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AUSLAND/1902: Brasilien - Rassismus ist schlecht für die Gesundheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2012

Brasilien: Rassismus ist schlecht für die Gesundheit

von Fabiana Frayssinet


Kinder in Araçuaí, im ostbrasilianischen Bundesstaat Minas Gerais - Bild: © Rodrigo Dai/Ser Criança

Kinder in Araçuaí, im ostbrasilianischen Bundesstaat Minas Gerais
Bild: © Rodrigo Dai/Ser Criança

Rio de Janeiro, 19. November (IPS) - Wenn eine schwarze und eine weiße Schwangere in Brasilien gleichzeitig in die Notaufnahme eingeliefert werden, wird in den meisten Fällen die weiße zuerst behandelt. Viele brasilianische Ärzte gehen davon aus, dass schwarze Frauen besser mit Schmerzen umgehen können und sie außerdem an das Gebären gewöhnt seien.

"Viele Brasilianer haben Klischeebilder von Schwarzen im Kopf", sagt Crisfanny Souza Soares, Psychologin des Nationalen Netzwerks für soziales Monitoring und Gesundheit von Schwarzen. "Das führt dazu, dass sie oft nicht die gleiche Gesundheitsversorgung erhalten wie Weiße."

Dass Vorurteile und Rassismus im brasilianischen Gesundheitswesen weit verbreitet sind, haben auch mehrere Untersuchungen des Gesundheitsministeriums bestätigt. Eine Kampagne der in diesem Jahr von mehreren Hilfsorganisationen für die afro-brasilianische Bevölkerung neu gegründeten 'Nationalen Bewegung für die Gesundheit der schwarzen Bevölkerung' will dies nun ändern. Die vom UN-Bevölkerungsfonds UNFPA unterstützte Kampagne soll auf allen Ebenen der Gesellschaft für Aufklärung sorgen. Ziel ist es, die hohe Sterblichkeitsrate unter der schwarzen Bevölkerung in Brasilien zu senken.

"So gut wie alle Gesundheits-Indikatoren für schwarze Frauen fallen schlechter aus als für weiße", sagt Souza Soares. Dabei handelt es sich bei den Schwarzen nicht einmal um eine Minderheit: Rund die Hälfte der 192 Millionen Brasilianer versteht sich der letzten Volkszählung zufolge als "schwarz". Als Beispiele nennt die Psychologin sowohl Voruntersuchungen für Autoimmunkrankheiten als auch die medizinische Versorgung bei Geburten: "Bei der Brustkrebsvorsorge nehmen sich Ärzte für schwarze Frauen weniger Zeit als für weiße. Und bei der Geburt bekommen Weiße mehr Betäubungsmittel als Schwarze."


Gesundheitsministerium will medizinische Versorgung frei von Diskriminierung

Laut brasilianischer Verfassung ist die Gesundheitsversorgung ein universelles Recht, und die Regierung ist verpflichtet, dieses Recht auch zu erfüllen. Das Gesundheitsministerium untersucht Vorurteile und Rassismus gegenüber Schwarzen in der medizinischen Versorgung bereits seit 2006 im Rahmen des Projekts zum 'Einheitlichen Gesundheitssystem' (SUS). Das Ministerium strebt damit eine Demokratisierung des Gesundheitssystems an. Den SUS-Standards zufolge hat jeder Brasilianer das Recht auf eine qualitativ hochwertige, menschliche medizinische Versorgung, die frei von Diskriminierung ist.

Das Ministerium untersucht auf verschiedenen Ebenen die Schlechterstellung von Schwarzen. Dabei geht es um die pränatale Versorgung, um das Geburtsgewicht von Babys und um die Sterblichkeitsrate von Müttern und ihren Kindern. Die Daten werden getrennt nach Ethnie und Hautfarbe erhoben. Aufgrund der Ergebnisse könnten gezielt Politikmaßnahmen ansetzen.

Neue Zahlen zur Gesundheitsversorgung in Brasilien hat auch der Weltbevölkerungsfonds vorgelegt. Am 14. November legte die UN-Organisation ihren Bericht zum Zustand der Weltbevölkerung 2012 vor. Demzufolge bringen mehr schwarze minderjährige Mädchen Kinder zur Welt als weiße. Während der Anteil an den Gesamtgeburten bei Weißen zwischen 15 und 19 Jahren bei 19 Prozent liegt, beträgt der Anteil in derselben Altersgruppe bei Schwarzen 29 Prozent.

Darüber hinaus erklärten 62 Prozent der weißen Bevölkerung, dass ihnen mindestens sieben Schwangerschaftsvoruntersuchungen zugebilligt wurden. Unter den schwarzen Frauen kamen nur 37 Prozent in den Genuss dieser Zahl von Untersuchungen.


Risiko des Kindstodes unter Schwarzen viel höher

Beim Kindstod ist der Unterschied noch gravierender: Kinder von schwarzen Eltern oder Sprösslinge aus Mischehen haben ein 60 Prozent höheres Risiko, noch vor dem fünften Lebensjahr zu sterben als die Nachkommen weißer Eltern. Das Risiko, an Unterernährung zu sterben, ist bei Schwarzen sogar um 90 Prozent höher als bei Weißen.

Die Nationale Bewegung für die Gesundheit der schwarzen Bevölkerung kritisiert außerdem den Umgang mit Krankheiten, die vor allem unter Schwarzen verbreitet sind. Beispielsweise gebe es keine staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Sichelzellenanämie - eine erbliche Erkrankung der roten Blutkörperchen -, Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.redesaudedapopulacaonegra.org/
http://www.facebook.com/MobilizacaoSaudeNegra
http://www.unfpa.org.br/novo/index.php/366-vida-longa-com-saude-e-sem-racismo
http://www.ipsnews.net/2012/11/racism-is-bad-for-health
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101894

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2012