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FINANZEN/551: Was kostet der Schmerz? Volkswirtschaftliche Kosten des Schmerzmanagements (Medienhaus Münster)


Medienhaus Münster GmbH - 23. Oktober 2012

Was kostet der Schmerz?
Gesundheitsökonomische Aspekte im Projekt "Schmerzfreie Stadt Münster"

Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster beleuchtet die volkswirtschaftlichen Kosten des Schmerzmanagements in Münster / Erste Ergebnisse aus dem Bereich Krankenhaus



Münster, 23. Oktober. Schmerz ist nicht nur ein Krankheitssymptom: Er ist gewissermaßen auch eine volkswirtschaftliche Krankheit. Denn nach aktuellen Daten der Barmer GEK kostet die Behandlung eines Schmerzpatienten durchschnittlich 8.107 Euro pro Jahr. Rechnet man neben diesen reinen Behandlungskosten die indirekten Kosten für Arbeitsunfähigkeit, Frühberentung, Umschulungen etc. hinzu, so gehen chronische Schmerzen jährlich mit Gesamtkosten von rund 38 Milliarden Euro einher. Der Kostenaspekt ist daher ein wesentliches Kriterium für die Effizienz einer Schmerzbehandlung. Das Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster legt jetzt erstmals Daten zur Schmerzbehandlung im Krankenhaus vor. Neben den durchschnittlichen Behandlungskosten pro Patient wurde auch genau darauf geschaut, wie sich die Situation der Patienten durch die Schulung der Ärzte und Pflegenden veränderte.

"Die Kosten einer Behandlung sind das eine: Entscheidend ist jedoch in erster Linie erst einmal ihr Nutzen", erklärt Professor Dr. Matthias Augustin den Leitgedanken seiner gesundheitsökonomischen Analyse der gesammelten Daten. Schließlich, so der Vorstand des Hamburg Center for Health Economics (HCHE), sei es ein Grundprinzip des deutschen Sozialrechtes, dass grundsätzlich Nutzen vor Kosten gehe. Dem gegenüber stehe jedoch der enorme Kostendruck im Gesundheitswesen, der vielfach dazu führe, dass Ärzte in ihrem Handeln inzwischen häufig zu einem ökonomischen Minimalprinzip gezwungen würden.

"Die Analyse der in 6 münsterischen Krankenhäusern gesammelten Daten ist daher stets unter drei Aspekten zu sehen", so Augustin: "Erstens: Haben sich die Kosten für Arzneimittel und Therapien verändert? Zweitens: Welchen Nutzen haben die Patienten und die anderen Beteiligten durch dieses Eingreifen davon getragen? Und drittens: Was hat die durch das Aktionsbündnis initiierte Intervention, darunter zum Beispiel Mitarbeiterschulungen in den Kliniken, gekostet?


Weniger Schmerzen ohne Mehrkosten

Die Auswertung der Studiendaten ergab eine insgesamt positive ökonomische Bilanz: Die Schmerzversorgung am ersten Tag nach der Operation konnte ohne Mehrkosten an Arzneimitteln verbessert werden. Gleichzeitig wurde beobachtet, dass sich das Schmerzempfinden der Patienten durch die Interventionsarbeit nochmals deutlich senken ließ. "Ein ganz wichtiges Resultat, zumal wir davon ausgehen können, dass sich dieser Effekt noch verstärkt, je mehr Patienten von der neuen Verordnungspraxis profitieren", ergänzt Jürgen Osterbrink. "Das heißt: Weniger Schmerzen ohne Mehrkosten", bilanziert Professor Augustin.

Die Analyse ergab, dass die Interventionskosten, die durch das Aktionsbündnis getragen wurden, sich auf einmalig ca. 15.000 Euro pro Krankenhaus beliefen", so Gesundheitsökonom Augustin. "Eine sehr sinnvolle Investition, zumal durch die Intervention und die Optimierungsmaßnahmen sehr viele münsterische Patienten zusätzlich in den Genuss einer gezielten Schmerzkontrolle kommen." Zudem gelte auch hier das Prinzip der Nachhaltigkeit. "Die investierten 15.000 Euro werden sich für die teilnehmenden Häuser in den kommenden Jahren noch weiter rentieren."

Hochgerechnet auf die über 40.000 stationär behandelten Patienten der Münsteraner Krankenhäuser pro Jahr würden durch das Aktionsprogramm bei drei von hundert Patienten bisher nicht beherrschte Schmerzen zusätzlich eingestellt. Pro Patient mit eingestellten Schmerzen würde das gesamte Programm umgerechnet ca. 77 Euro kosten - eine Summe, die als akzeptabel für die gewonnene Lebensqualität gilt.

Augustins Fazit: "Je selbstverständlicher professionelles Schmerzmanagement an deutschen Krankenhäusern wird, desto mehr werden der einzelne Patient, aber auch die Leistungserbringer und die Kostenträger im Gesundheitswesen profitieren."

Einen Ausblick auf die weiteren Schritte im Bereich Gesundheitsökonomie gibt Projektleiter Professor Jürgen Osterbrink: "Es gibt neben den Krankenhäusern noch weitere Bereiche des Gesundheitswesens, die wir genau unter die Lupe genommen haben. Auch hier werden wir neben der fachlichen Qualität des Schmerzmanagements die ökonomischen Aspekte analysieren. Man darf gespannt sein".


Hintergrund-Informationen

Das Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster unter der Schirmherrschaft von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr ist ein auf mehrere Jahre angelegtes Forschungsprojekt, das erstmals über Institutionsgrenzen hinweg die komplexe Versorgung von Schmerzpatienten innerhalb eines städtischen Gesundheitssystems untersucht. Ziel des Aktionsbündnisses ist es, Wissens- und Versorgungslücken im Bereich des Schmerzmanagements an den Schnittstellen städtischer Gesundheitseinrichtungen zu erkennen und zu schließen.

Das Projekt beginnt mit der Erhebung des Ist-Zustands des Schmerzmanagements in den jeweiligen Einrichtungen. Als Instrumente dienen Fragebögen für das medizinische und pflegerische Personal sowie für Patienten und Angehörige. Auf Basis der Ergebnisse erarbeitet ein Expertenteam Optimierungsvorschläge zum Schmerzmanagement, die sich an medizinischen und pflegerischen internationalen Qualitätsstandards orientieren. Wesentlicher Bestandteil ist die Schmerzmessung und -dokumentation. Eine Verbesserung der Schmerztherapie soll zudem durch die Etablierung fach- und berufsübergreifender Therapiestandards bei akuten und chronischen Schmerzen erreicht werden sowie durch eine aufeinander abgestimmte medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung. Nach der Implementierung werden alle Einrichtungen re-evaluiert.

Weitere Informationen zum Projekt sind abrufbar unter:
www.schmerzfreie-stadt.de

Schirmherrschaft "Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster":
Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit

Kooperationspartner "Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster":

  • Apothekerkammer Westfalen-Lippe
  • Barmer GEK
  • Bezirksregierung Münster
  • Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK)
  • Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP)
  • Deutsche Schmerzliga e.V.
  • Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. (vormals DGSS)
  • Facharztinitiative Münster
  • Gesellschaft für Qualifizierte Schmerztherapie Certkom e.V.
  • Hausärzteverbund Münster (HVM)
  • Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP)
  • MEDICA Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Medizin e.V.
  • Palliativnetz Münster e.V.
  • Praxis für ganzheitliche Schmerztherapie Münster
  • Schmerztherapiezentrum Münster
  • Universitätsklinikum Münster (UKM)

Das Projekt wird von der Stadt Münster sowie dem Land Salzburg unterstützt. Hauptförderer des Aktionsbündnisses ist das Unternehmen Mundipharma.
Das Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster war auf der Shortlist "Umsetzung" des Preises für Gesundheitsnetzwerker 2012.

Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.schmerzfreie-stadt.de

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Quelle:
Medienhaus Münster GmbH
Pressemitteilung vom 23. Oktober 2012
An der alten Ziegelei 36b, 48157 Münster
Telefon: +49 (0)251 922669 20, Fax: +49 (0)251 922669 19
E-Mail: Markus.Koeller@medienhaus-muenster.de
Internet: http://www.medienhaus-muenster.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012