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FINANZEN/650: Krankenkassen im Minus - Gibt es Alternativen zur Beitragserhöhung? (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 25 vom 23. Juni 2023 - Wirtschaft & Soziales
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Ungesundes System
Krankenkassen im Minus: Gibt es Alternativen zur Beitragserhöhung?

Von Ulf Immelt


Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden im kommenden Jahr ansteigen müssen, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in der vergangenen Woche an. Dies sei alternativlos, da Bundesfinanzminister Christian Lindner auf der Schuldenbremse beharre und kein Geld zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen bereitgestellt werden solle. Die Folge wäre - ohne Beitragserhöhung - eine Finanzierungslücke von 3,5 bis 7 Milliarden Euro für 2024. Hieraus ergäbe sich für die Versicherten ein weiterer Anstieg des Zusatzbeitrages von 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte.

Die Gründe für die finanziellen Probleme der GKV sind vielschichtig. Neben der Alterung der Bevölkerung und teuren medizinischen Innovationen werden auch ineffiziente Versorgungsstrukturen in der politischen Debatte genannt. Zentrale Ursachen sind aber auch staatliche Rückgriffe auf Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen und nicht zuletzt die zunehmende Profitorientierung im Gesundheitswesen sowie die Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen, die für niedrigere Beitragseinnahmen sorgen.

Unabhängig von den aktuellen Plänen, die Beiträge zu erhöhen, sind Leistungskürzungen für die über 74 Millionen gesetzlich Krankenversicherten längst Realität. Der zunehmende Fachärztemangel in vielen Regionen zieht immer längere Wartezeiten auf Termine nach sich. Im ländlichen Raum gibt es immer weniger Krankenhäuser für einfache Behandlungen und Operationen. Eine Entwicklung, die sich mit der von Lauterbach angekündigten Krankenhausreform verschärfen wird. Hinzu kommt die prekäre Pflegesituation, die aufgrund der - in vielen Fällen katastrophalen - Arbeitsbedingungen auch vor Häusern der Maximalversorgung nicht haltmacht. Da sich die Pharmaindustrie mit sogenannten innovativen Produkten höhere Profitraten verspricht als mit Antibiotika und Krebsmitteln, sind diese lebenswichtigen Medikamente in den Apotheken zudem zur Mangelware geworden.

Dies alles schreit nach einem radikalen Umsteuern im Gesundheitswesen und einer Neuausrichtung der Krankenversicherung inklusive ihrer Finanzierung.

Doch nicht alles, was als gutgemeinter Reformvorschlag daherkommt, dient tatsächlich dem Wohl der Versicherten. Geht es beispielsweise nach Dr. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, soll die beitragsfinanzierte gesetzliche Krankenversicherung in ein steuerfinanziertes System umgebaut werden. So würden - behauptet Schlegel - die unteren Lohngruppen und insgesamt der Faktor Arbeit deutlich entlastet werden. Für eine solche Umstellung seien neue Strukturen und eine unumgängliche Reform der Krankenkassen erforderlich. Diese dürften dann nicht länger als Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern rein privatrechtlich geführt werden.

Kritik an einer weiteren Teilprivatisierung sozialstaatlicher Strukturen kommt von Seiten des DGB. Das von Schlegel propagierte steuerfinanzierte Modell würde die "Arbeitgeber aus der Mitverantwortung nehmen und gleichzeitig die Mitbestimmungsrechte der Versicherten als Mitglieder der Krankenkassen zur Disposition stellen". Auch Streitfälle zwischen Versicherten und Leistungserbringern könnten nicht länger auf dem Sozialgerichtsweg geschlichtet werden, sondern nur noch auf dem privaten Rechtsweg, so die vernichtende Bewertung des DGB.

Eine Lösung der aktuellen Probleme in der GKV wäre die seit Jahren von den Gewerkschaften geforderte Bürgerversicherung. Mit diesem Modell könnten zum einen Besserverdienende Schritt für Schritt stärker an der Finanzierung beteiligt und zum anderen der Kreis der Beitragszahler vergrößert werden. Die "Arbeitgeber" blieben in der bisher geltenden Verantwortung und auch die Mitbestimmung der Versicherten bliebe erhalten. Außerdem könnten mit der Bürgerversicherung auch problemlos neben dem Arbeitseinkommen weitere Einkommensarten für die Finanzierung des Gesundheitssystems herangezogen werden. Das Modell hat nur einen Haken: Die Möglichkeiten der Profitmaximierung privater Versicherungskonzerne wären sehr begrenzt.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 55. Jahrgang
UZ - Unsere Zeit, Nr. 25 vom 23. Juni 2023 - Seite 2
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 30. Juni 2023

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