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ARTIKEL/1508: Ambulante Versorgung in ländlichen Regionen - Beispiel Erfde (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2019

Ländliche Versorgung
Spahns Landpartie

Zwei Hausärzte praktizieren aktuell in Erfde. Ziel ist ein Ärztezentrum in der 1900 Einwohner-Gemeinde.

von Stephan Göhrmann


Bundesgesundheitsminister Spahn spricht in Erfde zur ambulanten Versorgung im ländlichen Raum. Landarztquote, Telemedizin und Medizische Versorgungszentren könnten aus seiner Sicht helfen.


Stapelholm-Halle in Erfde statt Bundestag in Berlin: Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im April nach Erfde kam, blieb kein Platz in der Mehrzweckhalle der kleinen Gemeinde im Kreis Schleswig-Flensburg leer. Spahn stellte sich den Problemen und Ängsten der Landbevölkerung.

Die Veranstaltung stand unter der Frage, wie die ärztliche und pharmazeutische Versorgung auf dem Land künftig sichergestellt werden kann. Auch die rund 1900 Einwohner in Erfde fragen sich, wie die ärztliche Versorgung bei ihnen in den nächsten Jahrzehnten organisiert wird. Und vor allem: Von wem? In den knapp eineinhalb Stunden, die Spahn vor Ort war, sprintete der Minister zunächst durch aktuelle Themen des Gesundheitswesens: Organspende, Impfpflicht, Pflege, Kammerpolitik, Landarztquote, Budgetierung und Digitalisierung.

Gleichzeitig zeigte er seine Motivation und seinen Blick auf die Versorgung in ganz Deutschland. Weil er in einem 3800 Seelen-Dorf im Münsterland aufgewachsen ist, kennt er die Rolle von Medizinern und Apothekern in der Dorfgemeinschaft. "Früher prägte ein Apotheker oder ein Arzt das Dorfbild. Nicht selten war einer von beiden auch der Bürgermeister", erinnert sich Spahn. Als ständige Ansprechpartner gehörten Ärzte und Apotheker nicht nur zur medizinischen Versorgung, sondern auch zum Selbstverständnis eines Ortes, so Spahn, dem es neben dem Versorgungsaspekt auch um die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen zwischen Land und Stadt geht.

Was tun gegen die drohende medizinische Unterversorgung? Spahn will das Problem an mehreren Stellschrauben angehen und beginnt schon bei der Zulassung zum Studium. Der Abiturschnitt sollte nach seiner Ansicht nicht das einzige Zulassungskriterium für das Medizinstudium sein. Überzeugt ist er von einer Landarztquote für Studierende, die für eine bevorzugte Studienplatzvergabe an Bewerber sorgt, die sich nach dem Studium für eine Tätigkeit auf dem Land verpflichten. "Das Medizinstudium ist das teuerste Studienfach, das die Steuerzahler tragen. Dann darf ich mich doch fragen, ob die nicht dahingehen sollen, wo der Mangel ist", begründet Spahn seine Haltung. Kritische Stimmen, die danach fragen, ob man sich als Student zehn Jahre im Voraus festlegen könne, setzt er entgegen: "Ich sage Ihnen, die werden es nutzen." Spahn weiß auch, diese Themen kann er nicht allein anpacken - Hochschulpolitik ist Ländersache.

Spahn setzte sich auch mit der Frage auseinander, weshalb nicht mehr Ärzte in die ambulante Versorgung auf dem Land gehen. Eine seiner Vermutungen: Bei einer zurückgehenden Zahl an Ärzten auf dem Land befürchten diese eine höhere Belastung durch Bereitschaftsdienste. Dass dies in Schleswig-Holstein seit der Notdienstreform schon seit Jahren kein Thema mehr ist, wurde nicht erwähnt. Auch die vermeintlich andere Einstellung junger Ärzte wurde vom Minister angesprochen. Nach seiner Beobachtung spielen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und betriebswirtschaftlicher Druck schon vor dem Start in die Niederlassung bei jungen Ärzten eine Rolle. Dies habe zum Trend, vermehrt angestellt im ambulanten Bereich tätig zu werden, beigetragen. Medizinische Versorgungszentren, die durch kommunales Engagement ermöglicht werden, hält er für einen Weg, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. "Ich kann nur empfehlen, sich mit den KVen zusammenzusetzen", sprach sich Spahn für die Zusammenarbeit zwischen Kommunen und KVen aus. Am Rande der Veranstaltung wurde bekannt, dass Erfder Hausärzte ein solches Zentrum planen und sich von der Ärztegenossenschaft Nord unterstützen lassen möchten.

Als "Teil der Lösung" nannte Spahn telemedizinische Angebote. Damit könnten zusätzliche Expertise in den ländlichen Raum geholt und Online-Sprechstunden ermöglicht werden. "Telemedizin soll nicht allein, sondern als zusätzliches Angebot Verwendung finden", betonte der Bundesgesundheitsminister. Kein Verständnis zeigte Spahn für die Debatte um den Datenschutz. Google, Amazon und Apple würden massiv in das Gesundheitswesen investieren. "Google weiß mehr über Sie als Ihr Arzt", warnte Spahn. Statt einer Debatte über den Datenschutz im Gesundheitswesen wünscht sich Spahn Lust auf Wandel. Schließlich hätten wir alle ein Smartphone, auch die, die es noch vor 15 Jahren abgelehnt hätten. "Alles im Leben ist digital, nur im Gesundheitswesen faxen wir noch."


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2019 im Internet unter:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Mai 2019, Seite 15
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2019

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