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VORSORGE/450: Ab 50 zum Osteoporose-Check (DGOU)


Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie - Mittwoch, 1. Juli 2009

Ab 50 zum Osteoporose-Check

Experten fordern bessere Umsetzung der Leitlinien


Berlin - Obwohl es wirksame Mittel gegen Osteoporose - den Knochenschwund im Alter - gibt, erhält nur eine Minderheit der betroffenen Menschen eine angemessene Behandlung. Grund dafür ist, dass diesem Krankheitsbild noch immer nicht die notwendige Bedeutung geschenkt wird, die ihm dringend gebührt. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) beklagen die mangelnde Umsetzung der vorhandenen Behandlungsleitlinien.

Schätzungsweise 7,8 Millionen Menschen sind in Deutschland von Osteoporose betroffen. Bei den über 50-Jährigen sind das rund 26 Prozent. Als Folge der verminderten Knochendichte erleidet eine Vielzahl von Patienten Knochenbrüche, die zumeist an Hüfte, Hand, Wirbelsäule und Oberarm auftreten. Häufige Folge solcher osteoporosebedingter Verletzungen ist eine Einschränkung der Lebensqualität. Aber es versterben auch schätzungsweise 20 Prozent der Patienten mit einem schweren Knochenbruch an Hüfte oder Wirbelsäule im ersten Jahr nach dem Ereignis, so die Rückschlüsse aus den Ergebnissen der Bone-EVA-Studie. Denn viele dieser operierten Patienten sind mit mehreren schwerwiegenden Vorerkrankungen belastet, also multimorbide, so der Fachausdruck dafür. Dazu gehören beispielsweise Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes oder koronare Herzkrankheit, die schwere Komplikationen verursachen. "Ein großer operativer Eingriff, der auch für Gesunde sehr belastend ist, kann bei Risikopatienten sehr leicht zu tödlich verlaufenden Komplikationen wie Lungenentzündungen, Blutgerinnsel in der Lunge oder Herzinfarkten führen", warnt Professor Dr. med. Hans Zwipp, Präsident der DGOU. Dies gibt er vor allem deshalb zu bedenken, da nach neueren Studien jede zweite hüftgelenksnahe Fraktur bei frühzeitiger Erkennung und gezielter Osteoporosebehandlung vermeidbar wäre.

Aufgrund einer zunehmenden Alterung unserer Bevölkerung ist mit einer steigenden Bedeutung der Osteoporose-Problematik zu rechnen. So wird es bis 2050, so die Berechnungen aus unterschiedlichen Studien, eine Verdoppelung der Knochenbrüche beispielsweise an der Hüfte geben, wenn die gegenwärtige Tendenz anhält.

Die Experten sind sich seit Langem einig: Viele Knochenbrüche im Alter wären durch eine rechtzeitige Behandlung der Osteoporose vermeidbar. Damit ließen sich nicht nur die damit verbunden Komplikationen umgehen, sondern auch die Folgekosten der Erkrankung wären geringer. Obwohl evidenzbasierte Leitlinien verfügbar sind und mittlerweile sehr gute Behandlungsmöglichkeiten bestehen, erhalten in Deutschland jedoch nur etwa 10 bis 20 Prozent der betroffenen Menschen eine leitliniengerechte medikamentöse Osteoporosetherapie, beklagt die DGOU und der BVOU: Vor allem hochbetagte Menschen werden viel zu selten behandelt. Und dies, obwohl die Gefahr von Knochenbrüchen mit dem Alter deutlich ansteigt.

Um die Situation zu verbessern, ist nach Ansicht von Professor Dr. med. Klaus-Peter Günther, Vize-Präsident der DGOU, eine bessere Identifikation von Risikopatienten und der Ausbau integrierter Versorgungskonzepte notwendig: Ältere Menschen sollten beim Arztbesuch oder Klinikaufenthalt gezielt auf Risikofaktoren hin untersucht werden, denn nicht nur die Knochendichte allein bestimmt das Ausmaß der Frakturgefahr. Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, der Konsum von Alkohol, eine Rheumaerkrankung oder die Behandlung mit Kortison. Um das Knochenbruchrisiko abschätzen zu können, stehen unterschiedliche Vorhersage-Modelle wie z.B. das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte "Fracture Risk Assessment Tool" zur Verfügung. In die von jedem Arzt leicht durchführbaren Berechnungen gehen neben den genannten Risikofaktoren Alter, Gewicht, Körpergröße und eine Knochendichtemessung ein. Große Bedeutung bei der Prävention osteoporosebedingter Verletzungen kommt auch einer Abschätzung des "individuellen Sturzrisikos" zu. Denn eine Neigung zu häufigen Stürzen erhöht das Knochenbruchrisiko erheblich. Deshalb fordert die DGOU neben einer gezielten Identifikation von Risikofaktoren auch die systematische Erfassung des Sturzrisikos bei allen ambulant oder stationär behandelten Patienten mit Erkrankungen oder Verletzungen des Bewegungsapparates ab dem 50. Lebensjahr. Wird ein erhöhtes Frakturrisiko aufgedeckt, muss mit einer leitliniengerechten Behandlung begonnen werden.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Prävention und Therapie der Osteoporose besonders gut in denjenigen Regionen erfolgt, wo eine gute Vernetzung von Fachdisziplinen in Klinik und Praxis unter Führung ausgebildeter Osteologen besteht. Die wünschenswerte Etablierung integrierter Versorgungsmodelle wird zwar nicht in unmittelbarer Zukunft überall realisierbar sein. Gerade weil sich aber eine leitliniengerechte Therapie nicht nur auf die Qualität, sondern auch auf die Kosten der Behandlung günstig auswirkt, streben Kostenträger, Kliniken und Ärzte aller Fachrichtungen die gemeinsame Bündelung von Aktivitäten in allen Bereichen an.


Im Internet:
http://www.osteoporose.de/Osteoporose-Aktiv/Leitlinien.html
"Fracture Risk Assessment Tool" (FRAX) der WHO: www.shef.ac.uk/FRAX/DGOU

Terminhinweis:
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie
"Mit Herausforderungen leben"
21. bis 24. Oktober 2009, ICC Berlin


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
Pressekontakt: Beate Schweizer
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931 -295, Fax: 0711 8931 -167
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Internet: www.orthopaedie-unfallchirurgie.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2009