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FORSCHUNG/2130: Signalweg in Krebszellen braucht Säure - Neue Ziele für maßgeschneiderte Therapie? (idw)


Deutsches Krebsforschungszentrum - 03.02.2010

Signalweg in Krebszellen braucht Säure

Neue Ziele für maßgeschneiderte Therapie?


Der so genannte Wnt-Signalweg spielt eine wichtige Rolle während der Embryonalentwicklung, in Stammzellen aber auch bei Krankheiten wie Krebs. Bindet das Wnt-Eiweiß an seinen Rezeptor auf der Zelloberfläche, führt das über mehrere Zwischenschritte dazu, dass die Zellteilung ausgelöst wird. Die einzelnen Schritte des Signalweges sind noch nicht alle im Detail aufgeklärt. Hier konnten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum nun einen entscheidenden Beitrag leisten. Ihre Erkenntnisse haben sie im renommierten Fachjournal "Science" veröffentlicht.

Um herauszufinden, welche weiteren Bausteine im Wnt-Signalweg eine Rolle spielen, untersuchten die Wissenschaftler um Christof Niehrs aus der Abteilung Molekulare Embryologie menschliche Nierenzellen. In diese schleusten sie das Luciferase-Gen ein, das immer dann ein Leuchtsignal abgab, wenn der Wnt-Signalweg durch die Zugabe von Wnt aktiviert wurde. Anschließend blockierten sie in Zusammenarbeit mit Kollegen um Michael Boutros aus der Abteilung Signalwege und Funktionelle Genomik in einem "Gesamt-Genom"-Ansatz nacheinander insgesamt 18500 Gene durch die Zugabe kleiner RNA-Moleküle, so genannter "small interfering RNAs". In den Zellen, die anschließend bei Zugabe von Wnt nicht mehr leuchteten, war offenbar ein entscheidendes Gen des Wnt-Signalweges ausgeschaltet worden.

Als die Wissenschaftler die Zellen, die nicht mehr leuchteten, näher analysierten, stießen sie auf zwei "alte Bekannte": Zum einen den "Prorenin-Rezeptor", der das Signal des Bluthochdruck-Hormons Renin vermittelt. Kinder, die Mutationen an diesem Rezeptor aufweisen, sind häufig geistig behindert oder leiden an Epilepsie. Offenbar vermittelt dieser Rezeptor gemeinsam mit dem Wnt-Rezeptor auch das Wnt -Signal. Für eine weitere Überraschung sorgte die Entdeckung, dass eine "Protonenpumpe", die in zellulären Organellen für ein saures Milieu sorgt, offenbar notwendig ist, um das Wnt-Signal zu übermitteln. Es ist bekannt, dass diese Pumpe bei verschiedenen Prozessen eine Rolle spielt, etwa beim Eintritt von Viren in die Zelle, bei der Entstehung von Metastasen bei Krebs oder bei der Bildung der Rechts-Links-Achse während der Embryonalentwicklung. In vielen Organismen führt das Fehlen dieser Pumpe zum frühen Absterben.

"Unsere Resultate werfen weitere Fragen auf", blickt Christof Niehrs in die Zukunft, "etwa, welche Rolle der Prorenin-Rezeptor bei geistiger Behinderung spielt. Und die Protonenpumpe könnte ein lohnendes Ziel für eine Therapie sein, etwa um bei Krebserkrankungen in den Wnt-Signalweg gezielt einzugreifen."


Requirement of prorenin receptor and vacuolar H(+)-ATPase-mediated acidification for Wnt signaling.
Cruciat CM, Ohkawara B, Acebron SP, Karaulanov E, Reinhard C, Ingelfinger D, Boutros M, Niehrs C.
Science. 2010 Jan 22;327(5964):459-63. DOI: 10.1126/science.1179802

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland und Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren. Über 2.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon 850 Wissenschaftler, erforschen die Mechanismen der Krebsentstehung und arbeiten an der Erfassung von Krebsrisikofaktoren. Sie liefern die Grundlagen für die Entwicklung neuer Ansätze in der Vorbeugung, Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen. Daneben klären die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Krebsinformationsdienstes (KID) Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Das Zentrum wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert.

Dr. Stefanie Seltmann
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Krebsforschungszentrum
Dr. Stefanie Seltmann, 03.02.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2010