Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


AUSLAND/2204: Pazifik - Volkskrankheit Diabetes. Verheerende Folgen gefährden regionale Entwicklung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2015

Pazifik:
Volkskrankheit Diabetes - Verheerende Folgen gefährden regionale Entwicklung

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Gesunde Nahrung und viel Bewegung schützen vor Diabetes
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, 12. Februar (IPS) - Die rasche Zunahme nichtübertragbarer Krankheiten in den pazifischen Inselstaaten ist nach Ansicht der Gesundheitsminister die größte Hürde bei der Erreichung der Entwicklungsziele ab 2015. Etwa 75 Prozent aller Todesfälle in der Region gehen auf Diabetes und andere solcher Leiden zurück.

Nach Erkenntnissen der Internationalen Diabetes-Stiftung tritt die Stoffwechselkrankheit im westlichen Pazifikraum häufiger auf als in anderen Teilen der Welt. Ungesunde Essgewohnheiten, Übergewicht und Bewegungsmangel wirken sich negativ aus. Auf den Cook-Inseln leiden bereits 25 Prozent der Bevölkerung an Diabetes, 29 Prozent in Tokelau und 37 Prozent auf den Marshall-Inseln.

Gesundheitsexperten reagieren mit wachsender Sorge, denn die Zuckerkrankheit kann im fortgeschrittenen Stadium Sehstörungen hervorrufen und die Amputation von Gliedmaßen erforderlich machen. Dadurch werden Bemühungen der Behörden im Kampf gegen Armut und Ungleichheit erschwert.

Im sieben Millionen Einwohner zählenden Papua-Neuguinea im südwestlichen Pazifik steigt die Prävalenz von Diabetes in der gesamten Bevölkerung, sogar bei Kindern unter zwölf Jahren. "Bereits bei 23-Jährigen werden Gliedmaßen amputiert", berichtet Gerard Saleu vom staatlichen Institut für medizinische Forschung. "Diabetes führt zweifellos zu mehr körperlichen Behinderungen. Doch in dieser Region kann sich nicht jeder einen Rollstuhl oder Geh- und Sehhilfen leisten."


Ungesunde Ernährung

Ein Anstieg bei den nichtübertragbaren Krankheiten ist seit den 1970er Jahren zu beobachten. Die Häufigkeit, mit der Diabetes vom Typ 2 in Apia, der Hauptstadt des Staates Samoa, auftritt, hat sich allein zwischen 1978 und 1991 bei Männern von 8,1 auf 9,5 Prozent und bei Frauen von 8,2 auf 13,4 Prozent erhöht. Dieser Trend wird mit einem globalisierten Lebensstil und zunehmenden Importen von fett- und zuckerreicher Fertignahrung in Verbindung gebracht.

Die regionale Bevölkerung ernährte sich ursprünglich vor allem von Fisch, Gemüse und Obst. Inzwischen nehmen sie große Mengen an Instant-Nudeln, abgepackten Keksen und kohlensäurehaltigen Getränken zu sich. Laut dem Sekretariat der Pazifischen Gemeinschaft (SPC) ernähren sich weniger als zehn Prozent der Erwachsenen in Kiribati, Nauru, den Marshall-Inseln, Papua Neuguinea und den Salomonen gesund. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung von Amerikanisch-Samoa, Tokelau, den Cook-Inseln und Tonga seien übergewichtig.

Die fortschreitende Urbanisierung macht die Menschen noch anfälliger für nichtübertragbare Krankheiten. Hinzu kommt mangelnde Bewegung. Wie aus einer medizinischen Studie hervorgeht, sind etwa 11,3 Prozent der Frauen in Städten und nur 0,9 Prozent der Frauen in ländlichen Gebieten von Diabetes betroffen. Wenn die Bauchspeicheldrüse zu wenig Insulin produziert, um den Blutzuckerspiegel zu regulieren, können Durchblutungsstörungen sowie Nerven-, Herz-, Augen- und Nierenschäden die Folge sein. Damit steigen die Risiken für Erblindung, Schlaganfälle und Amputationen insbesondere der Füße und Unterschenkel.

Statistisch gesehen tragen die nichtübertragbaren Krankheiten 66,5 Prozent zu den weltweit registrierten 'Lebensjahren mit Behinderung' bei. "Täglich werden in den Hospitälern in der Pazifikregion viele Amputationen durchgeführt, und ständig verlieren Menschen aufgrund von Diabetes ihr Augenlicht", so das Pazifik-Behinderten-Forum (PDF) auf den Fidschi-Inseln.

Auf den Pazifikinseln büßen bis zu 47 Prozent der an Diabetes Erkrankten ihre Sehkraft ein, wie das Forum berichtet. Schätzungsweise 17 Prozent der Betroffenen werden Gliedmaßen abgenommen. Von 2010 bis 2012 wurden in dem Hauptkrankenhaus in Fidschi, wo mehr als 881.000 Menschen leben, in 938 Fällen bei Diabetes-Patienten untere Gliedmaßen entfernt. Die meisten von ihnen waren zwar mindestens 45 Jahre, doch rund 100 Amputierte waren zwischen 25 und 44 Jahre alt.

Im größten Krankenhaus des südpazifischen Inselstaates Tonga mit etwa 103.000 Bewohnern war während der vergangenen zehn Jahre ein Anstieg solcher Amputationen um 400 Prozent zu beobachten. Der Verlust der eigenen Mobilität, ein schlechteres Einkommen und steigende Ausgaben für Medizin verstärken die Armut und Ungleichheit.

Wie eine PDF-Sprecherin erklärt, sind die meisten öffentlichen Gebäude auf den Inseln nicht barrierefrei. Außerdem seien Arbeitgeber nicht auf den Umgang mit behinderten Mitarbeitern eingestellt. Viele Kranke könnten daher nicht mehr arbeiten, und ihre Familien müssten mit weniger Geld auskommen.


Gesellschaftliche Diskriminierung

Auch wenn die Politik zunehmend signalisiert, die Lage von Behinderten verbessern zu wollen, die immerhin 17 Prozent der Pazifik-Bevölkerung ausmachen, wird diese Gruppe nach Erkenntnissen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) weiterhin gesellschaftlich ausgegrenzt. "Sie haben nur einen eingeschränkten Zugang zu Bildung, Arbeit und grundlegenden sozialen Dienstleistungen", erklärt UNDP.

In Fidschi beispielsweise sind schätzungsweise 89 Prozent der Behinderten erwerbslos. Wie PDF berichtet, fehlen zudem Rehabilitierungsmöglichkeiten für Menschen, die durch Diabetes beeinträchtigt sind und mit den körperlichen und psychischen Folgen nicht zurechtkommen. Die Auswirkungen der nichtübertragbaren Krankheiten auf das Leben der Bewohner der Pazifikregion verlangsamen die menschliche Entwicklung und lasten als schwere Bürde auf dem öffentlichen Gesundheitssektor.

In Samoa wurden die Kosten bei Diabetes-bedingtem Nierenversagen im Zeitraum 2010/11 mit 38.686 US-Dollar pro Patient beziffert, wie die Weltbank berichtet. Die Gesamtkosten für den Staat überstiegen das Bruttoinlandsprodukt des Landes um mehr als das Zwölffache. Bislang tragen die Regierungen der Pazifikstaaten bis zu 90 Prozent aller Kosten im Gesundheitssektor. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:
http://www.ipsnews.net/2015/02/diabetes-epidemic-threatens-development-gains-in-pacific-islands/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Februar 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang