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INTERNATIONAL/056: GAVI-Geberkonferenz - Ärzte ohne Grenzen fordert Covid-19-Impfstoffe zum Selbstkostenpreis (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 3. Juni 2020

GAVI-Geberkonferenz: Ärzte ohne Grenzen fordert Covid-19-Impfstoffe zum Selbstkostenpreis


Genf/Berlin, 3. Juni 2020. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen fordert die Staaten bei der Geberkonferenz für die Impfstoffallianz GAVI am Donnerstag auf, von den Pharmafirmen den Verkauf künftiger Covid-19-Impfstoffe zum Selbstkostenpreis zu verlangen. Bei der Konferenz wird ein Fonds zur Ausweitung von Produktionskapazitäten für künftige Impfstoffe und zur Beschaffung für ärmere Länder ins Leben gerufen.

"Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Staats- und Regierungschefs haben einen Impfstoff gegen Covid-19 richtigerweise als gemeinschaftliches globales Gut bezeichnet. Doch wir fürchten, dass er trotz Milliarden öffentlicher Förderung doch nicht für alle gleichermaßen zugänglich sein wird", sagt Marco Alves von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. "Unsere Erfahrungen mit einem GAVI-Fonds für einen Impfstoff gegen Lungenentzündung zeigt: Zwar gibt es Subventionen für einige sehr arme Länder, aber viele andere werden weiterhin der Willkür des Marktes überlassen. Einige Länder haben wegen des hohen Preises nicht ausreichend Impfstoffe beziehen können. Das darf sich bei Covid-19 nicht wiederholen. Es muss bezahlbare Preise für alle und einen objektiven und fairen globalen Verteilmechanismus geben, an den sich alle Regierungen und GAVI selbst halten."

Regierungen und Großspender haben Pharmafirmen bisher mehr als 4,4 Milliarden US-Dollar für die Forschung und die Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen zur Verfügung gestellt. Im Großen und Ganzen wurden jedoch keine Regelungen für den Zugang oder die Bezahlbarkeit dieser Impfstoffe als Vorbedingung für eine solche Finanzierung festgelegt.

"Die Regierungen und GAVI müssen von den Pharmaunternehmen verlangen, offenzulegen, wie viel die Herstellung potenzieller Covid-19-Impfstoffe tatsächlich kostet", sagt Kate Elder, Impfexpertin der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. "Alle scheinen sich darin einig zu sein, dass wir hier nicht nach dem Business-as-usual-Prinzip vorgehen können, bei dem der Meistbietende seine Bevölkerung zuerst vor dieser Krankheit schützt, während der Rest der Welt leer ausgeht."

2009 hatten GAVI, die Gates-Stiftung, die Weltbank und andere Akteure einen Fonds zur Beschaffung von Impfstoffen gegen Pneumokokken eingerichtet, die Lungenentzündung verursachen. Dieser Fonds krankte daran, dass Pharmaunternehmen einen relativ hohen Preis für den Impfstoff verlangten: Regierungen, die die Kosten für den Impfstoff selbst bezahlen mussten, bekamen diesen langfristig nur zu sehr hohen Preisen. Trotz einer Subvention in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar, die größtenteils an Pfizer und GlaxoSmithKline ausgezahlt wurde, um ausreichende Impfstoffmengen für Entwicklungsländer sicherzustellen, kam es zu Versorgungsengpässen. Humanitäre Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen waren von dem Mechanismus ausgeschlossen. Dies führte dazu, dass Ärzte ohne Grenzen bis 2017 keinen Zugang zu Pneumokokken-Impfstoffen zum von Gavi ausgehandelten Preis erhielt. Weil zu Beginn nicht der Selbstkostenpreis festgesetzt worden war, hatte GAVI später kaum noch Möglichkeiten, niedrigere Preise auszuhandeln.


Ärzte ohne Grenzen leistet als medizinische Hilfsorganisation Nothilfe, wenn in Kriegsgebieten oder nach Naturkatastrophen das Leben vieler Menschen bedroht ist. Zu den Prinzipien gehört, allen Opfern Hilfe zu gewähren, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen und religiösen Überzeugungen. 2018 umfasste unsere medizinische Nothilfe beispielswiese mehr als 11,2 Millionen ambulante Konsultationen, über 758.000 Patienten und Patientinnen wurden stationär aufgenommen und 309.500 Frauen bei der Geburt unterstützt. Wir haben im Jahr 2018 u.a. mehr als 74.000 schwer mangelernährte Kinder behandelt und 404.000 psychologische Einzelkonsultationen abgehalten. Ärzte ohne Grenzen ist eine unabhängige, neutrale und unparteiliche Hilfsorganisation und arbeitet frei von bürokratischen Zwängen. Um die Unabhängigkeit unserer medizinischen Nothilfe zu bewahren, finanziert sich Ärzte ohne Grenzen überwiegend aus privaten Spenden. Zu unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gehören Ärzte und Pflegekräfte, aber auch Vertreter zahlreicher anderer Berufe. Als medizinische Hilfsorganisation leisten wir in rund 70 Ländern Nothilfe.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 3. Juni 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2020

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