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AUSLAND/2098: Indien - Mückenfressende Fische als biologische Waffen zur Eindämmung von Malaria (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2014

Indien:
Guppy-Zucht zur Eindämmung von Malaria

Mückenfressende Fische als biologische Waffen gegen Tropenkrankheit

von Stella Paul


In Mangalore werden Guppys mit Moskito-Eiern gefüttert - Bild: © Stella Paul/IPS

In Mangalore werden Guppys mit Moskito-Eiern gefüttert
Bild: © Stella Paul/IPS

Mangalore, Südindien, 2. Mai (IPS) - Sampreeth Monteiro ist erst 13 Jahre alt. Doch das, was er zu sagen hat, stößt bei seinen Nachbarn zunehmend auf Interesse. "Kauft einen Guppy, er wird alle Moskito-Larven in eurem Haus fressen", sagt der Junge aus der südindischen Stadt Mangalore. "Ihr werdet dann keine Malaria mehr bekommen."

Monteiro besucht die St. Aloysius-Schule in Mangalore, die im April die so genannte 'Guppy-Bewegung' gestartet hat. Die gemeinsam mit der Stadtverwaltung durchgeführte Kampagne verfolgt das Ziel, die Ausbreitung von Malaria auf natürliche Weise durch Fische einzudämmen.

Kampagnenhelfer bringen Wasserbehälter mit Guppys und Moskitolarven in Krankenhäuser und Schulen, um zu zeigen, wie die Fische sich von den Larven ernähren. Auch bei kleinen Vorführungen auf der Straße demonstrieren die Freiwilligen, wie man sich vor der Krankheit schützen kann. Auch Monteiro hat auf diese Weise erfahren, dass Guppys im Kampf gegen die gefährlichen Mücken eine Rolle spielen können.

Weit entfernt von Mangalore liegt in den Hügeln im Nordosten Indiens die Stadt Shillong, wo die Regierung des Bundesstaates Meghalaya kürzlich einen Workshop zur Malaria-Prävention durchführte. Beamten und Aktivisten wurde dort vermittelt, dass die Zucht von Guppys eine effiziente Möglichkeit zur Eindämmung von durch Vektoren übertragene Krankheiten sein kann.


Gezielte Fischzucht in Gefahrenzonen

"Anhand von Satellitenbildern stellen wir fest, wo die Malaria-Gefahr besonders groß ist", erklärt der Arzt Carter Sangma aus dem Distrikt West Garo. In diesen Gebieten könnten dann gezielt Guppys gezüchtet werden. Laut Sangma ist die Zahl der durch Moskitos übertragenen Erkrankungen seit dem Beginn der Guppy-Zucht gegen Malaria 2012 bereits um etwa die Hälfte gesunken.

Die erste Verwendung von Guppys zur Malariabekämpfung geht auf das Jahr 1908 zurück. Damals brachte ein Moskito-geplagter britischer Armeeoffizier die Fische aus England mit. Major Selvy setzte die Guppys in Gewässern nahe dem Militärlager in Bangalore aus, wo er stationiert war.

Zu der Zeit begannen auch die Behörden in Mumbai (Bombay) damit, Guppys aus dem US-Bundesstaat Texas zu importieren und zur Malaria-Prävention zu verwenden. Obwohl diese Methode mittlerweile seit über einem Jahrhundert bekannt ist, hat die indische Regierung bisher nichts zu ihrer Förderung unternommen. Der in Mangalore lebende Gesundheitsaktivist Suresh Shetty kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Guppy-Zucht nicht in ländlichen Regionen eingeführt wurde, wo jedes Jahr Tausende Menschen an Malaria sterben.


Mindestens 20.000 Malaria-Tote pro Jahr in Indien

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind weltweit ungefähr 3,4 Milliarden Menschen in Gefahr, an Malaria zu erkranken. In Indien sterben nach vorsichtigen Schätzungen jährlich etwa 20.000 Menschen an der Krankheit. Rund 15 Millionen Inder infizieren sich mit dem Erreger.

Die Verbreitung von Malaria wird hauptsächlich mit dem Fehlen sanitärer Anlagen, nicht sachgerecht entsorgtem Müll, stehenden Gewässern und Klimaveränderungen in Verbindung gebracht. Das Versprühen von Insektiziden und der Gebrauch von Moskitonetzen in Schlafzimmern sind die am weitesten verbreiteten Hilfsmittel im Kampf gegen die Krankheit, vor der man sich durch Vorsichtsmaßnahmen vollständig schützen kann. Die larvenfressenden Guppys sind nach Ansicht von Experten allerdings die preisgünstigste und effizienteste Waffe.

In dem Unionsstaat Assam im Nordosten Indiens züchten Wissenschaftler am Malaria-Forschungszentrum Guppys inzwischen in großem Umfang. "Die Bio-Kontrolle hat Assam dabei geholfen, die Zahl der Malaria-Erkrankungen signifikant zu senken", sagt Nripendra Kumar Sarma vom Amt für Gesundheitstechnik.

"Bis 2012 hatten wir jedes Jahr mehr als 30.000 Fälle. Inzwischen sind es nur noch 3.000 bis 4.000. Die Fisch-Methode kann gut in Gebieten angewandt werden, in denen ein hohes Risiko für von Mücken übertragene Krankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber und Hirnhautentzündung besteht", sagt er. Die Regierung müsse dazu mit den in den Dörfern tätigen Hilfsorganisationen und dem Privatsektor zusammenarbeiten.


Privatunternehmer verteilt gratis Guppys

Der Unternehmer Somasekhar Gowda aus der Stadt Mysore hält es für eine gute Idee, durch die Einbindung von Firmen und Finanzinstitutionen dafür zu sorgen, dass für solche Projekte genügend Geld zur Verfügung steht. In der Stadt, die rund 180 Kilometer südlich von Bangalore liegt, züchtet Gowda seit vergangenem Mai Guppys und verteilt sie gratis.

Der Geschäftsmann wurde aktiv, nachdem vier Kinder in dem Dorf D Salhundi an Dengue-Fieber gestorben waren. Mehrere Familien verließen daraufhin aus Angst fluchtartig den Ort. Mit Hilfe von Dorfbewohnern setzte Gowda in D Salhundi Guppys in mehr als 50 kleinen Reservoirs und Gewässern aus.

"Eine bessere Zusammenarbeit mit der Regierung sowie öffentlich-private Partnerschaften können dabei helfen, Malaria überall auszurotten", meint Gowda. In Mumbai beteiligten sich Caterer, die Büroangestellten ihr Mittagessen bringen, an der Kampagne. Und in Mangalore arbeite die Stadt mit Schulen und Finanzinstitutionen zusammen, um Geld zusammenzubringen und freiwillige Helfer zu finden.


Einsatz heimischer Arten gefordert

Wissenschaftler warnen allerdings auch davor, dass der verstärkte Einsatz von Guppys zur Malaria-Bekämpfung die Artenvielfalt des Landes in Gefahr bringen könne. Denn die Guppys fressen nicht nur Moskito-Larven, sondern auch andere Fische. Als Lösung wird vorgeschlagen, gezielt indigene Fischspezies zu züchten, die sich ebenfalls von Mückenlarven ernähren. In Frage kämen etwa Tilapia-Buntbarsche, Gambusen und Schwarze Spitzschwanzmakropoden.

In der Stadt Vellore im südindischen Staat Tamil Nadu hat es zwar schon seit fast zehn Jahren keine Malaria-Fälle mehr gegeben. Trotzdem haben die Behörden im April 4.500 Guppys in Brunnen ausgesetzt, um zu verhindern, dass Tausende Menschen, die jedes Jahr zu medizinischen Behandlungen in die Stadt kommen, die Krankheit wieder einschleppen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/04/india-finds-fishy-ways-fight-malaria/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2014