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ARTIKEL/1496: Telemedizin - Praxis 2025 (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2018

Telemedizin
Praxis 2025

von Dirk Schnack


In der Praxis von Dr. Ulrich von Rath in Lübeck-Travemünde setzen die Verantwortlichen in der Versorgung auf Telemedizin. Ihre Vision: schon heute die Hausarztmedizin des Jahres 2025 anbieten.


Wenn Dr. Ulrich von Rath aus seinem Sprechzimmer im zweiten Stock des Travemünder Hafenhauses blickt, bietet sich ihm freie Sicht auf das maritime Herzstück der Hansestadt. Aus dieser Perspektive fällt es ihm leichter, die Gedanken vom bisweilen hektischen Alltag in der Praxis darauf zu richten, was kommt: Die Hausarztmedizin im Jahr 2025 ist ein Thema, das den Allgemeinmediziner und Internisten schon heute umtreibt.

Seine Praxis hat von Rath ganz bewusst vor einem Jahr an diesen besonderen Standort etwas außerhalb des Stadtteils verlegt. Denn das Hafenhaus bietet nicht nur einen außergewöhnlichen Blick und gute Verkehrsanbindungen, sondern auch Entfaltungsmöglichkeiten für seine Praxis.

Diese Entfaltungsmöglichkeiten sind ihm wichtig - neben dem Alltag will der Mediziner auch die wichtigen Linien für die Versorgung im Blick behalten. Dazu gehören die Aus- und Weiterbildung sowie Versorgungsforschung. Beide Themen sind als feste Säulen in der Praxis verankert. Dritte Säule: die Telemedizin. In der Praxis sind Mitarbeiterinnen beschäftigt, die Telemedizin nicht als unabwendbare Entwicklung, sondern als Chance für die Patientenversorgung begreifen. Zwei von ihnen fahren mit einem Telerucksack zu Patienten, damit diese in ihrer häuslichen Umgebung versorgt werden können. Bei Bedarf schalten sie von Rath über ein Tablet hinzu. Bis zu 50 solcher Besuche im Quartal machen Karola Tiedemann und ihre Kollegin inzwischen. Vielen ersparen sie damit den Besuch in der Praxis - oder dem Arzt den Hausbesuch.

Ein anderes Instrument ist die Liaison-Sprechstunde mit einer augenärztlichen Praxis in Rendsburg. Wie das helfen kann, zeigt das Beispiel eines am Auge verletzten Hafenarbeiters, der als Notfall in seine Praxis kam. Von Rath schaltete seinen Kollegen Dr. Jon Heisler aus Rendsburg per Video ein. Der konnte sich über die Entfernung von über 100 Kilometern ein erstes Bild machen und den Patienten in die Uniklinik verweisen. Das hätte von Rath zwar auch machen können, aber die Erstdiagnose durch den Augenarzt nahm dem Patienten die größten Ängste. "Er konnte wenige Minuten nach dem Arbeitsunfall beruhigt in die Uniklinik gebracht werden", erinnert sich von Rath. Ein weiteres telemedizinisches Instrument soll in Kürze folgen: Die elektronische Visite (elVi) im Pflegeheim will von Rath einsetzen, sobald die Rahmenbedingungen ihm das erlauben.

In den Rahmenbedingungen sieht von Rath auch das größte Hindernis. "Wir werden für die heutige Versorgung, nicht für die Entwicklung bezahlt. Wir erfahren Wertschätzung, nur nicht finanziell", lautet seine Erfahrung. Bislang rechnet sich der Einsatz der Telemedizin nach seinen Angaben nicht.

Nur: Ohne Ärzte wie von Rath wüsste man nicht, ob der Einsatz der telemedizinischen Instrumente in der Versorgung Sinn macht und was eventuell verändert werden müsste. "Wenn man etwas testet, muss man auch scheitern dürfen, ohne dafür in finanzielle Schieflage zu geraten", fordert von Rath.

Ihm ist wichtig, dass im deutschen Gesundheitswesen stärker als bislang reflektiert wird, wie Instrumente in der Versorgung wirken. Seine Praxis arbeitet deshalb eng mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Universität Lübeck zusammen, dort wurden die hier angewandten telemedizinischen Projekte entwickelt. Neben Fragen der Telemedizin interessiert den Arzt auch die integrative Medizin - ein Feld, auf dem er mit den Lübecker Wissenschaftlern kooperiert und auf dem er derzeit an einer Pilotstudie über Atemwegsinfektionen teilnimmt.

Auch der ärztliche Nachwuchs zeigt sich an der Ausrichtung der Praxis interessiert. Neben einer angestellten Kollegin beschäftigt von Rath regelmäßig Weiterbildungsassistenten. Die Praxis ist inzwischen so stark frequentiert, dass seine Arbeitstage seit dem Umzug in das Hafenhaus immer länger wurden. "Ich arbeite gerne", betont er. Wenn die derzeitigen Honorarregelungen für die Telemedizin - Rath spricht von "betriebswirtschaftlichem Harakiri" - geändert werden, könnte dies auch in den künftigen Jahren so bleiben.


50

Hausbesuche mit dem Telerucksack absolvieren die NäPA's in der Praxis von Dr. Ulrich von Rath derzeit pro Quartal. Bei geänderten Honorarbedingungen könnten dies mehr werden.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2018 im Internet unter:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
71. Jahrgang, November 2018, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2018

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