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ARTIKEL/1191: Kinder sind für eine Hausärztin ein kaum bezahlbarer Luxus (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2011

Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Kinder sind für die Hausärztin ein kaum bezahlbarer Luxus

Von Dirk Schnack


Die Medizin wird weiblich, heißt es. Das Beispiel der Hausärztin Catherine Walliser zeigt aber, dass die Rahmenbedingungen dafür noch nicht stimmen.

Junge, leistungsbereite Ärztinnen mit guter Ausbildung sind angesichts des zunehmenden Versorgungsbedarfs derzeit überall willkommen. Was aber passiert, wenn diese Frauen sich niederlassen und Praxis und Familie unter einen Hut bringen wollen? Die Hausärztin Catherine Walliser aus Eckernförde versucht dies. Ihre Erfahrungen sind ernüchternd.

Die 35-Jährige führt die Medizinertradition ihrer Familie in dritter Generation fort und hat von ihrem Vater Dr. Falk Büttner die Begeisterung für die hausärztliche Tätigkeit vorgelebt bekommen und übernommen. Seit 2009 ist Walliser selbst niedergelassene Hausärztin, nachdem sie die Praxis ihres Vaters übernommen hat.

"Hätte ich keinen Vollzeit arbeitenden Ehemann, könnte ich mir entweder meine Praxis oder meine Familie nicht leisten", sagt Walliser. Dabei hat sie optimale familiäre Voraussetzungen, um neben der Praxis ihre zwei kleinen Töchter großziehen zu können. Ihre Eltern und ihre Schwiegereltern helfen bei der Kinderbetreuung. Ihr Mann arbeitet als Freiberufler von zuhause und kann flexibel seine Zeit einteilen. Aber Wallisers Wunsch, selbst mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, lässt sich ohne existenzielle Bedrohung der Praxis nicht realisieren. Walliser wagt es trotzdem, indem sie für eine Übergangszeit einen Praxisvertreter beschäftigt. Damit wird ihre Praxis aber zu einem Zuschussgeschäft. Denn für ihre 750-Scheine-Praxis bekommt sie monatlich nach eigenen Angaben 8.900 Euro von der KV überwiesen. Für zwei Mitarbeiterinnen (eine Vollzeit-, eine Teilzeitkraft), Miete, Praxiskredit und weitere Kosten muss sie monatlich über 6.000 Euro aufbringen. Hinzu kommen Ausgaben für Krankenversicherung und Altersvorsorge. Das Gehalt für einen Praxisvertreter wirft die Praxis nicht ab. Wegen des optimalen familiären Hintergrunds schaffte es Walliser, mit einem Kind die Praxis fortzuführen. Seit ihre zweite Tochter im Herbst 2010 aber fünf Wochen zu früh auf die Welt kam, ist sie als Mutter so stark gefordert, dass sie ihr Engagement in der Praxis zurückfahren muss.

Ihre Vollzeitpraxis bedeutete bislang jeden Vormittag Sprechstunde von 8:00-12:00 Uhr, an drei Nachmittagen Sprechstunden, Hausbesuche plus die Praxisverwaltung, die entweder nicht delegierbar oder für sie nicht bezahlbar war. Walliser musste sich also entscheiden, ob sie in der Praxis deutlich kürzertritt oder ihre Kinder kaum sieht - was sie ausschließt. Folgen wären also massive Einnahmeverluste, der ohnehin geringe Überschuss würde sinken, die Versorgung im gewohnten Maße wäre nicht mehr möglich. Als Ausweg hat sie sich für die Anstellung eines Praxisvertreters entschieden, der vorerst bis zum Frühsommer in ihrer Eckernförder Praxis tätig sein wird. Weil die Praxis dessen Gehalt aber gar nicht abwirft, bezuschusst die Familie praktisch die Praxisfortführung für einen begrenzten Zeitraum. "Ich fühle mich mit dem Problem allein gelassen", sagt Walliser dazu. Wie Sie mittelfristig ihre junge Familie und die eigene Praxis miteinander vereinbaren soll, weiß Walliser derzeit nicht.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2011 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2011/201103/h11034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
- Foto: Catherine Walliser

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt März 2011
64. Jahrgang, Seite 21
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2011

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