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FORSCHUNG/092: Patienten-Nachsorge auf dem Prüfstand (idw)


Technische Universität Berlin - 27.06.2019

TU Berlin: Patienten-Nachsorge auf dem Prüfstand

Betreuungslücken nach stationärer Behandlung schließen


Während man im Krankenhaus nahezu stündlich nach seinem Befinden gefragt und regelmäßig der Blutdruck gemessen wird, sind Patienten, sobald sie entlassen werden, auf sich allein gestellt. "Wie stark sind Ihre Schmerzen?" oder "Fühlen Sie sich ängstlich oder deprimiert?" sind alltägliche Fragen im Rahmen der Visite während eines stationären Aufenthaltes. "Nach der Entlassung findet aber keine standardisierte Beurteilung der Behandlungsqualität und des Heilungsverlaufs mehr statt", erklärt Dr. Christoph Pross, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet von Prof. Dr. Reinhard Busse, Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. "Die Lücke in der Qualitätskontrolle zwischen dem stationären Bereich und dem ambulanten ist riesig. Messungen der stationären Behandlungsqualität allein zeigen eine besorgniserregende Spannbreite im Ergebnis von Eingriffen - mit erheblichen Folgen für die Patienten und negativen ökonomischen Auswirkungen für das deutsche Gesundheitssystem."

Mit dem im April gestarteten Kooperationsprojekt PROMoting Quality soll jetzt untersucht werden, wie die stationäre Akut- und ambulante Nachbehandlung stärker an den qualitativen Ergebnissen für den Patienten ausgerichtet werden kann. Finanziert wird das vierjährige, mit 3,5 Millionen Euro geförderte Projekt vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss. Unter Federführung der TU Berlin beteiligen sich neun Klinken mit einem Schwerpunkt in der Endoprothetik aus ganz Deutschland, die Krankenkassen BARMER und der BKK-Dachverband, das Digital Health Unternehmen Heartbeat Medical und das aQua Institut an dem Forschungsprojekt. "Die teilnehmenden Kliniken zeigen ein großes Interesse daran, ihre Behandlungen noch mehr an den Bedürfnissen der Patienten auszurichten und stärker erfolgsorientiert zu arbeiten. Damit nehmen sie eine führende Rolle in der Diskussion um die Qualität deutscher Kliniken ein", so Christoph Pross, Co-Leiter des Projektes am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen. Ab Oktober 2019 werden zwei Jahre lang rund 10 000 Patient*innen deutschlandweit an einem online-Verfahren zur Messung der Behandlungsqualität nach einem stationären Aufenthalt teilnehmen.

"Wir teilen die Patientinnen und Patienten, die einen geplanten Hüft- oder Kniegelenksersatz bekommen haben, randomisiert in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe. Die Kontrollgruppe wird während der stationären Behandlung und ein Jahr nach der Behandlung einen detaillierten Fragebogen mit Hilfe einer App ausfüllen. Die Interventionsgruppe wird den identischen Fragebogen ebenfalls während der stationären Behandlung und dann im Abstand von einem, drei, sechs und zwölf Monaten ausfüllen", erklärt Laura Oschmann, Projektmanagerin des Vorhabens und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen. Die Fragebögen folgen dabei standardisierten Messparametern. Ermittelt wird unter anderem der Grad der Schmerzen, die Beweglichkeit, der psychische Zustand, Vorerkrankungen, Betreuungsmöglichkeiten, klinische Ergebnisse und vieles mehr. Aber auch statistisch relevante Daten wie zum Beispiel, welche Behandlungsmethoden eingesetzt wurden, wie lange der Klinikaufenthalt gedauert hat, wie viele Schmerzmittel verabreicht wurden oder ab wann Patient*innen wieder aufstehen konnten. Die Ergebnisse werden digital an speziell geschulte Mitarbeiter*innen der Kliniken übermittelt. "Unser Ziel ist es, die Software so zu programmieren, dass die Klinikmitarbeiter*innen bei bestimmten kritischen Gesundheitszuständen automatisch eine Warnung erhalten. So wollen wir dafür sorgen, dass die Patientinnen oder Patienten bei Problemen rechtzeitig aufgefordert werden, ihren niedergelassenen Facharzt aufzusuchen", konkretisiert PD Dr. Alexander Geissler, Co-Leiter des Projektes und Leiter des Bereichs stationäre Versorgung am Fachgebiet Management im Gesundheitswesen.

Mit Hilfe der App soll nicht nur die Betreuungslücke zwischen stationärer und ambulanter Behandlung geschlossen und so der Behandlungserfolg durch das rechtzeitige Einleiten von unterstützenden Maßnahmen gesteigert werden. Parallel erwarten die Wissenschaftler, dass sich diese digitale Betreuung auch positiv auf die Kosten auswirkt, da mögliche Nachbehandlungen rechtzeitig eingeleitet werden können. "Darüber hinaus ermöglichen uns die so gewonnenen Daten viele neue Erkenntnisse über den Erfolg, die Qualität und die Patientenorientierung der verwendeten Behandlungsmethoden", so Reinhard Busse, der seit Jahren die Umgestaltung der deutschen Versorgungslandschaft hin zu einer stärker konzentrierten, leistungsorientierten Versorgung fordert. "Wir sehen das Projekt als einen Vorreiter für eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung, die sich primär an tatsächlichen Ergebnissen für die Patienten orientiert."


Beteiligte Projekt-Partner:

Kliniken:
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Diakovere
Annastift
Helios ENDO-Klinik Hamburg
VAMED Ostseeklinik Damp
RoMed Klinik Prien am Chiemsee
Sana Kliniken Sommerfeld
Schön Klinik Hamburg Eilbek
Schön Klinik Neustadt

Krankenkassen:
BARMER
BKK Dachverband

Software/IT-Partner:
Heartbeat Medical

Evaluation:
aQua - Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen

Link zur Projektseite:
https://www.mig.tu-berlin.de/menue/research/aktuelle_projekte/promoting_quality

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution52

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Berlin - 27.06.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2019

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