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POLITIK/2131: Medizinische Versorgungszentren - MVZ-Vorstoß gegen "Vergewerblichung" (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 7/8, Juli/August 2023

MVZ-Vorstoß gegen "Vergewerblichung"

von Dirk Schnack


MVZ. Der Bundesrat hat vergangenen Monat einem von Schleswig-Holstein, Bayern und Rheinland-Pfalz eingebrachten Bundesratsantrag zur Neuausrichtung der Rahmenbedingungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zugestimmt. Nun ist die Bundesregierung am Zug.


Landesgesundheitsministerin Prof. Kerstin von der Decken (CDU) hatte den Antrag im Mai in den Bundesrat eingebracht. "MVZ können einen wertvollen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung leisten. Die Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen jedoch so anpassen, dass eine Trägervielfalt bei den MVZ erhalten bleibt und die ärztliche Unabhängigkeit immer gewahrt bleibt", begründete von der Decken den Antrag.

"Die Bundesregierung ist nun gefordert, entsprechend zu handeln."
Prof. Dr. jur. Kerstin von der Decken

Der Einstieg von Investoren dürfe nicht dazu führen, dass junge Ärztinnen und Ärzte, die sich selbstständig machen wollen, im Wettbewerb um Kassenarztsitze stets das Nachsehen hätten. "Wirtschaftliche Interessen müssen im Einklang mit der Versorgungssicherheit und einer guten medizinischen Behandlung der Patientinnen und Patienten stehen können. Damit das gelingt, sind Anpassungen des gesetzlichen Rahmens und mehr Transparenz notwendig. Die Bundesregierung ist nun gefordert, entsprechend zu handeln", sagte von der Decken.

Wie berichtet, sehen Investmentfirmen MVZ zum Teil als Renditeobjekte. Über den Umweg des rechtlich zulässigen Erwerbs kleiner Krankenhäuser kaufen sie zum Teil in erheblichem Umfang Arztsitze. Von der Decken spricht von einer "Vergewerblichung", die sie aus mehreren Gründen problematisch findet. Investoren verlagerten Versorgungskapazitäten tendenziell in lukrativere Ballungsgebiete, was die flächendeckende Versorgung gefährdet. Durch den Ankauf eines Großteils der örtlichen Versorgungsaufträge in einer Fachrichtung könnten zudem lokale Monopole gebildet werden.

Um solche Risiken für die Versorgung abzuwenden und eine ausgewogene und plurale Versorgungslandschaft aller zugelassenen Leistungserbringer ohne eine Diskriminierung bestimmter Versorgungsformen zu erhalten, fordert der Bundesrat die Umsetzung folgender Maßnahmen von der Bundesregierung:

• Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Träger und Betreiber von MVZ auf dem Praxisschild, inklusive der Angabe der Rechtsform.

• Einführung eines gesonderten MVZ-Registers, in dem auch die nachgelagerten Inhaberstrukturen offenzulegen sind, und Schaffung einer Verpflichtung zur Eintragung in das Register als Zulassungsvoraussetzung für MVZ. Die KVen werden als registerführende Stellen bestimmt. Die nachgelagerten Inhaberstrukturen sind der Öffentlichkeit gegenüber durch geeignete Einsichtsrechte in das MVZ-Register offenzulegen.

• Räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für (zahn)ärztliche MVZ. In räumlicher Hinsicht sollte eine Beschränkung auf die jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereiche, die ganz oder teilweise in einem Radius von bis zu 50 km zum Sitz des Krankenhauses entfernt liegen, normiert werden. Für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche sind jeweils Ausnahmen vorzusehen.

• Begrenzung des Versorgungsanteils für neue, von einem Träger gegründete ärztliche MVZ im jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereich bei Hausärzten auf max. 25 %, bei der allgemeinen und speziellen fachärztlichen Versorgung auf max. 50 % pro Facharztgruppe, mit Ausnahmen in unterversorgten Regionen.

• Streichung der Möglichkeit des Arztstellenerwerbs für MVZ durch Zulassungsverzicht.

• Streichung der Möglichkeit einer "Konzeptbewerbung" für MVZ (Bewerbung eines MVZ im Zulassungsverfahren ohne Benennung eines konkreten Arztes) gem. § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 9 SGB V.

• Schaffung der gesetzlichen Grundlagen dafür, dass Kassenärztliche Vereinigungen und deren Einrichtungen, die Eigeneinrichtungen gem. § 105 SGB V betreiben, das Recht erhalten, in diesem Zusammenhang Zulassungen zu erhalten, unter der Maßgabe, dass die Vertragsarztsitze nachfolgend an die dort tätigen angestellten Ärzte zur selbstständigen Niederlassung übertragen werden.

• Stärkung der ärztlichen Leitung von MVZ durch Etablierung von Schutzvorschriften sowie Stärkung der Schutzfunktion der ärztlichen Leitung gegen sachfremde Einflussnahme durch Einführung entsprechender Kontrollmechanismen:
a.) Besonderer Abberufungs- und Kündigungsschutz für die ärztliche Leitung.
b.) Vorlagepflicht der Verträge mit der ärztlichen Leitung gegenüber der KV.
c.) Vorgabe des Tätigkeitsumfangs für die ärztliche Leitung in Höhe eines vollen Versorgungsauftrags bei mindestens fünf vollzeitäquivalenten Stellen im jeweiligen MVZ.

• Regelung im SGB V, dass Disziplinarmaßnahmen künftig auch gegen MVZ verhängt werden können und nicht nur gegen Mitglieder der KVen. In diesem Zusammenhang soll klargestellt werden, dass auch MVZ die Zulassung zu entziehen ist, wenn es nicht sicherstellt, dass MVZ-Ärzte ihren vertragsärztlichen Pflichten nachkommen.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 7/8, Juli/August 2023
76. Jahrgang, Seite 14
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 25. August 2023

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