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POLITIK/2059: Covid-19 - Infektionsschutzgesetz legitimiert Zwangsverordnungen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 14 vom 3. April 2020
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Eingeschränkt
Infektionsschutzgesetz legitimiert Zwangsverordnungen

von Ralf Hohmann


Bundesregierung und Länderregierungen überbieten sich gegenseitig in ihren Gesetzesinitiativen zur weiteren Einschränkung von Grundrechten. Versammlungsverbote, Ausgangssperren, Kontaktverbot und elektronische Überwachung per Handytracking haben Hochkonjunktur. Bei der Interessenvertretung der Rechtsanwälte, dem 62.000 Mitglieder starken "Deutschen Anwaltverein" (DAV), regt sich Widerstand. "Im Kampf gegen die Viruserkrankung Covid-19 geht es nicht nur um Leben oder Tod. Es geht auch um die Bewahrung und Bewährung des demokratischen Rechtsstaates", hieß es in einer Erklärung zum von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzesentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) am 22. März.

Die Anwälte befürchten ein Durchregieren ohne Parlamentsbeteiligung im Wege von kurzfristig erlassenen Rechtsverordnungen und das Auslöschen der grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte. Der juristische Schritt von einer noch "gelockerten" Ausgangssperre (Verlassen der Wohnung im Ausnahmefall zum Arbeiten, Einkaufen, Arzt- und Apothekenbesuch) zur vollständigen Isolation in der Wohnung ist nur kurz, schließlich bestimmt Paragraf 28 Absatz 1 IfSG: "Die Grundrechte der Freiheit der Person, der Versammlungsfreiheit und der Unverletzlichkeit der Wohnung werden insoweit eingeschränkt", als medizinische Schutzmaßnahmen es gebieten. Auch vom "Deutschen Richterbund" (DRB) ist zaghafte Kritik zu hören: "Wichtig ist, dass alle Sonderregeln anlässlich der Coronakrise nur befristet gelten und ein Enddatum haben", merkt DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn an - konkrete Zeiträume nennt er nicht.

Findige Regierungsjuristen entdecken im IfSG eine reich sprudelnde Quelle für alle Maßnahmen, die ansonsten nur für den Kriegsfall zu Rate stehen: Zwangsverpflichtung von Ärzten, Zwangsuntersuchung von "Risikoträgern" und Standortüberwachung von Kontaktpersonen Infizierter. Auf die Kritik an der Generalklausel des Paragrafen 28 Absatz 1 IfSG gehen Regierungsvertreter nicht ein. In Berlin orientiert man sich an dem, was Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für Bayern schon am 20. März angeordnet hat: Hier muss der Bürger bei inzwischen großflächig durchgeführten Polizeikontrollen "glaubhaft machen", was das Ziel seines Unterwegsseins ist. Laut Bayerns Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer gibt es dabei kein Pardon: "Wir werden konsequent kontrollieren. Und wer die Regeln missachtet, kann mit einem saftigen Bußgeld rechnen", drohte er am 30. März in einem Interview mit dem "Münchener Merkur".

Eilig hat Bayern am 25. März in Eigenregie ein Landesinfektionsschutzgesetz verabschiedet. Mit dem Begriff des "Gesundheitsnotstandes" wird hier die zwangsweise Dienstverpflichtung gerechtfertigt. Nachdem man jahrzehntelang den Personalbestand in Krankenhäusern und Pflege abgebaut hat, ermöglicht das Gesetz nun die "Inanspruchnahme" von Angehörigen der Arzt- und Pflegeberufe im Ruhestand. Es steht zu befürchten, dass die bayerischen Signale bei der Bundesregierung auf Wohlwollen stoßen werden.


Über den Autor
Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler. Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr. Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 52. Jahrgang,
Nr. 14 vom 3. April 2020, Seite 4
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2020

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