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AUSLAND/1569: Simbabwe - Auf dem Land sind junge Aids-Patienten verloren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. August 2010

Simbabwe: Auf dem Land sind junge Aids-Patienten verloren - Medizinisch kaum betreut

Von Fidelis Zvomuya


Guruve, Simbabwe, 3. August (IPS) - In der Gesundheitsstation von Mugarakamwe in Simbabwes Zentralprovinz Mashonaland liegt ein wimmerndes kleines Mädchen auf einer Holzbank. Die elfjährige Irene Thambo, die eigentlich anders heißt, krümmt sich vor Schmerzen. Sie weist alle typischen Symptome einer HIV-Infektion auf. Doch weil in der dürftig ausgestatteten Landklinik keine Aids-Tests durchgeführt werden können, fehlt der medizinische Nachweis.

Die Großmutter hat das durch Brechanfälle geschwächte Kind zur Mugarakamwe-Klinik gebracht. Sie kümmert sich um Irene, deren Eltern vor zwei Jahren an Aids gestorben sind. Weil es in der Region, die zu den ärmsten Bezirken Simbabwes gehört, keine öffentlichen Transportmittel oder Krankenwagen gibt, müssen Patienten bis zu 20 Kilometer weit laufen, um hierher zu kommen.

Seit ihrem zweiten Lebensjahr wird Irene in der kommunalen Gesundheitsstation regelmäßig wegen Lungenentzündung, Tuberkulose, Fieberattacken, Diarrhö und Herpes behandelt. Ein durch den HI-Virus geschwächtes Immunsystem begünstigt den Ausbruch dieser so genannten opportunistischen Infektionskrankheiten.

Auf dem Land gibt es in den meisten Gesundheitsstationen weder die für HIV-Tests erforderlichen Geräte noch antiretrovirale Medikamente (ART) zur Behandlung von HIV-Patienten. In den Kliniken, die die Regierung in ländlichen Regionen unterhält, fehlen nicht nur Medikamente für die Grundversorgung, sondern auch Verbandsmaterial, Operationshandschuhe und Reinigungsmittel.

Ärzte kommen nicht nach Mugarakamwe. Ihr nächstgelegener Arbeitsplatz ist das hundert Kilometer entfernte Bezirkskrankenhaus von Guruve. Einer von ihnen, der politische Drangsalierung befürchtet und daher anonym bleiben wollte, klagte: "In ländlichen Gebieten gelten Kinder mit Aids als hoffnungslose Fälle. Wenn überhaupt werden hier nur erwachsene Aids-Kranke behandelt, weil Medikamente und Therapie weniger kosten."


Zu wenige HIV-Patienten werden mit Antiretroviralen behandelt

Die HIV-Tests für Kleinkinder unter 18 Monaten seien besonders aufwendig und teuer, berichtete der Mediziner. Auch die Behandlung von HIV-positiven Kindern sei umständlich. "Ihre Medikamente müssen ständig an Größe und Gewicht des wachsenden Patienten angepasst werden." Zudem seien für Kinder entwickelte Arzneimittel bis zu dreimal so teuer wie die für Erwachsene, betonte der Arzt und fügte hinzu:"Ohne medizinische Behandlung stirbt jedes zweite infizierte Kleinkind. Dabei könnten Medikamente bei diesen kleinen Patienten den Krankheitsverlauf praktisch über Nacht positiv beeinflussen."

Die vielfältigen opportunistischen Erkrankungen haben die elfjährige Irene so stark geschwächt, dass sie seit März 2009 nicht mehr zur Schule gehen kann. Sie möchte lieber sterben als noch jahrelang auf einen HIV/Aids-Test und auf die Behandlung mit Antiretroviralen warten zu müssen, sagte sie IPS.

Das UN-Programm für HIV und Aids (UNAIDS) spricht von 1,3 Millionen Aids-Waisen in Simbabwe, von denen etwa 100.000 sich selbst überlassen sind. Andere kommen bei Verwandten unter. Die UN-Agentur schätzt die Zahl der HIV-positiven Kinder unter 14 Jahren auf 110.000 bis 140.000. Die meisten leben in ländlichen Gebieten.

Nach Angaben des Mediziners Tapuwa Magure, Geschäftsführer des Nationalen Aids-Rates, erhalten in Simbabwe derzeit rund 200.000 HIV-Patienten - auch Kinder - antiretrovirale Medikamente, von denen es längst nicht genug gebe. Die Zahl der Kranken, die sie gemäß den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) benötigen, sei von 350.000 auf 570.000 gestiegen sei, betonte Magure.

Tanya Weaver von der 'American Foundation of Childen with Aids' gibt den großen internationalen Initiativen gegen HIV/Aids eine Mitschuld an dieser Unterversorgung. Mit knapp vier US-Dollar pro Jahr und HIV-Patient sei deren Hilfe für Simbabwe zu gering, kritisierte sie. "Sambia zum Beispiel hat eine ähnlich hohe Aids-Quote wie Simbabwe, bekommt aber von den internationalen Gebern für jeden HIV-Positiven jährlich 187 Dollar.


Obligatorische Aids-Abgabe offenbar zweckentfremdet

Im Sommer 2009 hatte der eher regierungsfreundliche 'The Herald' dem Nationalen Aids-Rat vorgeworfen, er habe einen Großteil des Fonds missbraucht, in den die von simbabwischen Arbeitskräften kassierte obligatorische Aids-Abgabe fließt.

Obwohl 50 Prozent des Fonds für den Kauf von antiretroviralen Medikamenten bestimmt sind wurden Angaben der Steuerbehörde von den seit Februar eingegangenen 1,2 Millionen US-Dollar lediglich 20.000 Dollar für diesen Zweck ausgegeben. Das sei beschämend, kritisierte die staatseigene Tageszeitung. Mit dem übrigen Geld habe der Aids-Rat als Verwaltungskosten deklarierte Ausgaben wie Auslandsreisen, teure Autos, hohe Gehälter und andere unbegründete Vorteile für sein Personal finanziert.

Anfang August 2009 hatte der Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose seine Beihilfe für Simbabwe auf 37,9 Millionen Dollar aufgestockt. Vor der Freigabe der Mittel ließ sich der internationale Hilfsfonds von der Regierung in Harare versichern, sie werde das Geld nur zweckgebunden verwenden.
(Ende/IPS/mp/2010)


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http://www.theglobalfund.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2010