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ARTIKEL/1274: 93. Deutscher Röntgenkongress vom 16.-19. Mai 2012 in Hamburg (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2012

Deutscher Röntgenkongress
Radiologen suchen den engen Austausch mit anderen Ärzten

Von Uwe Groenewold


Mehr als 7.000 Besucher in Hamburg. 850 Vorträge, Seminare und Workshops. Lübecker Radiologe stellt neues Verfahren zur Myom-Entfernung vor.


Auf großes Interesse stieß in Hamburg ein neues ambulantes Verfahren zur Myom-Entfernung, das der Lübecker Radiologe Peter Hunold vorstellte. Dabei handelt es sich um die MRT-gesteuerte HIFU-Ablation, die sich als schonende Alternative zu existierenden Therapieverfahren herauskristallisiert. "Mit der Methode gelingt es, nicht-invasiv zielgenau im tiefen Gewebe das Myom zu zerstören", erklärte PD Dr. Peter Hunold von der Klinik für Radiologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

Myome sind im Prinzip gutartige Tumore in der Gebärmutter. Wenn sie groß sind, in den inneren Wandschichten oder sehr zahlreich auftreten, können sie allerdings ausgeprägte Symptome verursachen, angefangen von Unterleibschmerzen, Störungen beim Wasserlassen und Stuhlgang bis hin zu verstärkten und wiederkehrenden Blutungen, auch unabhängig vom Menstruationszyklus. Jede vierte Frau über 30, so Hunold mit Verweis auf amerikanische Untersuchungen, ist von Myomen betroffen; ein Drittel von ihnen - mindestens eine Million Frauen in Deutschland - leidet unter zum Teil starken Beschwerden, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Reichen konservative, vor allem medikamentöse Therapieansätze nicht aus, um die Symptome in den Griff zu bekommen, gibt es derzeit vor allem zwei Behandlungsoptionen: Viele Patientinnen werden operiert, wobei hier entweder die Gebärmutter als Ganzes entfernt oder einzelne Myome chirurgisch ausgeschält werden. Die Alternative sind katheterbasierte Verfahren, bei denen die Blutgefäße, die ein Myom versorgen, mithilfe eines über die Leistenarterie eingeführten Katheters gezielt verschlossen ("embolisiert") werden.

"Mit der HIFU-Ablation steht seit einiger Zeit zusätzlich ein Verfahren zur Verfügung, das komplett ohne Hautschnitte oder Punktionen auskommt und mit dem die Symptome beim Uterusmyom effektiv angegangen werden können", so Hunold. Bei der HIFU (high-intensity focused ultrasound) werden mehrere hochfrequente Ultraschallimpulse, die aus unterschiedlichen Richtungen kommen, nach Art eines Parabolspiegels gebündelt. Dort, wo sich die Strahlen treffen, erhitzt sich das Gewebe auf eine Zieltemperatur von 56 bis 60 Grad. Das Myom wird dadurch zerstört. Andere Gewebe, etwa die Haut oder umliegende Organe, bleiben unversehrt, weil die hohen Temperaturen nur dort erreicht werden, wo die unterschiedlichen Schallwellen aufeinander treffen. Hunold demonstrierte dies eindrücklich mit Aufnahmen von größeren Fleischstücken, die äußerlich unversehrt, im anvisierten Zielgebiet im Inneren jedoch nekrotisiert waren.

Beim Röntgenkongress stellte der Lübecker Radiologe ein neues Verfahren vor, bei der die HIFU-Ablation von einem Magnetresonanztomografen gesteuert wurde. In Lübeck wurden auf diese Weise bislang 50 Patientinnen zwischen 28 und 50 Jahren behandelt, in eine erste Studie wurden die Ergebnisse von 16 Patientinnen einbezogen.

Bei dieser kombinierten Methode mit einem inzwischen zugelassenen Behandlungssystem gibt die MRT für die Steuerung des Ultraschalls an den benachbarten Organen vorbei ins Myom detaillierte anatomische Informationen. Die behandelnden Ärzte sehen genau, wo die Myome liegen, und können sie ganz gezielt ansteuern und mittels HIFU abtragen. Neben der besonderen Präzision hat die Kombination aus HIFU und MRT aber noch einen zweiten Vorteil: "Indem wir Änderungen der Schwingungen der Protonen erfassen, können wir die Temperatur im Zielgewebe in Echtzeit messen", so Hunold. Damit kann festgestellt werden, ob die notwendige Zieltemperatur im Myom erreicht wird, und eine Erhitzung des umliegenden Gewebes, die zu unerwünschten Nebenwirkungen führen könnte, ist damit praktisch ausgeschlossen.

Bei der Behandlung ist die Ultraschallkomponente fest in einen MRT-Tisch integriert, auf dem die Patientin bäuchlings liegt. Im Bereich der Gebärmutter befindet sich ein kleines Fenster für den Ultraschall. Dieser kann verschoben und gekippt werden, um den richtigen Schallwinkel zu ermöglichen. Die Behandlung erfolgt ambulant, der Zeitaufwand beträgt vier bis sechs Stunden. "Die Frauen kommen morgens zu uns und können am frühen Nachmittag wieder nach Hause. Am Tag darauf gehen sie wieder ganz normal zur Arbeit", sagt Hunold. Ein großer Gewinn im Vergleich zu anderen Methoden, beträgt die Rekonvaleszenz bei operativen Verfahren doch bis zu acht Wochen und selbst nach der deutlich schonenderen Embolisation benötigt die Patientin fünf bis zehn Tage, um ihren gewohnten Alltag wieder aufzunehmen.

Die Ergebnisse der Studie hätten gezeigt, dass die mit den Myomen assoziierten Symptome durch die HIFU-Ablation effektiv beseitigt werden. Die Blutungen sind in ihrer Intensität zurückgegangen, der Zyklus verlief regelmäßiger, Schmerzen und Probleme beim Wasserlassen reduzierten sich deutlich. "Viele Frauen berichteten darüber hinaus, dass sie wieder viel vitaler und nicht mehr so müde waren. Ob dies allerdings auf die Behandlungsmethode zurückzuführen ist, müsste noch untersucht werden", erklärte Hunold.

Auch in der Bildgebung konnte der Therapieerfolg belegt werden. "Mit einem Rückgang um 55 Prozent innerhalb von sechs Monaten haben wir einen signifikanten Volumeneffekt erzielt. Der Behandlungserfolg liegt in derselben Größenordnung wie bei embolisierenden Verfahren", betonte Hunold. Besonderer Vorteil der MRT-gesteuerten Myom-Ablation: Das Verfahren ist, falls es zu erneuten Gewebewucherungen kommt oder der Abtrag nicht ausreichend war, wiederholbar - im Gegensatz zur Strahlenbehandlung kumuliert sich die Dosis der Schallwellen nicht.

Kleiner Wermutstropfen: Das neue Verfahren, das nur in einer Handvoll Zentren in Deutschland eingesetzt wird, ist noch nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verankert.

Darüber hinaus wurden während des größten deutschen Radiologiekongresses, der unter dem Motto "Gegensätze verbinden" stand, vielfältige Ergebnisse neuer bildgebender Verfahren präsentiert, die für die Behandlung von Patienten große Bedeutung haben. Dies hob Kongresspräsident Prof. Hermann Helmberger aus München besonders hervor: "Wir können noch so gut sein in der Diagnostik und die bildgebenden Methoden immer weiter verfeinern. Wenn Radiologen und Kliniker nicht permanent das Gespräch suchen und die gewonnenen Erkenntnisse austauschen, kann die Therapie für den Patienten nicht optimal sein."

Ein gutes Beispiel für die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachgruppen sind Erkenntnisse von Radiologen zur Ursache vieler Schlaganfälle, die unmittelbare Konsequenzen für die Therapie nach sich ziehen könnten. Erste Daten der deutschen Multicenterstudie CAPIAS deuten darauf hin, dass etwa jeder dritte unklare Schlaganfall dadurch zustande kommt, dass sich krankhafte Ablagerungen ("Plaques") aus einer verengten Halsschlagader ablösen und im Gehirn Blutgefäße verstopfen.

Ischämische Schlaganfälle können entstehen, wenn sich Blutgerinnsel, die sich in anderen Körperregionen gebildet haben, von der Gefäßwand lösen und mit dem Blutstrom ins Gehirn geschwemmt werden. Ein wichtiges Blutgefäß ist dabei die Arteria carotis interna, die innere Halsschlagader. Ist sie hochgradig eingeengt, kann es zu großflächigen Schlaganfällen kommen. "Das ist aber vergleichsweise selten", sagte PD Dr. Tobias Saam vom Institut für Klinische Radiologie am Klinikum Großhadern der Universität München. "Viel häufiger sind wahrscheinlich atherosklerotische Plaques, die die Arterie nicht oder kaum einengen, die aber so instabil sind, dass Plaquebestandteile sich ablösen und ins Gehirn gelangen können."

Wie häufig solche instabilen Plaques der Arteria carotis interna bei Patienten mit Schlaganfall tatsächlich sind, wird derzeit in der von Saam geleiteten CAPIAS-Studie ("Carotid Plaque Imaging in Acute Stroke") untersucht. Einbezogen werden 300 Schlaganfallpatienten, bei denen atherosklerotische Veränderungen der Arteria carotis interna vorliegen. Untersucht werden soll auch, ob instabile Plaques ein höheres Rückfallrisiko mit sich bringen. Um das zu klären, erfolgt innerhalb von sieben Tagen nach dem Schlaganfall eine hoch aufgelöste MRT-Untersuchung der Halsschlagadern. Eine weitere derartige Untersuchung sowie eine MRT-Untersuchung des Gehirns folgen ein Jahr später.

Ein Jahr nach Beginn der Studie konnten jetzt die Daten der ersten 50 Patienten in einer Zwischenuntersuchung ausgewertet werden. Und tatsächlich fanden sich bei jedem dritten Patienten mit unklarem Schlaganfall sogenannte Typ VI-Plaques in den Halsschlagadern. Bei Patienten mit klar definierter Schlaganfallursache war das nur bei etwa zehn Prozent der Fall. Dies könnte darauf hindeuten, dass instabile Verkalkungen der Halsschlagader eine bisher unterschätzte Schlaganfallursache sind, sagte Saam. "Wir müssen jetzt abwarten, ob sich diese Daten bestätigen. Und wir müssen abwarten, wie die Ergebnisse nach einem Jahr aussehen." Sollten Patienten mit instabilen Plaques tatsächlich ein erhöhtes Rückfallrisiko haben, dann müsste in Interventionsstudien geklärt werden, ob gezielte Früherkennungsmaßnahmen angebracht sind. "Denkbar wären beispielsweise eine intensive medikamentöse Therapie, aber auch invasive Maßnahmen zur Stabilisierung der Plaques", so der Münchener Radiologe.

Viel diskutiert wurden auf dem Röntgenkongress auch Bestrebungen, die Strahlenbelastungen für die Patienten weiter zu senken. So gibt es inzwischen in fast allen modernen CT-Geräten Programme, die die Strahlendosis reduzieren - etwa für ein Bauch-CT von 15 bis 20 auf nur noch drei bis vier Millisievert (entspricht der natürlichen Strahlenbelastung eines Menschen pro Jahr). Die Auflösung des Bildes wird dabei vom Computer verfeinert und ermöglicht ein diagnostisch einwandfreies Bild. Die Computertomografie ermöglicht zum Beispiel eine besonders hoch aufgelöste Darstellung des Herzens.

Zwei weitere wesentliche Kongressthemen waren die Frühdiagnostik bei Rheuma sowie die Behandlungsqualität der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Rheumapatienten werden heute früher, individueller und intensiver behandelt, um Folgeschäden an Knochen und Gelenken zu vermeiden. Dies stellt besondere Anforderungen an die Diagnose. Funktionelle Untersuchungsmethoden wie die hochauflösende Einzelphotonen-Emissions-Computertomografie (SPECT) können pathologische Knochenumbauvorgänge früher nachweisen als andere Methoden, wurde jetzt in einer ersten klinischen Studie belegt. "Mit Ultraschall oder Magnetresonanztomografie können auch kleinere Veränderungen am Gelenk bereits relativ früh erkannt werden", erklärte Prof. Dr. Axel Scherer vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. "Aber erst nuklearmedizinische Verfahren wie die SPECT-Untersuchung gestatten es, funktionelle Veränderungen sichtbar zu machen. Damit können wir beispielsweise Probleme des Knochenstoffwechsels erkennen, noch bevor fassbare Schäden auftreten."

In einer Folgestudie wollen die Düsseldorfer Radiologen jetzt weitere moderne radiologische Verfahren mit Blick auf einen möglichen Einsatz bei Rheumapatienten evaluieren. An erster Stelle steht dabei die Positronenemissionstomografie (PET). Die PET wird überwiegend in der Krebsmedizin eingesetzt. Aber nicht nur Tumore, auch entzündliche Gewebe haben einen erhöhten Glukosestoffwechsel und lassen sich entsprechend mittels PET nachweisen. "Welchen Stellenwert die unterschiedlichen diagnostischen Methoden künftig haben werden, lässt sich bisher noch schwer abschätzen", so Scherer. Vielversprechend sind auch neue Verfahren der Hybridbildgebung. Kombinierte PET/MRT-Scanner beispielsweise vereinen die Vorteile der frühen funktionellen Diagnostik und der hochauflösenden Gelenkdarstellung im Kernspin in einem einzigen Untersuchungsgang. Gute pAVK-Behandlung: Ein deutschlandweites Register zur Qualitätssicherung belegt jetzt, dass die Erfolgsraten bei der interventionellen Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit hoch und die Komplikationsraten ausgesprochen niedrig sind.

Im Rahmen des Qualitätsmanagement-Programms der Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGIR) haben Wissenschaftler unter der Federführung von Prof. Lothar Heuser (Ruhr-Universität Bochum) aus 82.881 Datensätzen von 192 radiologischen Instituten die Daten jener 36.467 Patienten ausgewertet, die im Jahr 2011 wegen einer pAVK in interventioneller Behandlung waren.

Bei den Interventionen gelingt es bei 96,2 Prozent der Patienten, die Gefäßengstelle aufzudehnen oder das verschlossene Gefäß wiederzueröffnen. Diese "technische Erfolgsrate" ist ausgesprochen hoch, wie Heuser betonte. Dabei wird in etwas weniger als der Hälfte der Fälle eine Gefäßstütze eingesetzt. Bei 47,3 Prozent der Patienten erfolgt ausschließlich eine Aufdehnung der Engstelle mit einem Ballonkatheter (PTA). Die Komplikationsrate wiederum ist mit 3,2 Prozent gering. Werden nur die als schwer einzustufenden Komplikationen berücksichtigt, liegt die Quote nur bei 1,43 Prozent.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201206/h12064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen
Ärzteblatts:

www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Auch angehende Ärzte interessierten sich für den Röntgenkongress.
- PD Dr. Peter Hunold

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juni 2012
65. Jahrgang, Seite 10 - 14
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2012

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