Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

BILDUNG/689: In Lübeck werden auch künftig Medizinstudenten ausgebildet (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 8/2010

Medizinstudiengang gerettet
In Lübeck werden auch künftig Medizinstudenten ausgebildet

Von Dirk Schnack


Der massive Protest aus der Hansestadt zeigte Wirkung. An der Zahl der Medizinstudenten soll sich weder in Lübeck noch in Kiel etwas ändern.


Der Bund wird sich künftig mit zusätzlichen 25 Millionen Euro im Jahr an der Finanzierung der Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein beteiligen: Diese Vereinbarung zwischen Bundesforschungsministerin Annette Schavan und der Landesregierung ermöglicht eine Fortführung des Medizinstudiengangs an der Uni Lübeck.

Die Nachricht sorgte nicht nur in Lübeck für Erleichterung. Das Aus für Lübeck hätte neben Einschnitten in der Ausbildung auch massive wirtschaftliche Folgen für die gesamte Region nach sich gezogen. Die Diskussion über die nun abgewendete Schließung des Medizinstudiengangs war durch das Sparpaket der Landesregierung entstanden, die in Lübeck rund 25 Millionen Euro jährlich einsparen will - diese Summe kommt nun aus Berlin. Weil Bundesmittel nicht direkt für die Medizinerausbildung im Land gezahlt werden dürfen, erfolgt der Umweg über die Forschungsförderung.

"Wir sind bei der Konsolidierung unseres Haushaltes und der Sicherung der exzellenten Forschung in Schleswig-Holstein heute einen entscheidenden Schritt vorangekommen", sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen nach der Einigung. Das Engagement des Bundes mache es möglich, dass die medizinische Fakultät der Uni Lübeck nicht geschlossen werden müsse. Zur Diskussion über die Vorschläge der Haushaltsstrukturkommission sagte der Ministerpräsident: "Wir haben immer betont, dass die Landesregierung offen für Alternativen ist. Die Maßgabe dabei war, dass man etwas Neues ins Sparpaket hineinlegen muss, wenn man etwas herausnehmen will. Das ist heute gelungen." Wissenschaftsminister Jost de Jager kündigte an, dass auf der Grundlage der mit dem Bund getroffenen Vereinbarungen jetzt ein Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2020 entwickelt werde. Das Konzept solle bis September vorliegen und dann dem Wissenschaftsrat übergeben werden. Die Entscheidung, die medizinische Fakultät in Lübeck nicht zu schließen, werde Teil dieses Konzeptes sein. Carstensen und de Jager betonten nach der Einigung, dass es nach der Nachricht aus Berlin keine Notwendigkeit gebe, die Zahl der Medizin-Studienplätze in Lübeck zu verringern. Beide Politiker dankten dem Bund für seine Bereitschaft, Schleswig-Holstein bei der Haushaltskonsolidierung zu unterstützen. Die Einigung werde auch dem Interesse des Bundes gerecht, ein qualifiziertes Angebot an Medizin-Ausbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen, hieß es.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan würdigte die hohe Qualität der Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein: "Der Bund ist bereit, einen signifikanten Beitrag zur strategischen Ausrichtung der anerkannt leistungsstarken Forschung im Land, die von nationaler und internationaler Bedeutung ist, anzustreben", erklärte sie. Carstensen würdigte außerdem die persönliche Leistung des Wissenschaftsministers in den Verhandlungen mit dem Bund. "Jost de Jager hat in einer öffentlich teilweise extrem scharf geführten Debatte bewiesen, dass es möglich ist, die Zukunft unserer Universitäten nachhaltig zu sichern und gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren", sagte er. Viele Beteiligte in Lübeck bewerteten de Jagers Taktik anders. Er war von den Lübeckern als Schlüsselfigur bei den Schließungsplänen ausgemacht worden. Bei Protesten hatte es massive Rücktrittsforderungen an die Adresse de Jagers gegeben. Unverständlich war für viele Lübecker, dass de Jager, der zugleich Wirtschaftsminister ist, mit der angedrohten Schließung massive wirtschaftliche Nachteile für die Region in Kauf genommen hätte. Offen ist derzeit, wie sich die Diskussion über den Studienstandort auf den Verbleib renommierter Professoren auswirkt. Im Zuge der Diskussion war bekannt geworden, dass namhafte Professoren über einen neuen Wirkungskreis nachdenken. Fest steht, dass die beiden Hochschulstandorte Kiel und Lübeck daran arbeiten, die in den vergangenen Monaten aufgeworfenen Gräben wieder zuzuschütten. Die Spitzenvertreter beider Universitäten hatten sich im Juli in Kiel zu einem Gespräch getroffen und über die künftige wissenschaftliche Zusammenarbeit diskutiert. Laut anschließender Pressemitteilung fand das Gespräch "in freundlicher Atmosphäre statt und fokussierte auf potenzielle wie auch auf laufende gemeinsame Projekte" - dies wäre nur wenige Wochen zuvor schwer vorstellar gewesen, auch wenn Lübecks Uni-Präsident Prof. Peter Dominiak sich zunächst bemüht hatte, Lübeck nicht öffentlich auf Kosten Kiels zu positionieren. Spätestens mit der Präsentation des eigenen Sparkonzeptes, das massive Einsparungen auch für Kiel bedeutet hätte, war es aber zum offenen Streit gekommen. Inzwischen besprechen beide Seiten die Zukunft der gemeinsamen Kooperationen in der Forschung wie das Exzellenzcluster "Entzündung an Grenzflächen" und den Sonderforschungsbereich "Gedächtnisbildung im Schlaf", die für beide Hochschulen eine besondere Bedeutung haben. Das Land konnte sich mit diesem Exzellenzcluster bundesweit als Medizinstandort profilieren. Beide Präsidien waren sich einig, dass die erfolgreiche Arbeit fortgeführt werden soll und die besten Wissenschaftler aus den beteiligten Standorten erneut bei der Bewerbung für das Entzündungs-Cluster unterstützt und motiviert werden müssen. Auch gemeinsame Sonderforschungsbereiche wie z.B. "Gedächtnisbildung im Schlaf" werden von beiden Universitäten unterstützt. Beide Präsidien betonten, wie entscheidend dabei die Autonomie der Universitäten für künftige Kooperationen ist.


*


Sozialfonds für Studierende in Lübeck

Medizinstudenten in Lübeck können bei finanziellen Schwierigkeiten Unterstützung von ihrer Uni bekommen. Als erste staatliche Hochschule in Deutschland hat Lübeck dafür einen Studienfonds gegründet. Bis zu 250 Euro monatlich können Studenten aus dem Fonds als Darlehen erhalten. Zur Rückzahlung sind Absolventen verpflichtet, sobald sie später mindestens 30.000 Euro Jahresgehalt beziehen. Wer viel verdient, muss maximal den vollen Betrag plus marktübliche Zinsen zahlen, für geringere Einkommen sind Abstaffelungen vorgesehen. Der Fonds wurde zum Start von Sponsoren und Stiftungen mit 400.000 Euro gefüllt. Die Uni erwartet, dass weitere Sponsoren hinzukommen. Die ersten zwölf Empfänger sind bereits ausgewählt. Ein Gremium, dem auch Studenten angehören, entscheidet über die Mittelvergabe. Eine Förderung ist maximal vier Jahre lang möglich. Bei der Vergabe wird neben Bedürftigkeit auch das Engagement an der Hochschule berücksichtigt. Hintergrund des Fonds ist eine Umfrage der Uni Lübeck aus dem Jahr 2008, bei der festgestellt wurde, dass die Lübecker Studenten monatlich 160 Euro weniger zur Verfügung haben als Studenten im Bundesdurchschnitt. Die Fälle, in denen Studenten von der Hochschule eine Stundung der Semestergebühren (derzeit rund 96 Euro) erbeten haben, mehren sich. Eine Studentin hatte nach Auskunft der Uni Privatinsolvenz anmelden müssen. Der Betrag von 250 Euro soll den in der Umfrage meist angegebenen monatlichen Fehlbetrag der Studenten ausgleichen. Im Mittel hatten die befragten Studenten in Lübeck 607 Euro monatlich zur Verfügung, bundesweit sind es 770 Euro. 18 Prozent der Lübecker Studenten verfügen über weniger als 500 Euro im Monat. Die Uni erwartet, dass rund 200 Studierende den Fonds in Anspruch nehmen müssen. Faustregel: Je älter die Studierenden, desto angespannter ist deren finanzielle Situation.

Der Fonds könnte auch dazu beitragen, dass dringend benötigte Nachwuchsärzte ihr Studium nicht aus finanziellen Gründen abbrechen und die investierten Mittel für das Studium durch einen Abbruch verloren gehen. Das Darlehensmodell gewährleistet einen Rückfluss der Mittel bei entsprechendem Einkommen, eine Überforderung von Einkommensschwachen ist ausgeschlossen.


*


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 8/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201008/h10084a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Prof. Peter Dominiak


*


Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt August 2010
63. Jahrgang, Seite 16 - 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2010