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ARTIKEL/1422: Deutsch-dänische Kooperation im Gesundheitswesen erhält einen Dämpfer (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/2016

KOOPERATION
Dänen setzen auf eigene Kapazitäten

von Dirk Schnack


Die Flensburger Strahlentherapie ist ein Vorzeigeprojekt deutsch-dänischer Kooperation im Gesundheitswesen. Nun droht das Ende der Zusammenarbeit.


Zwischen Dänemark und Deutschland wird seit Jahrzehnten über die Grenzen hinweg auch im Gesundheitswesen zusammengearbeitet - nun erhält diese Kooperation einen Dämpfer. Ausgerechnet das Vorzeigeprojekt in der Strahlentherapie des Malteser St. Franziskus Hospitals ist betroffen; dänische Tumorpatienten sollen ab dem kommenden Jahr nur noch in ihrem Heimatland behandelt werden.

Fast eine halbe Million Deutsche und 250.000 Dänen wohnen in der Grenzregion der Nachbarstaaten. Sie gehen in beiden Staaten einkaufen, essen, nutzen Freizeitangebote und manchmal auch Gesundheitseinrichtungen im Nachbarland. Für Klinikmitarbeiter im Flensburger Malteser St. Franziskus Hospital ist diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit schon seit Langem tägliche Routine. Sie unterhalten sich mit dänischen Patienten in deren Heimatsprache und behandeln sie nach dänischen Leitlinien. Nach der Strahlentherapie erhalten sie Rückmeldungen von dänischen Ärzten über die Krankheitsverläufe. Seit 2002 gibt es diese Kooperation bereits und alle Seiten profitieren: Das Malteser Krankenhaus investierte auch dank der Einnahmen aus Dänemark in neue Technik. Flensburg konnte damit Kapazitäten schaffen, die der wachsenden Zahl deutscher Patienten kürzere Wartezeiten bescherten, und die dänischen Patienten aus dem Grenzgebiet genossen die kurzen Wege und ebenfalls kürzere Wartezeiten, denn nicht immer waren die Kapazitäten im Nachbarland ausreichend. Diese Zusammenarbeit klappte aus Sicht des früheren Gesundheitsministers Dr. Philipp Rösler (FDP) so gut, dass er die Kooperation nach einem Besuch im Jahr 2010 sogar als Vorbild für die grenzüberschreitende Kooperation in anderen Regionen empfahl.

Nun droht dem Vorzeigeprojekt das Ende - die Region Syddanmark hat den Kooperationsvertrag gekündigt. Wenn es dabei bleibt, müssen sich die dänischen Patienten künftig in den heimischen Krankenhäusern in Odense oder in Vejle behandeln lassen, wo die Kapazitäten nicht ausgelastet sind. Da in deren Abteilungen ohnehin Vorhaltekosten anfallen, wird die Behandlung in diesen Häusern für das dänische Gesundheitswesen günstiger.

Die Aussichten auf eine Einigung standen bis Redaktionsschluss schlecht. Denn auch ein nachgebessertes Angebot des Flensburger Krankenhauses schlugen die Dänen aus. Bislang zahlt der Nachbarstaat für die Behandlung seiner Patienten in Flensburg einen Preis, in den auch der Kapitaldienst und die Kosten für Gebäude und Technik in Flensburg einkalkuliert sind. Unter dem Strich waren dies nach Angaben von Malteser-Geschäftsführer Klaus Deitmaring jährlich rund 850.000 Euro Umsatz, die dem St. Franziskus aus Dänemark zuflossen. Das neue Flensburger Angebot sah vor, diesen Preis auf das Niveau deutscher GKV-Patienten abzusenken. Die Dänen schlugen dennoch aus. Mehr Verhandlungsspielraum sieht Deitmaring nicht. "Wir können nicht die Behandlung dänischer Patienten subventionieren", sagte er auf Nachfrage.

Auf ihn kommt nun die Herausforderung zu, den Umsatzausfall zu kompensieren. Entlassungen schloss Deitmaring jedoch aus. "Strahlentherapeuten werden europaweit gesucht. Und in Deutschland steigt die Zahl der Strahlenpatienten", sagte Deitmaring. Im vergangenen Jahr hatten sich insgesamt 1.450 Strahlenpatienten in Flensburg behandeln lassen, bei einem steigenden Anteil der deutschen Patienten. Das bedeutet: Die Kapazitäten in Flensburg werden mittelfristig auch ohne die Patienten aus dem Nachbarland ausgelastet sein. Und auch die Einsparungen wird das Haus irgendwie hinbekommen, glaubt Deitmaring. Sein Haus zählt zu den profitablen und konnte im vergangenen Jahr ein Plus erwirtschaften. Auch 2016 und 2017 rechnet Deitmaring mit einem positiven Ergebnis.

Deitmaring befürchtet mittelfristig andere Nachteile für sein Krankenhaus: Das Personal kam auch in die deutsche Grenzstadt, weil die Arbeit mit ausländischen Patienten nach anderen Leitlinien interessant ist und von den meisten Beschäftigten als Gewinn betrachtet wird. Dieser Vorteil fällt künftig weg. Auch die Positionierung des Hauses im Wettbewerb verschiebt sich, denn mit ausländischen Patienten liegt Flensburg zentral im Ostseeraum. Beschränkt sich das Einzugsgebiet aber auf Deutschland, liegt Flensburg am äußersten Rand ohne nördliches Einzugsgebiet.

Die Kündigung der Dänen liegt aber nicht nur in den erhofften Einsparungen begründet. Deitmaring gibt zu bedenken, dass der von deutscher Seite so gepriesene Kooperationsvertrag immer nur eine Einbahnstraße war - deutsche Patienten nutzten die Möglichkeit der Behandlung in Dänemark bislang kaum.

Dabei gäbe es nach seiner Ansicht durchaus sinnvolle Möglichkeiten. Etwa wenn im kommenden Jahr das Partikeltherapiezentrum im dänischen Aarhus eröffnet wird. Norddeutsche müssen für den Weg ins nächste Partikeltherapiezentrum bis nach München oder Heidelberg reisen und damit deutlich weitere Wege als nach Aarhus in Kauf nehmen, das nur 185 Kilometer von Flensburg entfernt liegt.

Das Flensburger Krankenhaus hat bislang vergeblich versucht, die gesetzlichen Krankenkassen zu einer Kostenübernahme der Behandlung in Aarhus zu bewegen. Deitmaring hat damit die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Hilfesuchend wendete er sich jetzt an die Politik, um die Kooperation nicht beenden zu müssen. Der Klinik-Geschäftsführer hat die Politiker in sein Haus eingeladen, um sich ein Bild von der bislang funktionierenden Zusammenarbeit zu machen. "Viele tausend Menschen haben von der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit profitiert. Die Fortführung liegt in den Händen der Politiker." Das Ergebnis seiner Bemühungen blieb bis Redaktionsschluss offen.


Randbemerkungen

Deutschland und Dänemark kooperieren auf vielen Gebieten - auch im Gesundheitswesen. Nun hat Dänemark die Zusammenarbeit mit der Flensburger Strahlentherapie gekündigt.

1.450
Patienten wurden im vergangenen Jahr in der Strahlentherapie des Malteser St. Franziskus Hospitals behandelt, darunter rund 200 Dänen. Der Anteil der deutschen Patienten steigt. Ohne dänische Patienten aber entfällt die Positionierung als international tätiges Krankenhaus.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201610/h16104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, Oktober 2016, Seite 14 - 15
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
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Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2016

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