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AUSLAND/2295: Afghanistan - Ärzte ohne Grenzen gedenkt der Opfer des Angriffs auf Krankenhaus in Kundus (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 3. November 2015

Ärzte ohne Grenzen gedenkt der Opfer des Angriffs auf Krankenhaus in Kundus

Staaten müssen unabhängige Untersuchung in Gang setzen


Berlin, 3. November 2015. Einen Monat nach dem Bombardement ihres Krankenhauses in Kundus, Afghanistan, gedenkt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen heute mit weltweiten Aktionen der Getöteten und fordert erneut eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse. "Bei dem Angriff am 3. Oktober starben mehr als 30 Menschen, darunter 13 unserer Mitarbeiter. Nach dem Angriff sind Verletzte und Schwerkranke ohne medizinische Hilfe, denn wir mussten unsere Arbeit in Kundus einstellen. Doch unsere Forderung nach einer unabhängigen internationalen Untersuchung verhallt ungehört. Das ist beschämend", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland. In Deutschland finden Gedenkveranstaltungen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin sowie in Hamburg, Frankfurt und München statt.

Das Hauptgebäude des Krankenhauses von Ärzte ohne Grenzen in Kundus wurde am 3. Oktober während eines einstündigen Bombardements im 15-Minuten-Takt sehr präzise getroffen. Und dies obwohl zuvor regelmäßig die exakten GPS-Daten der Einrichtungen an alle Konfliktparteien kommuniziert worden waren, zuletzt am 29. September. Obwohl Mitarbeiter der Organisation nach den ersten Einschlägen Militärverantwortliche in Kabul und Washington informierten, dauerte der Beschuss noch mehr als eine halbe Stunde an. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 105 Patienten und 80 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen im Krankenhaus.

"Das Bombardement war eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts", so Westphal. "Im Ersten Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen (Art. 90) wurde für die Untersuchung solcher Verletzungen die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (IHFFC) eingeführt. Nach dem Angriff haben wir alle 76 Unterzeichnerstaaten dieses Zusatzprotokolls, darunter die Bundesrepublik Deutschland, angeschrieben und sie gebeten, eine unabhängige Untersuchung durch die IHFFC zu unterstützen. Doch die Staaten schweigen." Die Schweiz hat die Kommission einberufen, doch um Ermittlungen beginnen zu können, braucht sie das Einverständnis der afghanischen und der US-amerikanischen Regierung.

"Kundus war nicht nur ein Angriff auf ein Krankenhaus, sondern ein Angriff auf die Genfer Konventionen", sagt Westphal. "Die Konventionen halten die Regeln des Krieges fest und wurden zum Schutz von Zivilisten geschaffen. Sie ermöglichen es unseren Teams, in Kriegsgebieten zu helfen und ermöglichen damit unseren Patienten sicheren Zugang zu medizinischen Einrichtungen. Eine unabhängige Untersuchung kann dabei helfen, den geschützten Status von medizinischem Personal und medizinischen Einrichtung in Konfliktgebieten wieder herzustellen. Auf dem Spiel steht die Möglichkeit von humanitären Organisationen wie der unsrigen, lebensrettende Hilfe in Konflikten zu leisten."

Das Krankenhaus in Kundus wurde von Ärzte ohne Grenzen seit 2011 betrieben und war die einzige Einrichtung im Nordosten Afghanistans, in der chirurgische Eingriffe vorgenommen werden konnte. Im Jahr 2014 wurden dort mehr als 22.000 Menschen behandelt.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 3. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2015

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