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TRANSPLANTATION/426: Zahlen zur Organspende 2009 in Schleswig-Holstein (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/2009

Organspende 2009 in Schleswig-Holstein
Organspender werden weiterhin dringend benötigt

Von Dr. Thorsten Doede, Hamburg


Im November treffen sich die schleswig-holsteinischen Transplantationsbeauftragten in Rendsburg. Dr. Thorsten Doede von der DSO zum Status quo.

Organspende ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Krankenhäuser. Das Transplantationsgesetz (TPG) verpflichtet diese zur engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Koordinierungsstelle Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) und den Transplantationszentren. Ziel ist die bedarfsgerechte Versorgung schwerkranker Patienten durch Organübertragungen. Bundesweit haben im Jahr 2008 1.198 Menschen nach ihrem Tod ihre Organe für schwerkranke Patienten gespendet. Das sind 8,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Damit ist die Zahl der Organspender pro eine Million Einwohner von 16 in 2007 auf 14,7 in 2008 gesunken. In der ersten Jahreshälfte 2009 spendeten in ganz Deutschland 623 Menschen postmortal Organe, hochgerechnet auf das Gesamtjahr also 1.246. Dieses entspricht einer Zunahme von vier Prozent im Vergleich zu 2008 bzw. 15,15 pro eine Million Einwohner. In Schleswig-Holstein spendeten 2007 31 Menschen ihre Organe, 2008 38 und 2009 hochgerechnet auf zwölf Monate 34.

Ein Rückgang ist bei der Zahl der gespendeten Organe zu verzeichnen. In allen Bundesländern betrug diese 2007 4.251, 2008 dann nur noch 4.050 und aktuell hochgerechnet 3.962. In Schleswig-Holstein waren es 2007 90 Organe, 2008 131 Organe, 2009 hochgerechnet 116 Organe. Derzeit warten in Deutschland rund 12.000 schwerkranke Menschen auf ein Spenderorgan. Jährlich sterben 1.000 Patienten, da sie nicht rechtzeitig transplantiert werden konnten, täglich drei Patienten. Aufgrund des Mangels an Spenderorganen, aber auch der sich immer weiter verbessernden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten erfolgt eine kontinuierliche Ausweitung der Spenderkriterien. Sogenannte "Extended Donor Criteria" finden inzwischen regelmäßig Anwendung.

In besonderem Maße gilt dies für das Lebensalter der Spender. Es gibt letztlich keine Altersbegrenzung im hohen Lebensalter. Insbesondere durch das European Senior Programm mit Allokation von Nieren älterer Spender an ältere Empfänger innerhalb der Region werden auch in dieser Lebensphase gute Ergebnisse erzielt. Dies erklärt auch, warum die Gruppe der über 65-Jährigen bei der Spende stetig ansteigt. Bezüglich der Transplantabilität wird ggf. eine Schnellschnittdiagnostik der Nieren vor Transplantation durchgeführt.

Bei den Diagnosen der Spender überwiegen heute Krankheitsbilder aus dem neurologisch-internistischen Formenkreis, insbesondere spontane Hirnblutungen. Schädel-Hirn-traumatisierte Patienten machen nur noch rund 20 Prozent der Spender aus (Abb. 1).


Abb. 1: Todesursachen der Organspender 2008 in Deutschland 
 (Anzahl, prozentualer Anteil)

Anzahl
Prozentualer Anteil
Intrakranielle Blutungen
Schädelhirntraumen
Ischämisch-hypoxische Hirnschäden
Hirninfarkte
Entzündliche Hirnschäden
Primäre intrakranielle Tumore
697
224
132
131
9
5
58,2%
18,7%
11,0%
10,9%
0,8%
0,4%

Häufigste Kontraindikationen für eine Organspende sind nicht kurativ behandelte Malignome mit der Neigung zur Metastasierung. Allgemein gilt dies für maligne, potentiell metastasierende Tumore mit weniger als fünf Jahren Rezidivfreiheit. Differenziert betrachtet wird das Risiko der Tumortransmission und damit der Eignung als Organspender bei ZNS-Tumoren. Hier gilt es, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Die Entnahme von Herzen für Empfänger mit höchster Dringlichkeit wird bei Spendern mit einer Tumorerkrankung mit weniger als fünf Jahren Rezidivfreiheit in Einzelfällen diskutiert, da in diesem Fall eine Malignomübertragung äußerst selten ist. Hier ist eine Risikoabwägung durch das Empfängerzentrum zu treffen.

Eine Infektion schließt eine Organspende nicht generell aus, sofern sie adäquat behandelt wurde. Ein Sepsis-Syndrom mit therapierefraktärer Hypotension, Thrombopenie, Verbrauchskoagulopathie und zunehmender Organdysfunktion ist eine Kontraindikation zur Organspende, die behandelte und zugleich behandelbare Sepsis aber nicht. Eine Meningitis gehört zu den erweiterten Spenderkriterien. Ausschlusskriterien aber sind floride Tuberkulosen, akute Infektionen mit disseminierter und invasiver Infektion durch Viren, Bakterien und Pilze und die systemische Infektion mit methicillinresistenten Staphylokokken, ferner Tollwut, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung und andere Prionenerkrankungen. Der lokale Nachweis methicillinresistenter Staphylokokken außerhalb der zu entnehmenden Organe wiederum spricht nicht gegen eine Organspende.

Bei i.v.-Drogensucht wird eine frühzeitige Beratung mit der DSO empfohlen, um die weitere Diagnostik abzustimmen. Die HIV-Infektion wird kontrovers diskutiert. Erste Erfahrungen bestehen bereits mit der Organvermittlung von HIV-positiven Spendern an HIV-positive Empfänger. Der Nachweis einer Virushepatitis (jeweils alternativ HBSAg+, anti-HBc+, anti-HCV) schließt Organe nicht von der Spende aus. Die Akzeptanz hängt in diesen Fällen vom Empfängerprofil ab (hohe Dringlichkeit, Impfschutz, Möglichkeit der antiviralen Behandlung, bestehende Hepatitis des Empfängers).

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation als vertraglich definierte Koordinierungsstelle verfügt über ein umfängliches Arbeitsspektrum. Nach Meldung eines potentiellen Organspenders an den für Schleswig-Holstein zuständigen Organisationsschwerpunkt Hamburg erfolgt eine Absprache des meldenden Krankenhauses über die vorzunehmende Hirntod-Diagnostik. Sollten in der Akutsituation im Spenderkrankenhaus nicht die erforderlichen zwei dafür qualifizierten Ärzte verfügbar sein, besteht die Möglichkeit, dass durch die DSO ein Neurologe zur Unterstützung in die entsprechende Klinik fährt. Dies impliziert auch die Option zu apparativen Zusatzverfahren. Ein EEG oder eine transcranielle Dopplersonographie können durch die DSO geleistet werden. Auch besteht die Möglichkeit zur toxikologischen Untersuchung, um festzustellen, ob noch therapeutisch wirksame sedierende Medikamente nachweisbar sind.

Ferner kann bereits zu diesem Zeitpunkt das Vorhandensein medizinischer Kontraindikationen geklärt werden, und das weitere intensivmedizinische Vorgehen kann abgesprochen werden. Nach Feststellung des Hirntods erfolgt das Angehörigengespräch, bei welchem bei nicht dokumentierter Patientenzustimmung zur Organspende auch die Zustimmung der Angehörigen unter Beachtung des geäußerten oder mutmaßlichen Willens des Verstorbenen geklärt wird. Die DSO bietet einen Koordinator an, der an diesem oft heiklen Gespräch teilnehmen kann. Dieser Koordinator übernimmt anschließend in Abstimmung mit der Spenderklinik das weitere Vorgehen vor Ort. Durch die DSO erfolgt eine umfängliche Blutgruppen-, Immunologie- und Virologiediagnostik. Sämtliche Befunde der Anamnese, des aktuellen Krankheitsgeschehens, des Labors, apparativer Untersuchungen etc. werden erfasst, noch ausstehende Untersuchungen veranlasst und dann elektronisch an die Vermittlungsstelle Eurotransplant (ET) in Leiden, Niederlande, versandt.

In Absprache mit dem Spenderkrankenhaus wird ein Entnahmezeitpunkt definiert. Die Organentnahme findet in der Operationsabteilung des meldenden Krankenhauses statt. Das Anästhesieteam sowie das OP-Pflegepersonal werden von dieser Klinik gestellt, die Entnahmechirurgen von der DSO. Bei diesen handelt es sich um Transplantationschirurgen aus den Transplantationszentren. Nach der Organentnahme erfolgt noch durch die Chirurgen der Wundverschluss, sodass der Leichnam sich in einem würdevollen Zustand befindet. Abschließend veranlasst die DSO Versand und Transport der Organe an die Transplantationszentren. Der durchschnittliche Zeitraum zwischen Feststellung des Hirntodes und Abschluss der Organentnahme beträgt rund zwölf Stunden. Einige Wochen nach der Organentnahme bedankt sich die DSO bei Angehörigen und Spenderklinik schriftlich. In diesem Schreiben findet sich auch eine Darstellung der erzielten Ergebnisse unter Beachtung der im TPG vorgegeben Anonymität. Durch die DSO ist auch eine langfristige Betreuung der Angehörigen möglich.


Termin

18.11.2009, 14:00-18:00 Uhr
Veranstaltungsort: Kreiskrankenhaus Rendsburg-Eckernförde, Großer Konferenzraum in Rendsburg, Lilienstraße 20-28, 24768 Rendsburg
Jahrestreffen der Transplantationsbeauftragten Schleswig-Holstein - Ein Jahr Ausführungsgesetz - Sichtweisen mit Diskussion: Organspende in SchleswigHolstein, Hirntoddiagnostik, Erweiterte Spenderkriterien, Intensivtherapie
Weitere Informationen und Anmeldung (bis zum 31.10.2009): DSO-Region Nord, Bettina Güthling und Dr. Thorsten Doede, Tel. 040/89066888, E-Mail nord@dso.de


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200910/h091004a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Oktober 2009
62. Jahrgang, Seite 32 - 33
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
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www.aerzteblatt-sh.de

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009