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AUSLAND/1792: Brasilien - Breite Front gegen Dengue-Fieber, Teenager aus den Favelas sind mit dabei (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2012

Brasilien: Breite Front gegen Dengue-Fieber - Teenager aus den Favelas sind mit dabei

von Fabiana Frayssinet


Rio de Janeiro, 3. Februar (IPS) - Was er in seinen Sommerferien vorhat? Der 14-jährige Miguel Terto aus dem Armenviertel Complexo do Alemão hat eigentlich nur zwei Optionen: rumgammeln oder sich im Kampf gegen die Dengue-Krankheit nützlich machen. Dass ihm die Wahl nicht sonderlich schwergefallen ist, hat nicht zuletzt mit dem Köder zu tun, den die Regierung des Bundesstaates Rio de Janeiro ausgelegt hat. So erhält der Junge für sein Engagement eine Feuerwehruniform.

"Es ist auch gut, mal was anderes zu tun", meint der Teenager. "Und wir tragen dazu bei, Leben zu retten." Als Teilnehmer eines Jugend-Feuerwehrlehrgangs erfährt er alles, was er über Dengue wissen muss, um in seinem Viertel als eine Art Präventionsberater tätig zu werden. Wie die Behörden am 1. Februar bekannt gaben, wurden im Januar 2.711 Dengue-Neuinfektionen gemeldet. Befürchtet wird eine Epidemie.

"Für die Kinder sind wir Feuerwehrleute Helden, die Menschenleben retten", sagt Mauro Domingues, Leiter der Abteilung für kommunale Aktivitäten der Feuerwehr von Rio de Janeiro. "Aus diesem Grund glauben wir fest daran, dass sie sich als patente Gesundheitsmultiplikatoren herausstellen werden." Ihre Aufgabe ist es, ihre Familien, Nachbarn und Freunde über Dengue-Gefahrenquellen, Krankheitssymptome und Hilfsmaßnahmen aufzuklären.

Nur zehn Minuten in der Woche reichten aus, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen, meint der Vizegesundheitsminister von Rio de Janeiro, Sérgio Côrtes. Die von seinem Amt entwickelte 'Zehn-Minuten-Kampagne' ist als wirksame Waffe gegen den fast unsichtbaren Feind gedacht, der im letzten Jahr allein in Brasilien 700.000 Menschen attackiert und 500 getötet hat. Die Ansteckungsgefahr soll gleich im Keim erstickt werden, indem den Mücken die Möglichkeit genommen wird, sich zu reproduzieren.

Gefahrenquellen sind achtlos weggeworfene Behälter, Dosen, Gummireifen oder auch in Vergessenheit geratene Pools. Mit Wasser gefüllt sind sie ideale Brutstätten für die Überträgermücken.

"Wir werden den Erwachsenen klarmachen, dass mit Dengue-Fieber nicht zu spaßen ist", meint die Jugendliche Juliana Sorrilha, die sich für den Feuerwehrkurs eingetragen hat. "Die Inkubationszeit beträgt vier bis zehn Tage. Erste Symptome sind hohes Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schwäche, Atemprobleme und heftige Kopfschmerzen", rasselt ein Junge herunter, der ebenfalls zu den 9.000 Junior-Trainern gehört, die aus den befriedeten Favela-Armenvierteln rekrutiert wurden.


Neue Erreger

Alberto Chebabo leitet die Abteilung für Infektionskrankheiten an der Clementino-Fraga-Filho-Universitätsklinik in Rio. Ihn beunruhigt, dass ein Großteil der Neuinfektionen durch das Virus DEN1 ausgelöst wurde, das Rio den Janeiro zuletzt in den 1990er Jahren heimgesucht hatte. Und noch Besorgnis erregender sei das Auftreten von DENV4, das Brasilien bisher weitgehend verschont habe. "Da niemand Antikörper gegen den Erreger entwickelt hat, ist so gut wie niemand immun", warnt er.

Gerade in Städten mit einer hohen Dengue-Infektionsgefahr ist es wichtig, vorbeugende Maßnahmen gegen eine Ansteckung zu treffen. Aus diesem Grund ziehen die Behörden alle Register, um die Ausbreitung der Infektionskrankheit zu verhindern. So werden auch bekannte nationale und internationale Sportler eingebunden, um die Fans zu Präventivmaßnahmen zu ermutigen.


Tausche MMA-Eintrittskarte gegen alten Gebrauchtreifen

Die Regierung hat sogar ein in Brasilien äußerst beliebtes MMA-Kampfkunstturnier organisiert. Als Eintrittspreis verlangten die Veranstalter einen alten Gebrauchtreifen, einen Dengue-Gefahrenherd. Und während in einer Ecke des Rings der Schwergewichtschampion Ricco Rodríguez auf seinen Kampf vorbereitet wurde, warnten in der anderen Ecke als riesige Mücken verkleidete Schauspieler vor der Gefahr, sich mit dem Dengue-Fieber anzustecken.

"Ein kleiner Feind? Nicht immer sind meine Gegner groß. Aber die Mücke ist am gefährlichsten", meinte der peruanische Champion im Fliegengewicht, Yerry Tolentino Jaime, vor 2.000 Fans bei den Wettkämpfen in Duque de Caxias, einem Außenbezirk der Stadt Rio de Janeiro. 700 Meter vom Ring entfernt waren 700 Gesundheitsexperten im Einsatz, die den Besuchern Larven und ausgewachsene Mücken zeigten, um sie mit dem Feind bekannt zu machen.

Aufgrund solcher Kampagnen ist es Brasilien gelungen, die Infektionsfälle im letzten Jahr um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu senken. Auch konnte die Sterberate im Zuge einer Dengue-Fieberinfektion um 40 Prozent verringert werden. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012