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AUSLAND/1573: Tod im Reisfeld - Medizinische Hilfe für die Minenopfer in Laos (Securvital)


Securvital 4/2010 - Juli/August
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Humanitäre Hilfe in Laos

Tod im Reisfeld

Von Norbert Schnorbach


Als Folge des Vietnamkriegs liegen in Laos immer noch Millionen von Minen und nicht explodierten Bomben im Erdboden. Jahr für Jahr gibt es zahlreiche Tote und Verletzte unter der Landbevölkerung. Medizinische Hilfe für die Minenopfer ist rar.


Schulkinder in Laos haben ein ungewöhnliches Unterrichtsfach: "Umgang mit Bomben und Landminen". Die wichtigsten Grundregeln lauten: Nicht anfassen, nicht damit spielen, nicht mit nach Hause nehmen! Außerdem sofort Eltern und Dorfvorsteher informieren, damit staatliche Bomben-Experten die tödlichen Blindgänger entschärfen. Die Kinder lernen, dass der Tod im Reisfeld lauern kann, in der Erde, unter Blättern im Wald - meist in Gestalt von kleinen runden Metallkugeln.

Die Warnungen sind keineswegs aus der Luft gegriffen. 35 Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs ist die Gefahr, durch eine Explosion verletzt oder getötet zu werden, immer noch nicht gebannt. Viele Millionen nicht explodierter Minen und Bomben lauern im Boden des kleinen Landes zwischen Thailand, Kambodscha und Vietnam. Ein Viertel der gesamten Landfläche ist betroffen. Oft sind Kinder die Opfer, vor allem in ländlichen Gebieten, wenn sie mit gefundenen Metallgegenständen spielen, die dann plötzlich explodieren.


Spätfolge des Krieges

So ging es fünf Kindern aus dem Dorf Naughy im Norden von Laos, als sie beim Spielen an einem Fischteich eine Metallkugel entdeckten, kleiner als ein Tennisball. Es war eine BLU-26-Streumine. Wenn sie explodiert, schießen rasiermesserscharfe Eisensplitter in alle Richtungen. Zwei Jungen starben auf der Stelle, der fünfjährige Ya Vue wurde an beiden Armen verletzt, sein sechs Jahre alter Freund Yer Que schwer am Bein verwundet.

Die staatlichen Bomben-Entschärfer haben einen harten Job. Ihre Berichte zeugen davon, wie gefährlich die Spätfolgen des Vietnamkrieges immer noch sind und wie dicht der Tod lauert. "Zwei nicht explodierte Mörsergranaten nahe bei der Schule im Dorf Chavik gefunden". "Baustelle im Dorf Ban Hay untersucht, wo eine Schule gebaut werden soll. Auf gut 3.000 Quadratmeter wurden 19 Minen, 5 Bomben und zahlreiche Bombenteile gefunden." "5 Minen auf dem Schulgelände entschärft". Jahr für Jahr werden vom staatlichen Anti-Bomben-Programm (Uxo Lao) mehrere hundert Explosionsunglücke mit Toten und Verletzten gemeldet.

Obwohl Laos im Vietnamkrieg neutral war, wurden Teile des Landes von den Amerikanern im Kampf gegen die Nordvietnamesen heftig bombardiert. Aus Kampfflugzeugen wurden Millionen Tonnen Bomben abgeworfen, darunter sogenannte Clusterbomben, die jeweils Hunderte von Kleinminen ("bombies") verstreuten. 30 Prozent davon, schätzt man, sind beim Aufprall nicht explodiert und liegen noch heute in Wäldern, an Flussufern oder auf den Feldern dicht unter der Erdoberfläche.

In der Hauptstadt Vientiane kümmert sich die humanitäre Organisation COPE um die Opfer solcher Unfälle. 130 Mitarbeiter, darunter Ärztinnen und Ärzte, Rollstuhlmechaniker und Prothesen-Experten sind im Einsatz, um medizinische Versorgung und Hilfsmittel bereit zu stellen. Das staatliche Gesundheitswesen ist damit überfordert, denn Laos gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Ärzte und Krankenhäuser gibt es in den ländlichen Gebieten kaum. Unfallopfer und Verletzte können nur in größeren Städten versorgt werden.

Dem Bauern Ta aus dem kleinen Dorf Sopore wurde eine alte Mine im Wald zum Verhängnis. Die Explosion riss ihm beide Hände ab und zerstörte ein Auge. Seine Kinder schafften ihn blutend mit einem Boot und auf einem Traktor in ein Krankenhaus. Er kam mit dem Leben davon. Mittlerweile helfen ihm Armprothesen, im Alltag zurechtzukommen. "Ich kann jetzt auch wieder ohne fremde Hilfe essen", berichtet er. Der ehemalige Bauer hat sich bereit erklärt, über seinen Unfall und sein Schicksal zu berichten - und auch darüber, welche Hilfe die Opfer der alten Kriegsmunition und Bomben benötigen.


Werkstatt für Prothesen

"Im vergangenen Jahr haben wir rund 1.300 Prothesen und 400 Rollstühle hergestellt", berichtet Jo Pereira von der Organisation COPE (www.copelaos.org). Sie wurde vor 13 Jahren mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums und mehrerer Nichtregierungsorganisationen gegründete. Sie unterhält Werkstätten in Vientiane zur Herstellung von Prothesen und Rollstühlen, die den Lebensverhältnissen im Land angepasst sind. Die Rollstühle brauchen besonders stabile Räder, um auf steinigen Wegen in den Dörfern zu funktionieren. Sie müssen ebenso wie Bein- und Armprothesen aus preiswerten Materialien hergestellt werden und bei Bedarf auch mit einfachen Mitteln zu reparieren sein.

Eine COPE-Ausstellung in der Hauptstadt informiert Besucher darüber, wie die Explosionskörper aussehen, was sie anrichten und mit welch einfachen Mitteln eine medizinische Grundversorgung geleistet werden kann. Das geht nur mit privaten Spenden und Unterstützung von humanitären Organisationen. "Kaufen Sie ein Bein", wirbt COPE um Spenden: "Für 75 Dollar können Sie einem Menschen in Laos eine Beinprothese ermöglichen!" Zum Vergleich: Die neun Jahre dauernde Bombardierung des Landes durch die USA kostete seinerzeit 2,2 Millionen Dollar pro Tag. Auf eine Wiedergutmachung oder wenigstens auf staatliche Hilfe aus den USA beim Bombenräumen wartet Laos bisher vergebens.


Hilfe für Explosionsopfer

Nicht explodierte Bomben und Landminen sind eine tödliche Gefahr für die Zivilbevölkerung in vielen ehemaligen Kriegsregionen. Ein internationales Verbot für die Herstellung und Anwendung von Landminen ist seit 1999 in Kraft, wird allerdings von wichtigen Ländern (darunter auch China, Russland und USA) nicht anerkannt. Die internationale Kampagne für das Verbot solcher Waffen wurde mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ein deutsches Aktionsbündnis (darunter Brot für die Welt, medico international, Welthungerhilfe und andere Hilfsorganisationen) fordert mehr Unterstützung bei der Räumung von Bomben und Minen und mehr Hilfe für die Explosionsopfer. Informationen unter www.landmine.de und www.stopclustermunitions.org


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Quelle:
Securvital 4/2010 - Juli/August Seite 32-34
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
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Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2010