Gegenteil: Es konnte sogar mehrfach gezeigt werden, dass geimpfte Kinder ein geringeres Risiko haben, am plötzlichen Kindstod zu versterben.

Diabetes mellitus Typ 1
Dass die Entwicklung von Diabetes Typ 1 durch Impfungen begünstigt werden soll, konnte selbst in mehreren Untersuchungen nicht nachvollzogen werden. Im Gegenteil: Teilweise wurde sogar ein schützender Effekt beobachtet.

Allergien
Ob das vermehrte Auftreten von Allergien mit Impfungen zusammenhängt, ist nicht belegt. Dagegen spricht, dass in der ehemaligen DDR, wo eine gesetzliche Impfpflicht bestand und fast alle Kinder geimpft wurden, diese kaum unter Allergien litten. Erst nach der Wende nahmen Allergien in Ostdeutschland zu. Gleichzeitig sanken dort die Impfquoten.

Asthma
Es gibt keinen Beweis, dass Impfstoffe Asthma verursachen oder verschlimmern können. Viele Studien haben sich mit dieser Frage beschäftigt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Impfungen diesbezüglich keinen negativen Effekt haben. Es ist sogar besonders wichtig, dass Patienten mit Asthma bestimmte Impfungen erhalten, da z. B. Keuchhusten oder Grippe Asthma verschlimmern können. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission deshalb für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit chronischen Krankheiten der Atmungsorgane eine jährliche Grippeimpfung.

Krebs
Es gibt keine Belege für die Annahme, dass moderne Impfungen Krebserkrankungen begünstigen. Jedoch können zwei Impfstoffe Krebs vorbeugen: der Hepatitis-B-Impfstoff und der HPV-Impfstoff. Der Hepatitis-B-Impfstoff senkt das Risiko für Leberkrebs. Die HPV-Impfung schützt vor Gebärmutterhalskrebs und anderen Krebsarten, die mit einer HPV-Infektion verbunden sind. Beide Impfstoffe sind inaktivierte Impfstoffe.

Enzephalitis, Meningitis
Erkrankt ein Patient in zeitlicher Nähe zu einer Impfung an einer Enzephalitis oder Meningitis, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich mit einem Erreger infiziert hat, höher als dass es sich um eine Impfkomplikation handelt. Viele Impfungen können das Risiko sogar verringern, wie die Meningokokken-Impfung, Hib-Impfung und die Pneumokokken-Impfung. Denn bakterielle Hirnhautentzündungen werden u. a. durch Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken oder durch Meningokokken ausgelöst. Dagegen ist das Risiko für eine Enzephalitis oder Meningitis im Zusammenhang mit einigen Infektionskrankheiten relativ hoch: In der Folge einer Masernerkrankung liegt das Enzephalitis-Risiko bei 1/1000 bis 1/2000, nach einer Mumpserkrankung liegt das Meningitis-Risiko bei 1/10.

Multiple Sklerose
Die Ursache der MS ist unbekannt, aber genetische und Umweltfaktoren scheinen eine Rolle zu spielen. In den 90er Jahren kam in Frankreich der Verdacht auf, dass die Hepatitis-B-Impfung im Zusammenhang mit MS stehen könnte. Eine Überprüfung ergab, dass die Rate der MS-Erkrankungen nicht von der Impfquote beeinflusst wurde. Weitere Studien sind sich einig, dass es kein erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose durch eine Impfung gibt.

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HPV-IMPFUNG

Der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe haben gemeinsam zur HPV-Impfung aufgerufen. In einer Pressemitteilung berichten sie, dass die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfung nach mehr als zwölfjähriger Anwendung als Standardimpfung bei Mädchen ab neun Jahren belegt sei. Die Ständige Impfkommission hat die HPV-Impfung 2018 auch für alle Jungen im gleichen Altersbereich in den aktuellen Impfkalender aufgenommen. "Alle Jungen und Mädchen, die nicht schon früh geimpft wurden, sollen die Impfung bis zum 18. Geburtstag nachholen", so die Verbände.

Sie hoffen auf die Verhinderung von Erkrankungen, die durch Humane Papillomviren ausgelöst werden. Laut Statistik erkranken in Deutschland jährlich 4600 Frauen neu an einem Zervixkarzinom, 1600 Frauen sterben jedes Jahr daran. Auch andere Karzinome, insbesondere im Genital-, Anal- sowie im Mund- und Rachenbereich werden durch die gleichen HP-Viren aus gelöst. Mehr als 30 Prozent aller HPV-bedingten Krebserkrankungen in Europa finden sich bei Männern. In Deutschland liegen die Fallzahlen für Männer bei 4800 Neuerkrankungen und 1924 Sterbefällen pro Jahr. Da sich mehr als 80 Prozent aller Menschen im Laufe des Lebens mit HPV infizieren und diese Infektionen symptomlos verlaufen, kann sich das Virus in der Bevölkerung gut verbreiten. "Das Mitimpfen der Jungen wird zu einer Verringerung der Virusübertragung und zur deutlichen Reduktion der Krankheitslast von HPV-assoziierten Tumoren bei beiden Geschlechtern führen. Bei hoher Impfbeteiligung besteht sogar die Chance, durch Verringerung des Virusaustausches auch eine Auslöschung von Erkrankungen durch die in den Impfstoffen berücksichtigten HPV-Typen zu erreichen", heißt es in der Mitteilung.
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Wirksamkeit von Impfungen

Nach geltendem Arzneimittelrecht erhält ein Impfstoff nur dann eine Zulassung, wenn nachgewiesen ist, dass er auch wirksam und verträglich ist. Den Nachweis muss der Hersteller in vorklinischen Untersuchungen und klinischen Prüfungen erbringen. Geprüft werden die wissenschaftlichen Belege auf EU-Ebene unter der Regie der Europäischen Arzneimittelagentur EMA (European Medicines Agency). Hierzulande liegt die Verantwortung beim Paul-Ehrlich-Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.

Darüber hinaus werden auch nach der Zulassung meist von den Herstellern, aber auch von unabhängigen Wissenschaftlern aus Universitäten und Forschungsinstituten Studien durchgeführt, in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen fortlaufend unter sucht wird. Daher konnten bei Impfstoffen, die bereits seit vielen Jahrzehnten eingesetzt werden, zum Beispiel beim Masernimpfstoff, die Wirksamkeit und Sicherheit bei Millionen von Menschen belegt werden. Ausdruck der Wirksamkeit ist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Masern weltweit erfolgreich zurückgedrängt und Todesfälle vermieden werden konnten.

Ein weiteres bekanntes Beispiel dafür ist die Einführung der Schluckimpfung gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis) Anfang der 1960er Jahre. Während in der Bundesrepublik 1961 noch fast 4700 Kinder an Kinderlähmung erkrankten, waren es 1965 bereits weniger als 50 Kinder. Seit 1990 sind in Deutschland keine Erkrankungen durch Wildpolioviren mehr aufgetreten. (Quelle: www.schleswig-holstein.de)
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Überfordertes Immunsystem

"Mehrfachimpfungen überfordern das Immunsystem". Impfstoffe enthalten eine geringe Anzahl von Antigenen im Vergleich zu jenen, denen Kinder täglich ausgesetzt sind - in ihrer Umgebung, beim Essen und Trinken usw. Als Antigene bezeichnet man Bestandteile von Erregern oder ihrer Stoffwechselprodukte, die eine Reaktion des menschlichen Immunsystems auslösen, wenn es damit in Kontakt kommt. Bezogen auf die Anzahl der im Blut vorhandenen Antikörper würde ein Baby theoretisch die Fähigkeit besitzen, auf etwa 10.000 Impfstoffe zu reagieren. Selbst wenn es alle vorgesehenen Impfstoffe auf einmal erhalten würde, würden diese nur etwas mehr als 0,1 Prozent der Immunkapazität eines Babys beanspruchen.

Zwar gibt es mehr Impfungen als früher, doch sind die modernen Impfstoffe wesentlich effizienter. Kleine Kinder erhalten tatsächlich weniger immunologische Komponenten als früher. So enthielt der alte Keuchhustenimpfstoff (1960 und 1980) noch 3000 Antigene bzw. Proteine, während mittlerweile etwa zwei bis fünf Antigene reichen, um Kinder vor einer Erkrankung zu schützen. Elf Standardimpfungen (Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln, Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken, Hepatitis B) kommen heute beispielsweise zusammen mit weniger als 130 Antigenen aus. (Quelle: www.schleswig-holstein.de)
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Natürliche Immunität

"Natürliche Immunität ist besser als die durch den Impfstoff erworbene Immunität": In einigen Fällen führt die natürlich erworbene Abwehr, d. h. eine Infektion und Erkrankung, zu einer stärkeren Immunität gegen die Krankheit als eine Impfung. Doch die Risiken einer Erkrankung überwiegen bei Weitem die relativen Vorteile. Bei einer Masernerkrankung treten beispielsweise in ca. 20 - 30 Prozent der Fälle Komplikationen wie Lungenentzündungen und Enzephalitiden (Entzündung des Gehirns) auf. Erkranken kleine Kinder, haben sie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE), die meist erst Jahre nach der eigentlichen Maserninfektion auftritt und immer tödlich endet. Eine aktuelle Studie zeigte sogar, dass die Einführung der Masernimpfung die Kindersterblichkeit insgesamt verringerte. Denn das Immunsystem wird demnach durch eine Masernerkrankung so geschwächt, dass es in der Folgezeit (die Forscher gehen von etwa zwei bis drei Jahren aus) andere Krankheiten schlechter abwehren kann. (Quelle: www.schleswig-holstein.de)
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Krankmachende Erreger

"Krankheiten sind durch Hygiene und bessere Lebensbedingungen verschwunden - nicht durchs Impfen". Der deutliche Rückgang der Todesfälle oft innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne nach Einführung einer Impfung kann nicht allein auf verbesserten Lebensbedingungen oder moderner medizinischer Versorgung beruhen. Besonders deutlich lässt sich der Erfolg eines Impfprogramms zeigen, wenn die Krankheitsraten einer geimpften Bevölkerungsgruppe mit der in einer Gemeinschaft mit niedrigem Impfstatus verglichen werden, die aber den gleichen Lebensstandard hat. Zum Beispiel: Es gab zwei große Epidemien von Kinderlähmung (Polio) in den Niederlanden (1984 und 1991) in einer religiösen Gruppe, die die Impfung verweigert hatte. Die übrige Bevölkerung blieb verschont, da die Polio-Durchimpfungsraten dort sehr hoch waren. In Großbritannien wurden Mitte der 1970er Jahre weniger Kinder gegen Keuchhusten (Pertussis) geimpft. Zwischen 1977 und 1979 gab es eine Epidemie mit 102.500 Krankheitsfällen, bei der 27 Kinder starben und 17 Kinder in der Folge des Keuchhustens unter dauerhaften neurologischen Schäden litten. Mit verbesserten Impfraten gingen auch die Erkrankungen zurück. (Quelle: www.schleswig-holstein.de)
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Infos

- In Deutschland, aber auch in der Schweiz und Österreich, gibt es bislang Impfempfehlungen, aber keine gesetzlich verankerte Impfpflicht. Andere europäische Länder haben Impfpflichten eingeführt, aber in sehr unterschiedlichen Umfängen.

- Das Internetportal www.impfen-info.de richtet sich an die Allgemeinbevölkerung und klärt über impfpräventable Krankheiten und die Möglichkeiten ihrer Verhütung auf.

- Der Impfpass soll Aufschluss über den aktuellen Impfstatus geben und den Inhaber rechtzeitig daran erinnern, welche Immunisierung aufgefrischt werden muss. Laut einer Statistik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen rund 87 Prozent der Deutschen einen Impfpass haben.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201904/h19044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, April 2019, Seite 1, 6 - 9
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2019

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