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FINANZEN/645: Hilferuf der Schleswig-Holsteinischen Kliniken - Berlin muss handeln (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 9, September 2022

Hilferuf der Kliniken: Berlin muss handeln

von Dirk Schnack


KLINIKEN. Der 6K-Klinikverbund (*) hat im vergangenen Monat eindringlich auf die schwierigen Bedingungen für Krankenhäuser hingewiesen, wenn der Bund weiterhin die Corona-Ausgleichszahlungen und den Versorgungsaufschlag eingestellt lässt. Allein die sechs kommunalen Kliniken dieses Verbundes müssen dadurch Einnahmeausfälle in Höhe von einer Million Euro pro Woche verkraften. Langfristig kann das ohne finanzielle Hilfe der Träger nicht aufgehen.


Die Verantwortlichen des 6K-Verbundes verwiesen bei einem Pressegespräch im Städtischen Krankenhaus Kiel (SKK) darauf, dass die Belastungen seit Beginn der Corona-Pandemie kaum geringer geworden sind. Ohne gegensteuernde Maßnahmen befürchten sie, dass viele Krankenhäuser in Existenznöte geraten könnten. In der Pflicht sieht der Verbund insbesondere Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD), von dem sie kurzfristige unterstützende Maßnahmen erwarten. "Die Bundesregierung hat trotz eindeutiger Problemlage weder Hilfsmaßnahmen eingeleitet, noch Unterstützung angekündigt", sagte SKK-Geschäftsführer Dr. Roland Ventzke, der auch dem 6K-Verbund vorsteht. Er nannte folgende Forderungen an die Bundesregierung:

• Verlängerung des zum 30. Juni ausgelaufenen Corona-Versorgungsaufschlages rückwirkend zum ersten Juli 2022 bis mindestens März 2023.

• Refinanzierung der Tarifsteigerungen beim Krankenhauspersonal.

• Rechnungsaufschlag ab September als Ausgleich für Preissteigerungen etwa bei Energie oder Lebensmitteln.

"Anders als Unternehmen in der freien Wirtschaft können wir Kostensteigerungen nicht einfach auf unsere Preise aufschlagen. Die Verhandlungen mit den Krankenkassen sind für dieses Jahr aber schon weitgehend abgeschlossen", begründete der Geschäftsführer des Heider Westküstenklinikums (WKK), Dr. Martin Blümke, diese dritte Forderung.

Beide Geschäftsführer sehen die Krankenhäuser und ihr Personal in der aktuellen Situation von der Bundespolitik weitgehend allein gelassen. Ventzke erinnerte daran, dass die Kliniken noch im April und Juni dieses Jahres Höchstzahlen an Corona-Patienten verzeichnet und zugleich die normale Versorgung aufrechterhalten hatten. Zugleich gab es wegen der Verschiebung elektiver Eingriffe Erlösausfälle sowie Mehrkosten durch Isolations- und Schutzmaßnahmen. Die Mitarbeiter seien durch Ausfälle infolge von Isolationsmaßnahmen noch stärker als zuvor belastet gewesen.

"Herr Lauterbach lässt viele Kliniken sehenden Auges in die Pleite laufen."
Dr. Roland Ventzke
(Geschäftsführer des Städtischen Krankenhaus Kiel)

In dieser Situation empfindet Ventzke das Streichen des Versorgungsaufschlages und damit das Inkaufnehmen eines Defizits als Verhöhnung des Klinikpersonals. "Herr Lauterbach lässt viele Kliniken sehenden Auges in die Pleite laufen", kritisierte Ventzke.

Der Ausfall des Aufschlages trifft die Häuser je nach finanziellem Polster unterschiedlich. Ventzke und Blümke vertrauen außerdem darauf, dass bei einer finanziellen Schieflage die Kommunen als Träger Verantwortung für ihre Häuser übernehmen würden. Nur: Diese Kalkulation halten sie für unredlich. "Zuständig ist der Bund, nicht die Kommunen", stellten sie klar. Deshalb wollen sie das Abwälzen finanzieller Pflichten des Bundes auf die Klinikträger transparent machen. Schon den Trägern der sechs Kliniken - neben Kiel und Heide sind dies die imland Kliniken Rendsburg-Eckernförde, das Klinikum Bad Bramstedt, das Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster und das Klinikum Itzehoe - gibt es erhebliche wirtschaftliche Unterschiede. So musste der Kreis Rendsburg-Eckernförde schon im vergangenen Jahr ein Defizit der Klinik im zweistelligen Millionenbereich ausgleichen, um die Insolvenz zu vermeiden.

Ventzke machte auch deutlich, dass finanzielle Hilfe nicht auf die lange Bank geschoben werden darf, damit Diskussionen über die Zukunft der Häuser oder über eine drohende Insolvenz gar nicht erst aufkommen. "Wenn diese Diskussion erst geführt wird, ist es schon zu spät - dann können offene Stellen kaum noch besetzt werden."

Blümke kritisierte auch eine mangelhafte Krankenhausplanung und das Festhalten an veralteten Strukturen. "Es gibt keine Anreize, fehlende Personalressourcen in den Griff zu bekommen. Einsparungen in den Kliniken sind nur auf Kosten von Personal möglich. Dazu kommt, dass für die Patientenversorgung wichtiges Klinikpersonal in ineffizienten Dokumentations- und Organisationsstrukturen gebunden ist. Wir leben in einem krankenkassenzentrierten System mit ständiger Misstrauenskultur, Prüfungswahnsinn ohne Nutzen für die Versorgungsqualität unserer Patienten", sagte Blümke.

Von der Landesregierung in Schleswig-Holstein erwartet der 6K-Verbund, dass sie sich beim Bund für eine schnelle Lösung einsetzt. Mittelfristig helfen könnte aus Sicht des Verbundes aber auch, wenn das Land die Krankenhausplanung stärker in den Fokus rückt und Schwerpunkte "mutig definiert", wie Blümke es ausdrückte: "Das Land muss Prioritäten setzen."


(*) Zum 6K Klinikverbund Schleswig-Holstein gehören das FEK - Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, die imland Kliniken Rendsburg und Eckernförde, das Klinikum Bad Bramstedt, das Klinikum Itzehoe, die Westküstenkliniken Brunsbüttel und Heide sowie das Städtische Krankenhaus Kiel (SKK).

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 9, September 2022
75. Jahrgang, Seite 21
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 23. September 2022

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