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ARTIKEL/1511: Ambulante Versorgung in ländlichen Regionen - Beispiel Leck (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2019

Niederlassung
Kleiner Ort, große Praxis

von Dirk Schnack


In Leck gibt es ein Hausarztzentrum mit sechs Ärzten. Über ihnen arbeiten Augenärzte, die dort auch operieren.


Ambulante Versorgung in ländlichen Bereichen ist oft gekoppelt mit der Vorstellung, dass Ärzte dort allein, zu schlechten Konditionen und ohne Aussicht auf Nachfolger tätig sind. Als Konsequenz ist die Investitionsbereitschaft gering und irgendwann wird die Praxis tatsächlich zum Ladenhüter. Deshalb finden sich andere Träger, die in der ambulanten Versorgung tätig werden. Krankenhäuser und Kommunen gründen MVZ und die Sorge vor Investoren, deren einziges Interesse die Höhe der Rendite ist, wächst.

Es geht auch anders. Allgemeinmediziner Dr. Thomas Maurer ist seit Mitte der 90er Jahre in Leck, einem Ort mit 8000 Einwohnern in Nordfriesland niedergelassen, zunächst in Gemeinschaftspraxis und nach dem Tod seines Praxispartners in Einzelpraxis. Jetzt, mit über 60 Jahren, hat Maurer in ein Modell investiert, das die ambulante Versorgung in dem Ort voraussichtlich die kommenden Jahrzehnte sichert. Zusammen mit Augenärzten hat er ein Ärztehaus errichten lassen, in dem ein Hausarztzentrum, eine augenärztliche Praxis mit OP-Trakt, ein Wundversorger und eine psychologische Psychotherapeutin arbeiten. Für ein Investitionsvolumen von rund zwei Millionen Euro ist auf 650 Quadratmetern ein Gesundheitszentrum entstanden - allein aus ärztlichem Engagement heraus, ohne Fördermittel und ohne Trägerschaft anderer Akteure.

Herzstück ist das Hausarztzentrum im Erdgeschoss. Maurer hat seine Praxis hierher verlegt und mit Dr. Jens Lassen einen jungen Kollegen als Praxispartner gewinnen können, der einen Teil seiner Weiterbildung bei ihm absolviert hat und der aus der Region stammt. Sie beschäftigen vier angestellte Ärzte und Ärztinnen, eine davon in ihrer Zweigpraxis in Neukirchen. Insgesamt kommen rund 5000 Patienten pro Quartal zu den Ärzten. Für beide Praxispartner hat das Modell Vorteile. Lassen hebt die Unterstützung durch Maurer beim Start in die Niederlassung hervor: "Ich halte es für unschlagbar, dass ich bei den ganzen Anträgen und Formularen und bei der Abrechnung nicht auf mich allein gestellt war."

Maurer wiederum hat frühzeitig geregelt, dass seine Patienten weiterhin versorgt werden und dass das Modell ihm seinen Übergang aus dem Berufsleben ermöglicht: Bis 2022, so die Planung, wird er als gleichberechtigter Praxispartner dabei bleiben und anschließend als angestellter Arzt mit begrenzter Zeit in der Praxis arbeiten, um sich nebenbei noch um die Berufspolitik kümmern zu können. Maurer ist Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes und stellvertretender Vorsitzender der KV-Abgeordnetenversammlung. Hinzu kommt, dass er im Gegensatz zu seiner Zeit in der Einzelpraxis wieder Verantwortung teilen kann. Auch in der Einzelpraxis hatte Maurer angestellte Ärzte, für die er als Praxisinhaber allein verantwortlich war. Verabschiedet man sich als alleiniger Inhaber einer Praxis dieser Größe in den Urlaub, gibt Maurer zu bedenken, wird man die Verantwortung auch in der freien Zeit nicht wirklich los.

Wenn das Modell so vielversprechend ist, warum gibt es nicht mehr davon? Maurer nennt zwei Dinge, die für das Ärztehaus Leck passen mussten:

  • Der richtige Praxispartner. "Man kettet Existenzen aneinander, da muss es menschlich passen", gibt Maurer zu bedenken. Mit Lassen hat er jemanden gefunden, der wie er die zahlreichen positiven Aspekte der hausärztlichen Niederlassung in der Vordergrund stellt und Allgemeinmediziner aus Überzeugung geworden ist.
  • Der richtige Partner auf Investorenseite. Das Augenzentrum Schleswig-Holstein war schon am Standort seiner früheren Praxis mit einer Sprechstunde präsent und hatte Interesse an einer Ausweitung in Leck. Das Zentrum zählt zum Verbund der niedergelassenen Augenärzte Dr. Jörn-Wolff Prüter, Dr. Jon-Marten Heisler und Dr. Carsten Klatt aus Rendsburg, die noch an sieben weiteren Orten im Land vertreten sind und in Leck nun einen OP-Trakt vorhalten.

Eine weitere Voraussetzung nennt Maurer nicht: Der Arzt selbst muss aufgeschlossen für neue Modelle und bereit sein, eingefahrene Wege zu verlassen. Maurer hat dies schon zuvor u. a. mit seiner Zweigpraxis in Neukirchen unter Beweis gestellt. Froh sind beide Hausärzte, dass es noch weitere Praxen im Ort gibt - derzeit noch drei Einzelpraxen. Diese Ärzte wiederum können auf das größere Hausarztzentrum als Backup zugreifen, wenn sie selbst in Urlaub fahren. Die Patienten haben den Vorteil, dass das Zentrum dank der zahlreichen Ärzte zu den notdienstfreien Zeiten praktisch immer geöffnet hat.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201905/h19054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Mai 2019, Seite 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2019

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