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AUSLAND/1720: Gazas Krankenhäusern gehen die Medikamente aus - kein Nachschub aus Ramallah (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Juni 2011

Nahost: Gazas Krankenhäusern gehen die Medikamente aus - Kein Nachschub aus Ramallah

Von Eva Bartlett


Gaza-Stadt, 22. Juni (IPS) - In den Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Arztpraxen des Gazastreifens ist die Minimalversorgung der Patienten kaum noch zu schaffen. Es fehlt an Medikamenten, Geräten und anderen unentbehrlichen Hilfsmitteln. Das Gesundheitsministerium spricht von einem akuten Notstand.

"Wir haben hier eine schwere Versorgungskrise, die außer Kontrolle geraten könnte. Viele Gesundheitsdienste sind nicht mehr verfügbar", warnte der Mediziner Hassan Khalaf, Gazas stellvertretender Gesundheitsminister.

Seit Beginn der israelischen Blockade des Gazastreifens vor fünf Jahren fallen auch viele Medikamente, medizinische Geräte und Hilfsmittel zur Versorgung von Patienten unter das Embargo. "In den ersten Jahren konnten wir uns noch behelfen, doch inzwischen sind keine Alternativen mehr verfügbar", erklärte er.

Schon im November 2008 berichteten Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (ICRC) aus dem Gazastreifen, in dem 1,5 Millionen Menschen leben: "Das medizinische Personal bemüht sich, mit provisorischen Mitteln die Mangelversorgung zu überbrücken."

Während der israelischen Bombenangriffe auf den Gazastreifen 2008/2009 wurden jedes zweite Krankenhaus sowie 44 kleine Kliniken und das medizinische Vorratslager des palästinensischen Roten Halbmonds zerstört. "Im Februar dieses Jahres bombardierten die Israelis in Jabliaya eine Lagerhalle mit Medikamenten", berichtete Khalaf.


Selbst Gummihandschuhe fehlen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte im Juni 2010 die ungehinderte Versorgung des Gazastreifens mit lebenswichtigen Medikamenten und Geräten gefordert. Der WHO-Aufruf sei bislang wenig erfolgreich geblieben, meinte Khalaf. "In diesem Jahr haben wir ein Drittel von dem erhalten, was wir benötigen. Uns fehlen Schmerz-, Betäubungs- und Dialysemittel, Antibiotika, Medikamente für Epilepsie- und Krebskranke, Säuglingsnahrung und sogar Gummihandschuhe", zählte er auf. "Hunderte Patienten, selbst Kleinkinder, müssen auf dringende Operationen warten."

Internationale Hilfsorganisationen wie WHO, Rotes Kreuz und Roter Halbmond bestätigten die Angaben des Regierungsbeamten. In 'The Lancet', der britischen Zeitschrift für Medizin, berichteten norwegische Ärzte von den Zuständen in Gazas größtem Krankenhaus, das sie im Februar 2011 besucht hatten. "Nach Auskunft von Onkologen konnten 100 von 260 Krebskranken nicht die benötige Medikamentenkombination erhalten."

Gazas Gesundheitsministerium sieht in der aktuellen Zusage des ICRC, den Medikamentenbestand in den Krankenhäusern der abgeschotteten Region aufzustocken, nur eine vorübergehende Entlastung. Auch die Ankündigung Ägyptens und der Palästinenserbehörde in Ramallah, Medikamente zu schicken, sei keine dauerhafte Lösung des Versorgungsproblems, betonte er.


Kritik an Gesundheitsministerium in Ramallah

Verantwortlich für die Notlage seien Israel und das Gesundheitsministerium in Ramallah, kritisierte Khalaf. "Als die internationale Hilfe für Gaza erstmals eingestellt wurde, sprang anfangs das Ministerium in Ramallah ein und gab 40 Prozent der internationalen Hilfe an Gaza weiter." Später habe es die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium in Gaza beendet und die Hilfsgüter in Gaza über eigene Kontakte verteilen lassen.

Ein solches 'Stop and Go' bei der medizinischen Versorgung Gazas sei ohne Billigung der internationalen Geber kaum vorstellbar, betonte der Arzt. Dahinter stecke die politisch motivierte Absicht, die Hamas-Regierung zu isolieren. Es seien aber die 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen, die unter dem Mangel an Medikamenten litten, nicht ihre politischen Führer. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2011