Universität Witten/Herdecke - 29.03.2011
Die Arbeit als Hausarzt auf dem Land macht Freude - aber die Bedingungen müssen besser werden!
Studie von Forschern der Universität Witten/Herdecke befasst sich mit der Situation der hausärztlichen Versorgung in ländlichen Regionen
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung auf dem Land ist ohne Hausarzt nicht möglich, aber die Zahl der Hausärzte sinkt. Über diese Problematik wird jetzt endlich öffentlich diskutiert, oft allerdings, ohne das Erleben und den Sachverstand der Betroffenen vor Ort einzubeziehen. Eine Studie am Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke zielt jetzt darauf, die konkrete gesundheitliche Versorgungssituation der Menschen in ländlichen Gebieten aus Sicht der lokalen beteiligten Akteure zu beschreiben. Die Regionalstudie wurde in zwei Versorgungsregionen NRWs durchgeführt. Die Sicht der an der gesundheitlichen Basisversorgung beteiligten Berufsgruppen und der Patienten wurde über qualitative Interviews erfasst, an denen unter anderem fünf der sieben in den beiden Versorgungsregionen praktizierenden Hausärzte teilgenommen haben.
Noch ist die Versorgung gesichert...
...so die einhellige Einschätzung der Hausärzte und anderen Befragten allerdings auch, weil sie sich trotz sinkender Vergütung und bürokratischer Erschwernisse für ihre Patienten einsetzen. Die zukünftige Sicherung der hausärztlichen Versorgung sehen sie jedoch massiv bedroht, sollten nicht vielfältige Anreize geschaffen werden, die jungen, engagierten Nachwuchs für ausscheidende Ärzte in ländliche Regionen locken. Von den demographischen und gesundheitspolitischen Veränderungen sind die Patienten in jeder Versorgungsregion aber sehr unterschiedlich betroffen. Pflegebedürftige Patienten in abgelegenen Gebieten haben schon heute mit Schwierigkeiten zu kämpfen "Pauschale Lösungen vom 'grünen Tisch' helfen also nicht", erklärt Prof. Dr. med. Stefan Wilm, der Initiator der Studie.
Die Stimmung an der Basis ist schlecht, doch die hausärztliche
Tätigkeit selbst sorgt für große berufliche Zufriedenheit! Angesichts
der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen sehen die Hausärzte
wenig zuversichtlich in die Zukunft. Beklagt werden in erster Linie:
ungenügende und unsichere Finanzierung, steigender Bürokratie- und
Verwaltungsaufwand, Beschränkungen des hausärztlichen
Handlungsspielraumes, steigende Fallzahlen pro Praxis. Zudem fühlen
sich die Hausärzte seitens des Gesundheitssystems und der Gesellschaft
immer weniger wertgeschätzt und anerkannt. Die hausärztliche Tätigkeit
selbst wird von den befragten Hausärzten aber sehr positiv
eingeschätzt, wobei insbesondere die intensive
Arzt-Patienten-Beziehung, der umfassende Charakter der
Allgemeinmedizin ("Vom Fußpilz bis zur Ehescheidung") sowie der
oftmals über Generationen gehende Kontakt zu Patienten und ihren
Familien für berufliche Zufriedenheit sorgt. Mit ihrem umfassenden,
integrativen Blick können Hausärzte einen besonderen Beitrag in der
medizinischen Versorgung der zunehmend älteren Bevölkerung leisten:
Sie erkennen psychosoziale Probleme, bevor sie sich gesundheitlich
niederschlagen, behalten einen kompetenten Überblick bei der
wachsenden Zahl der Medikamente und chronischen Krankheiten beim
einzelnen Patienten, sie vermeiden unnötige, den Patienten schädigende
Diagnostik und stationäre Behandlung. Die Bedeutung des
Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und der Stolz, den
die Hausärzte darüber empfinden, werden von den Befragten betont.
Allerdings geht es um mehr als um persönliche Befriedigung.
"Patienten brauchen vertrauenswürdige Ansprechpartner und
Fürsprecher", meint Prof. Stefan Wilm, der selbst als Hausarzt in
eigener Praxis arbeitet. "Wir müssen einen Rahmen schaffen, in dem
Ärzte, auch in Zukunft und auf dem Land, dies für ihre Patienten sein
können."
Vernetzung und Teamwork sichern eine positive Zukunft
Ein wichtiger Aspekt zur Sicherung der wohnortnahen gesundheitlichen
Versorgung in ländlichen Gebieten wird die Qualität der Zusammenarbeit
aller medizinischen und pflegerischen Berufsgruppen sein. Dafür muss
sich aber das professionelle Selbstverständnis aller Beteiligten noch
schrittweise wandeln, Ängste und Konkurrenzgedanken müssen abgebaut
werden. Medizinische Fachangestellte (MFA früher: Arzthelferinnen),
so zeigt die Studie, spielen bereits heute in der hausärztlichen
Versorgung in und außerhalb der Praxis eine zunehmend wichtige
Rolle.
Kontakt
Prof. Dr. med. Stefan Wilm
Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Fakultät für Gesundheit
Universität Witten/Herdecke
Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58448 Witten
eMail: Stefan.Wilm@uni-wh.de
Der Abschlussbericht der Studie findet sich auf Webseite des Instituts:
http://www.uni-wh.de/gesundheit/lehrstuhl-institut-allgemeinmedizin-familienmedizin/forschungsprofil/projekte/
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-wh.de/gesundheit/lehrstuhl-institut-allgemeinmedizin-familienmedizin/forschungsprofil/projekte/
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution226
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Witten/Herdecke, Kay Gropp, 29.03.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2011
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