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AUSLAND/2194: Argentinien - Transfettsäuren ade, Obergrenzen für die Lebensmittelindustrie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Januar 2015

Argentinien: Transfettsäuren ade - Obergrenzen für die Lebensmittelindustrie

von Fabiana Frayssinet


Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Seit Anfang des Jahres dürfen solche Croissants keine gehärteten Fette mehr enthalten
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Buenos Aires, 6. Januar (IPS) - Argentinien hat als erstes Land Südamerikas Obergrenzen für die Verwendung von Transfettsäuren in Lebensmitteln eingeführt. Seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes am 10. Dezember darf der Maximalanteil der gehärteten 'Killerfette' in Pflanzenölen und Margarinen zwei Prozent und in anderen Nahrungsmitteln fünf Prozent betragen.

Transfette entstehen, wenn Pflanzenöle mit Hilfe von Wasserstoff (Hydrogenisierung) gehärtet werden, um sie haltbarer und streichfähiger zu machen. Sie werden für einen Anstieg des schädlichen LDL-Cholesterins im Blut und für gefährliche Folgeerscheinungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht.

"Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, Hirndurchblutungsstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern, ist getan. Dass diese Fette gefährlich sind, ist längst erwiesen. Sie erhöhen das schlechte Cholesterin (LDL) im Körper und verringern das gute Cholesterin (HDL)", erläutert Lorena Allemandi, Leiterin der Abteilung für gesunde Ernährung der argentinischen Sektion der Interamerikanischen Herzstiftung (IAHF).


Wirksame Präventivmaßnahme

Bezugnehmend auf etliche Studien geht das Gesundheitsministerium davon aus, dass Argentinien allein mit dieser Maßnahme die Rate der Herzkrankheiten binnen vier bis fünf Jahren um sechs Prozent senken kann. Dies bedeutet, dass jährlich 1.500 Todesfälle, 2.800 Herzinfarkte und über 5.000 Herzerkrankungen weniger eintreten werden, wie Sebastián Laspiur, der Abteilungsleiter für Gesundheitsförderung und Kontrolle nichtansteckender Krankheiten im Gesundheitsministerium, erklärt.

Auch werden dadurch die Behandlungskosten verringert. So kann der Staat allein durch einen Rückgang der Komplikationen von Herzerkrankungen jährlich bis zu 100 Millionen US-Dollar einsparen. Ein weiteres Plus ist nach Ansicht von Laspiur die Tatsache, dass das neue Gesetz inklusiv wirkt: Die Ärmsten im Lande, die meist die mit Transfettsäuren verarbeiteten Fertiggerichte verzehrten, lebten gesünder.

Argentinien ist das erste Land der Region, das Obergrenzen für die Verwendung von Transfetten in Nahrungsmitteln festgelegt hat. Damit folgt das Land dem Beispiel einiger europäischer Länder wie Dänemark, Island, Norwegen, Österreich und der Schweiz. Das Nachbarland Chile hat angekündigt, 2016 nachzuziehen.

Die argentinische Regierung hatte der Nahrungsmittelindustrie im Dezember 2010 zwei Jahre Zeit gegeben, um den Anteil der Transfettsäuren in Speiseölen und Margarinen zu senken. Bei allen anderen Produkten betrug die Übergangszeit vier Jahre. Diese Frist ist am 3. Dezember abgelaufen. Eine Kennzeichnungspflicht transfetthaltiger Nahrungsmittel besteht bereits seit 2006.

Eine Studie der IAHF von 2013 fand heraus, dass der Anteil von Killerfetten in 42 von 878 Produkten der Markenfirmen, die Supermärkte beliefern, noch immer zu hoch war. Das galt unter anderem für Müsli-Riegel, Glasuren und Backwaren. Dennoch ist Laspiur zuversichtlich, dass das Gesetz künftig eingehalten wird. Darauf deute die gute Zusammenarbeit mit der Nahrungsmittelindustrie hin. Auch werde die Umsetzung des Gesetzes kontrolliert.

Dem hochrangigen Regierungsvertreter zufolge hält sich die Backwarenindustrie bereits an Gesundheitsmaßnahmen wie die Verringerung des Salzanteils in ihren Produkten, die das Bluthochdruckrisiko reduzieren können. Auch die Fast-Food-Ketten, die ihre Zutaten von auswärtigen Back- und Süßwarenherstellern bezögen, kooperierten.

Allemandi zufolge besteht die größte Herausforderung darin, auch die kleinen und mittelständischen Betriebe auf Kurs zu bringen, von denen viele außerhalb der großen Städte produzieren. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass die Bäckereien, die unter anderem die in Argentinien geliebten Croissants herstellen, rigoros überprüft werden.


Forschung

Die öffentliche Lebensmittelforschung sieht sich derzeit nach kostengünstigen Alternativen zu den schädlichen Billigfetten um. So sind Experten am Nationalen Rat für wissenschaftliche und technische Forschung (CONICET) an zwei Entwicklungen des Instituts für Polymere und Nanotechnologie beteiligt.

Zum einen arbeiten die Wissenschaftler an der Entwicklung eines neuen sterinhaltigen Sonnenblumenöls. Sterine sind biochemisch wichtige Naturstoffe, die die Aufnahme von zu viel Cholesterin verhindern. Bei der zweiten Initiative handelt es sich die Produktion von proteinstabilisierten Emulsionen.

"Der Hauptvorteil dieser beiden Alternativen besteht darin, dass die dafür erforderlichen Komponenten in Hülle und Fülle in unserem Land vorhanden sind", betont die Leiterin der beiden Projekte, Lidia Herrera. "Hightech wird für die Herstellung nicht erforderlich sein."

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhöht der Konsum von nur fünf Gramm gehärteten Fettes pro Tag das Herzerkrankungsrisiko um 25 Prozent. 2008 wurde in Rio de Janeiro die Transfettfreie Amerikas-Initiative gegründet, die sich für ein Verwendungsverbot von gehärteten Fetten bei der Nahrungsmittelproduktion einsetzt. Einige wichtige Firmen haben sich der Initiative angeschlossen. (Ende/IPS/kb/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/01/argentina-festeja-el-nuevo-ano-libre-de-grasas-trans/
http://www.ipsnews.net/2015/01/argentina-celebrates-new-year-free-of-trans-fats/

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IPS-Tagesdienst vom 6. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2015


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