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DEMENZ/202: Gespräch mit einer Hospizhelferin - Kommunikation ist immer möglich (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 2/15
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Gespräch mit einer Hospizhelferin: Kommunikation ist immer möglich

Helga Schneider-Schelte und Hans-Jürgen Freter sprachen mit Anke Feiereis


Wir sprachen mit Anke Feiereis, die seit sechs Jahren als ehrenamtliche Hospizhelferin tätig ist und sich besonders um Menschen mit einer Demenzerkrankung in der letzten Lebensphase kümmert. Hospizhelferinnen sind ausschließlich in der sozialen Betreuung tätig, nicht in der Pflege.


Frage: Was hat Sie motiviert, ehrenamtlich für einen Hospizdienst tätig zu werden?

Anke Feiereis: Meine Mutter, die inzwischen verstorben ist, war an einer Demenz erkrankt. Das war sehr schwierig für mich. Später habe ich eine intensive Schulung zum Umgang mit Menschen mit Demenz gemacht. Jetzt konnte ich Vieles besser verstehen. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis war: Kommunikation ist immer möglich, auch mit Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase.

Frage: Haben Sie ein Beispiel?

Anke Feiereis: In einem Hospiz habe ich mich um eine Dame gekümmert, die 75 Jahre alt und sehr agil war. Sie war krebskrank und hatte eine Demenz. Eines Tages kam mir ihre Tochter entgegen und sagte: "Heute ist es ganz furchtbar. Sie will mit mir nach Hause gehen". Als ich ins Zimmer kam, hatte die alte Dame das ganze Bad ausgeräumt und war dabei das Bettzeug zu verpacken. Ich habe ihr beim Packen geholfen und gesagt: "Sie müssen Ihre sieben Sachen zusammen haben, es geht ja auf eine große Reise." Als sie nach einer Weile müde wurde, habe ich gefragt: "Wollen sie sich jetzt hinlegen?". Sie bejahte, ich habe schnell das Bett bezogen, sie hat sich hingelegt und war danach ganz friedlich.

Frage: Manche Erkrankte haben Verhaltensweisen, die andere schwer belasten. Was können Sie da tun?

Anke Feiereis: Einmal habe ich eine Dame begleitet, die sehr oft geschrien hat. Ich habe mich zu ihr gesetzt, habe versucht zu erspüren, was sie im Moment brauchen könnte. Wie viel Abstand zwischen uns tut ihr gut? Mag sie Berührung? Ich habe experimentiert, habe mit ihr gesprochen und gesagt, was mir in den Sinn kam. Ich habe ihr gesagt, dass sie ganz laut ist und alle sie gut hören können. Da hat sie mich plötzlich angeschaut und gelacht. Das hat mich berührt. Meine Erfahrung ist, dass Menschen das tun, was sie im Moment als sinnvoll erleben. Und sie blühen auf, wenn sie Zuwendung erfahren.

Frage: Was ist wichtig bei der Begleitung von Menschen mit Demenz?

Anke Feiereis: Ich empfehle mutig zu sein und immer wieder den Kontakt suchen. Es gilt, sich auf den anderen einzulassen, mit ihm mitzuschwingen und Verschiedenes auszuprobieren. Ich versuche achtsam zu sein und zu spüren, ob ich gerade erwünscht bin oder eher fehl am Platz. Braucht der andere vielleicht gerade mal Ruhe? Ich biete vorsichtig Berührung an, weiß aber, dass nicht jeder Berührung mag.

Frage: Wie gehen Sie selbst mit den Belastungen um?

Anke Feiereis: Ich bekomme von den Menschen immer etwas zurück. Manchmal ist es sehr schwer, da manche ein schweres Schicksal zu tragen haben. Ich habe ein großes Vertrauen ins Leben und auch die Meditation hilft mir. Zusätzlich wird auch Supervision angeboten.

Frage: Wie unterstützen Sie die Angehörigen?

Anke Feiereis: Ich sehe meine Aufgabe darin, zu vermitteln. Mir ist es wichtig, Angehörigen zu erklären, was gerade passiert und was sie tun können (siehe Kasten). Ein anderer Punkt ist, dass ich Angehörige ablöse, wenn sie Ruhepausen brauchen. Auch der Sterbende braucht manchmal Ruhepausen, sonst kann es sein, dass wir ihn festhalten.

Frage: Was finden Sie bei der Begleitung wichtig?

Anke Feiereis: Wichtig finde ich, dass Hospizhelfer eine gute Schulung bekommen. Nur dann sind sie für diese Aufgabe gerüstet. Wichtig finde ich auch, dass Angehörige sich Hilfe holen. Es sollte eine gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Diensten, aber auch zwischen den Angehörigen und Helfern aufgebaut werden. Ich stelle mir vor, dass ein "Nest" entsteht, in dem der Sterbende, aber auch die Angehörigen aufgefangen werden - auch über den Tod hinaus.

Frage: Wann glauben Sie, ist der richtige Zeitpunkt, sich an Hospizhelfer zu wenden?

Anke Feiereis: In Heimen kennt das Pflegepersonal in der Regel die Bewohner sehr gut. Sie spüren, wenn sich etwas verändert. Dann sollten sie sich an die Hospizhelfer wenden. Falls sich die Erkrankten wieder stabilisieren, kann man ja die Besuche wieder reduzieren. Also: lieber einmal mehr als zu wenig die Hospizhelfer rufen. Angehörigen würde ich empfehlen, sich an Hospizhelfer zu wenden, wenn etwas passiert, das sie nicht verstehen. Das ist meistens ein Zeichen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!


Das Gespräch führten Helga Schneider-Schelte und Hans-Jürgen Freter, Berlin, Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz

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Was in der Begleitung von Menschen mit Demenz am Lebensende getan werden kann

• Gestalten Sie Begrüßung und Verabschiedung als kleines Ritual.
• Sprechen Sie den Sterbenden mit seinem Namen an.
• Reden Sie mit ihm, auch wenn er selbst nicht mehr sprechen kann.
• Suchen Sie den Blickkontakt und achten Sie auf die Mimik.
• Geben Sie Zuwendung - auch durch Körperkontakt, wenn der Sterbende darauf positiv reagiert.
• Lesen Sie Geschichten mit einem positiven, bestärkendem Inhalt vor.
• Singen oder summen Sie bekannte Melodien (z.B. Wiegenlieder).
• Sie können auch gemeinsam mit dem Sterbenden still sein und meditieren.
• Achten Sie auf Bewegungen und machen Sie gegebenenfalls mit.
• Ermöglichen Sie sinnliche Erfahrungen, z.B. wohlschmeckendes Essen und angenehme Düfte.
• Machen Sie Mut!

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 2/15, S. 4 + 5
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2015

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