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ETHIK/680: Spätabteibung - Eine Hebamme packt aus (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 88 - 4. Quartal 2008
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Spätabtreibung - Eine Hebamme packt aus

Fragen von Tobias-Benjamin Ottmar


Weil sie sich nicht an Spätabtreibungen beteiligen wollte, hat Miriam Schmidt (Name geändert) ihre Stelle als Hebamme gekündigt. Was sie bei ihrer Arbeit in einem Stadtkrankenhaus einer deutschen Großstadt miterlebte, bekommt angesichts der neuen Diskussionen um Spätabtreibungen wieder Gewicht. Tobias-Benjamin Ottmar sprach mit der Frau, die seit einiger Zeit nun selbstständig tätig ist.


LebensForum: Seit langem diskutieren die Politiker über eine Neuregelung der Spätabtreibung - zu einer einvernehmlichen Lösung ist man bislang nicht gekommen. Können Sie das nachvollziehen?

Schmidt: Ich kann das nicht verstehen, zumal im Kern doch Einigkeit darüber besteht, dass Spätabtreibungen etwas Schlimmes sind. Es geht ja nicht einmal darum, die Rechte der Frauen - sprich die Spätabtreibungen - einzugrenzen, sondern lediglich um die Sicherstellung einer qualifizierten Beratung.

Wie sieht denn eine Beratung nach dem heutigen Stand aus?

Wenn die Ärzte feststellen, dass ein Kind beispielsweise behindert ist, schildern sie die möglichen Folgen, die das für das Leben der Mutter mit dem Kind haben kann. Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Gleichzeitig erschwert das die Entscheidung für das Kind. Mitunter werden die Frauen massiv unter Druck gesetzt, die Abtreibung vorzunehmen. Ein Beispiel: Eine Schwangere - die in der 30. Woche war - bekam es so mit der Angst zu tun, dass sie noch am selben Tag der Diagnose abgetrieben hat. Statt Alternativen aufzuzeigen, wurde ihr die Abtreibung regelrecht eingeredet. Hinterher hat sie ihren Schritt bereut, wie sich in Gesprächen mit einer Kollegin von mir herausstellte.

Gibt es in diesem Fall ein Nachsorge-Angebot?

Selbstverständlich nicht. Denn offiziell haben die Frauen ja keine Probleme nach einer Abtreibung. Wer dennoch darunter leidet, ist auf sich allein gestellt.

Wie viele Spätabtreibungen wurden an ihrem früheren Arbeitsplatz vorgenommen?

Ein bis zwei pro Woche.

Deutschlandweit geht man von etwa 600 Abtreibungen nach der 20. Woche aus. Eine realistische Zahl?

Ich denke nicht, schließlich wird die Klinik, in der ich gearbeitet habe, keine Hochburg von Spätabtreibungen sein. Wenn man davon ausgeht, dass es in anderen Großstädten ähnlich viele Spätabtreibungen gibt wie dort, kommt man schnell auf eine Zahl zwischen 1.500 und 5.000.

Wie läuft eine Spätabtreibung ab?

Die Frauen bekommen ein wehenauslösendes Mittel. Je nach Alter und körperlicher Verfassung der Babys kommen diese auch lebend zur Welt und werden dann so lange liegen gelassen, bis sie tot sind. Sie werden dann bis zur »Entsorgung« im Kühlschrank aufbewahrt. Eine Kollegin von mir, hatte einmal ein spätabgetriebenes Kind, das noch lebte, auf den Arm genommen. Sie ging in einen anderen Raum, betete für das Baby und wartete dann, bis es gestorben war. Manche Ärzte setzen je nach Alter des Kindes bei der Abtreibung auch Kaliumchlorid ein. Das heißt, dem Baby wird eine Salzlösung ins Herz injiziert, damit es vor der Geburt stirbt.

Wenn das aber nicht der Fall ist, sterben die Kinder mitunter nicht schon im Mutterleib oder während der Geburt, sondern erst einige Stunden danach ...

Genauso ist es. Immer wieder überleben einige Babys diese Qualen. Dem Personal bleibt dabei kaum eine Wahl: Theoretisch müssten sie Erste Hilfe leisten, wenn das Kind noch lebt. Das könnte aber zur Folge haben, dass beispielsweise der Arzt verklagt wird, weil die Abtreibung nicht erfolgreich war. Es ist schon makaber: Während in dem einen Raum spätabgetriebene Kinder in ihrem Überlebenskampf alleine gelassen werden und deshalb sterben, kann es passieren, dass nebenan bei einer Frühgeburt um das Leben des Kindes - das vielleicht im gleichen Alter ist - gerungen wird.

Wie bewerten Sie die juristischen Hürden für eine Spätabtreibung?

Im Grunde kann jede Frau auch bis kurz vor der Geburt abtreiben, wenn sie einen Arzt glauben lassen kann, dass ihre körperliche oder seelische Gesundheit beim Austragen des Kindes gefährdet wäre. Wenn eine Frau beispielsweise ein Attest dem Gynäkologen vorlegt, das eine Suizidgefahr im Falle einer Geburt suggeriert, ist der Arzt verpflichtet abzutreiben. Ansonsten kann dies als unterlassene Hilfeleistung angesehen werden.

Sie haben sich nicht direkt an den Spätabtreibungen beteiligt - das erlaubt das Gesetz. Wie kam das bei den anderen Hebammen an?

Ich habe entsprechende negative Rückmeldungen bekommen. Mir wurde vorgeworfen, ich würde die Frauen verurteilen und sei egoistisch. Doch darum ging es mir nicht. Ich lehne aufgrund meiner christlichen Überzeugungen Abtreibungen grundsätzlich ab und wollte mich daher nicht daran beteiligen. Das war auch der Grund, warum ich dann letztlich gekündigt habe. Ich denke, dass manche der anderen Hebammen durchaus wussten, dass es falsch ist, was sie tun. Gegenüber mir sahen sie sich aber wohl einem Rechtfertigungszwang ausgesetzt.

Die Klinik hätte sie gerne als Hebamme behalten ...

konnte aber kein konkretes Angebot machen, wie mich ich auch künftig von den Spätabtreibungen hätten fernhalten können. Sie wollten im Grunde, dass ich mitmache.

War zum Zeitpunkt Ihrer Kündigung schon klar, wie es beruflich weitergeht?

Im Grunde wusste ich nicht, wie es weitergehen würde. Das war im Grunde ein Gehorsamsschritt gegenüber Gott, der viel Vertrauen abverlangte. Aber es hat sich bewährt: Heute arbeite ich freiberuflich in einem Geburtshaus, wo jährlich etwa 20 Kinder zur Welt kommen. Diese Arbeit bereitet mir mehr Freude als in der Klinik.

Was würden Sie sich von den Politikern hinsichtlich des Themas wünschen?

Wenn es nach mir ginge, sollten Abtreibungen ganz verboten werden. Zumindest aber sollten Frauen besser aufgeklärt werden. Ich bin mir sicher, dass jede zweite Frau eine Spätabtreibung ablehnen würde, wenn sie mehr Unterstützung und eine bessere Beratung erhalten würde. Auch eine Bedenkzeit ist durchaus sinnvoll. Denn oft wird den Frauen eine spontane Entscheidung abverlangt. Später bereuen sie dann ihre Entscheidung.

Vielen Dank für das Gespräch!


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Todesfalle Mutterleib


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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 88, 4. Quartal 2008, S. 8-9
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
Verlag: Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2009