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AUSLAND/1763: Ghana - Ignoranz und fehlende Mittel, Buruli-Geschwüre meist zu spät behandelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2011

Ghana: Ignoranz und fehlende Mittel - Buruli-Geschwüre meist zu spät behandelt

von Paul Carlucci und Henriette Abayie

Buruli-Geschwüre treten in etwa 30 afrikanischen Ländern auf - Bild: © Paul Carlucci/IPS

Buruli-Geschwüre treten in etwa 30 afrikanischen Ländern auf
Bild: © Paul Carlucci/IPS

Greater Accra West District, Ghana, 29. Dezember (IPS) - Seit zehn Jahren frisst sich ein Buruli-Geschwür durch Benjamin Essels Bein. Die Haut über seinem Knöchel ist bereits vollständig zerstört. Die geschwollene rötliche Wunde zieht sich inzwischen fast bis zu seinem Knie hinauf.

"Erst dachte ich, es sei nur eine wunde Stelle", sagte der 26-Jährige, der seit zweieinhalb Jahren im Krankenhaus von Amasaman in Ghana behandelt wird. Buruli-Geschwüre sind bisher allein in Afrika in 30 Ländern aufgetreten. In Ghana rechnen Ärzte in diesem Jahr mit insgesamt rund 1.000 Fällen.

Nach Angaben der Mediziner ist die Krankheit in den armen ländlichen Gebieten, in denen sie am häufigsten vorkommt, bisher kaum bekannt. Die Geschwüre sind im Anfangsstadium zwar gut durch Antibiotika heilbar, werden von den Krankenhausmitarbeitern aber meist nicht richtig diagnostiziert.

Wissenschaftler fanden heraus, dass die Geschwüre durch das 'Mycobacterium ulcerans' verursacht werden. Dieser Erreger führt auch zum Ausbruch von Lepra und Tuberkulose. Da die Übertragungswege aber noch nicht genau bekannt sind, ist die Prävention schwierig.

Armut und Ignoranz in der Bevölkerung sind nicht die einzigen Hindernisse im Kampf gegen die Tropenkrankheit. Auch das unterfinanzierte Gesundheitswesen in Ghana ist mit der Behandlung der Buruli-Patienten überfordert. 50 bis 60 Prozent aller Kranken machen daher die gleichen Erfahrungen wie Essel oder sind sogar noch schlechter dran. Sie sind nicht nur körperlich entstellt, sondern verlieren manchmal Gliedmaßen durch Amputation.


Verstärkte Aufklärung über Risiken notwendig

Ärzte und Krankenschwestern fordern deshalb von der Regierung mehr Mittel, um die besonders gefährdeten Gemeinden rechtzeitig aufklären und lokale Helfer ausbilden zu können. "Die betroffenen Armen in ländlichen Regionen haben keine Stimme, sie werden nicht gehört", sagte Edwin Ampadu, der landesweit für die Bekämpfung von Buruli zuständig ist. Andererseits wollten viele Menschen von der Krankheit auch nichts hören.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO tauchten die Geschwüre zuerst 1897 in Uganda auf. 50 Jahre später gelang es australischen Forschern, die Krankheit vollständig zu beschreiben. Als 1960 zahlreiche Fälle im Distrikt Buruli in Uganda registriert wurden, erhielt das Leiden seinen modernen Namen.

Seit 1980 hat sich die Erkrankung über Westafrika verbreitet. 18 Jahre später begann die WHO, globale Strategien dagegen zu entwerfen. Auch in Lateinamerika, Asien und der westlichen Pazifikregion sind Menschen von den Geschwüren befallen worden. In Ghana wurden seit 1993 etwa 11.000 Fälle verzeichnet.

Buruli entwickelt sich in vier Stadien: Auf Knötchen folgen Belag, Ödeme und schließlich die Geschwüre. Dabei könnte die Krankheit einer Untersuchung von 2003 zufolge im Anfangsstadium durch Antibiotika im Wert von jeweils 20 bis 50 US-Dollar vollständig geheilt werden. Ist Buruli weit fortgeschritten, steigen die Kosten hingegen auf fast 1.000 Dollar. Die Betroffenen werden infolge der Krankheit oftmals sozial ausgegrenzt.

In der Gesellschaft ist der Aberglaube tief verwurzelt, dass die Kranken von bösen Geistern befallen sind. Aus Scham suchen viele Menschen erst dann einen Arzt auf, wenn die Geschwüre bereits weit fortgeschritten sind. Zu dem Zeitpunkt sind viele Erkrankte bereits nicht mehr arbeitsfähig.

Etwa 30 Jahre nach dem ersten Auftreten von Buruli in Ghana haben die Behörden 2002 ein landesweites Kontrollprogramm eingeführt. Mediziner beschweren sich aber darüber, dass es an der notwendigen Finanzierung fehlt.


Projekt von 'World Vision' ausgelaufen

Die Buruli-Station im Krankenhaus von Amasaman verdankt ihr Bestehen vor allem der Unterstützung durch die christliche Hilfsorganisation 'World Vision'. 2005 begann die Organisation mit der Umsetzung eines zunächst auf drei Jahre angelegten Programms, das im September dieses Jahres endgültig ausgelaufen ist. Geld von der Regierung in Accra kommt nur alle vier Monate in nicht ausreichendem Umfang. World Vision stellte auch Essen für die Patienten des Hospitals bereit, die ansonsten selbst für Nahrungsmittel bezahlen müssen.

Auch die mangelnde Ausbildung von Medizinern erschwert die Behandlungen. In Amasaman gibt es einen Arzt, der unter Anleitung eines Chirurgen aus dem Korle-Bu-Lehrkrankenhaus bei Operationen assistieren kann. In Nsawam in der Eastern Region gibt es dagegen niemanden, der dazu in der Lage wäre.

Ampadu führt diesen Notstand auf ein mangelndes Interesse der Ärzte an Fortbildungen zurück. Um die Finanzierungslücken zu schließen, appellierte er an die in den ländlichen Regionen ansässigen Privatunternehmen, die Buruli-Informationskampagnen zu finanzieren, um die Krankheit bereits in den frühen Phasen bekämpfen zu können. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.who.int/en/
http://www.worldvision.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105943

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2011